Neuburger Rundschau

Facebook steht unter Druck

Coca-Cola, Ford und weitere Großuntern­ehmen schalten vorerst keine Werbung mehr in dem sozialen Netzwerk. Sie reagieren auf Zuckerberg­s Umgang mit Hass-Kommentare­n

- VON YANNICK DILLINGER

Augsburg Wäre „Herauswind­en“eine olympische Disziplin, Facebook-Chef Mark Zuckerberg hätte in den vergangene­n 16 Jahren mehr Goldmedail­len geholt als USSchwimms­tar Michael Phelps. Illegale Weitergabe von Nutzerdate­n an Wahlkämpfe­r? „Es tut mir leid.“Intranspar­ente Änderungen am Algorithmu­s für psychologi­sche Experiment­e? „Wir wollten euch nie verärgern.“Ungelöscht­e Hassbotsch­aften des US-Präsidente­n? „Haben uns der Redefreihe­it verschrieb­en.“

Nichts hat den Facebook-Gründer nachhaltig erschütter­t. Keine Regulierun­gsfantasie eines deutschen Justizmini­sters. Keine Verhörsimu­lation amerikanis­cher Abgeordnet­er. Keine Abstrafung­sabsichtse­rklärung europäisch­er Regierungs­chefs. Wieso auch? Die Nutzerzahl wächst weiter, nach jedem verbalen Angriff folgt zuverlässi­g Abrüstung, Facebook verkündet Jahr für Jahr Rekorderge­bnis um Rekorderge­bnis.

Für Zuckerberg und seine Mitstreite­r ist seit anderthalb Jahrzehnte­n nur eine Rechnung wichtig: Viele aktive Nutzer + viele personalis­iert ausgespiel­te Anzeigen = zufriedene Werbekunde­n und Traumrendi­ten. Seit einigen Tagen sieht es allerdings so aus, als würde eine entscheide­nde Variable in dieser Rechnung zumindest temporär wegfallen: Firmen wie Coca-Cola, Ford und Unilever haben angekündig­t, vorerst keine Werbeanzei­gen mehr auf Facebook zu schalten. Der Grund: Zuckerberg­s lascher Umgang mit Hassbotsch­aften in dem sozialen Netzwerk.

Trotz massiver Proteste – auch eigener Mitarbeite­r – hatte sich der Facebook-Chef im Gegensatz zu den Verantwort­lichen von Twitter oder Twitch etwa dagegen entschiede­n, gewaltverh­errlichend­e Botschafte­n des US-Präsidente­n Donald Trump zu löschen beziehungs­weise mit einem Warnhinwei­s zu markieren. Deutsche Firmen wie Henkel, Adidas, Siemens und SAP stimmten in dieser Woche in den Chor der Entrüstete­n ein: Auch sie ziehen Budgets ab und schließen sich der „#StopHateFo­rProfit“-Initiative an. Sie appelliere­n an der Seite von mehr als 120 Firmen an Facebook, konsequent­er gegen Hass im Netz vorzugehen.

Die Initiative klagt konkret an, dass Zuckerberg und Co. Aufrufe zur Gewalt ungelöscht stehen ließen. Ebenso kritisiere­n sie, dass das Netzwerk die rechtspopu­listische

Meinungspl­attform Breitbart News als „seriöse Nachrichte­nquelle“kategorisi­ert habe.

Adidas setzt als Konsequenz für Juli seine weltweiten Werbeaktiv­itäten auf Facebook und Instagram, das ebenfalls zum Zuckerberg-Imperium gehört, aus. „Rassismus, Diskrimini­erung und Hasskommen­tare dürfen keinen Platz haben, weder in unserem Unternehme­n noch in unserer Gesellscha­ft“, erklärt der Sportartik­elherstell­er diese Maßnahme. Wie hoch das Budget für

Werbung auf Facebook ist, veröffentl­icht Adidas nicht. Auch nicht, wie es nach Juli weitergehe­n soll.

Zu Letzterem gibt es auch von Siemens keine Aussage. Das Unternehme­n setzt offiziell auch „nur“im Juli mit der Werbung auf Facebook und Instagram aus – allerdings lediglich in den USA. „Wir unterstütz­en nachdrückl­ich die #StopHateFo­rProfit-Initiative“, heißt es vonseiten Siemens’. „Wir akzeptiere­n rund um unsere Inhalte und Diskussion­en darüber keine unbegründe­ten, irreführen­den oder falschen Informatio­nen und wir tolerieren auch keine

Hassreden.“Auch der Softwareko­nzern SAP taucht auf der Internetse­ite des Aktionsbün­dnisses „#StopHateFo­rProfit“auf. Die Unterstütz­ung der Initiative sei „ein wichtiger Bestandtei­l unseres Einsatzes für soziale Gerechtigk­eit und Gleichstel­lung“. SAP setze alle Werbeanzei­gen auf Facebook und Instagram aus, „bis das Unternehme­n ein deutliches Signal gegen die Verbreitun­g von Hasskommen­taren und Rassismus auf seinen Plattforme­n sendet. Für einen nachhaltig­en Wandel müssen auch wir unsere Rolle auf Plattforme­n hinterfrag­en, die systematis­ch die Verbreitun­g von Hass und Rassismus fördern.“

Die Initiative „#StopHateFo­rProfit“belässt es nicht bei der Kritik an Facebook. Auf der Internetse­ite machen die Initiatore­n konkrete Vorschläge, was Mark Zuckerberg nun zu tun habe. Vor allem empfehlen sie ihm die zeitnahe und kenntnisre­iche Überprüfun­g und gegebenenf­alls Löschung von gemeldeten Inhalten, aber auch eine größere Transparen­z bezüglich der Unternehme­nsstrategi­e. Ob Zuckerberg künftig auch in der Disziplin „Echte Einsicht und überzeugte­s Handeln“Medaillen erringen möchte? Es bleibt ungewiss: Bislang hat sich Facebook zu dem Boykott nicht geäußert.

Siemens und Adidas setzen vorerst nur bis Ende Juli aus

 ?? Foto: Dominic Lipinski, dpa ?? Was der Politik bislang nicht gelang, könnte die Wirtschaft nun schaffen: Hass-Postings auf Facebook zu unterbinde­n.
Foto: Dominic Lipinski, dpa Was der Politik bislang nicht gelang, könnte die Wirtschaft nun schaffen: Hass-Postings auf Facebook zu unterbinde­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany