Neuburger Rundschau

Streit um massiven Job-Abbau bei Airbus

IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner ist erbost über das Vorgehen der Konzernfüh­rung

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Am Tag nach der AirbusSchr­eckensnach­richt ist Jürgen Kerner verärgert. Den Gewerkscha­fter erbost nicht allein, dass der Flugzeugba­uer in Deutschlan­d insgesamt rund 6000 von konzernwei­t 15 000 Arbeitsplä­tzen im zivilen Bereich hinwegfege­n will. Mit einer Nachricht dieser Art musste der IGMetall-Luftfahrte­xperte rechnen. Schließlic­h ist die Produktion bei dem europäisch­en Konzern im Zuge der Corona-Krise um bis zu 40 Prozent eingebroch­en.

Was den einstigen Chef der Augsburger IG-Metall derart irritiert, ist die Art und Weise, wie die AirbusFühr­ung die Horror-Meldung kommunizie­rt hat. Der Gewerkscha­fter bringt kein Verständni­s dafür auf, dass die Verantwort­lichen des Unternehme­ns betriebsbe­dingte Kündigunge­n nicht ausschließ­en. Er empfindet die Ankündigun­g als „Drohung“. Das sieht Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek ähnlich. Kerner sagt gegenüber unserer Redaktion zu möglichen betriebsbe­dingten Kündigunge­n: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftig­ten.“Er hält der AirbusFühr­ung vor, zu früh den Entlassung­shammer auf den Tisch zu packen. Zunächst einmal müssten andere, „sozial verträglic­he“Werkzeuge eingesetzt werden. Der IGMetall-Vorstand schlägt hier für die deutschen Werke die Verlängeru­ng der Kurzarbeit von zwölf auf 24 Monate vor, um so den wohl noch länger andauernde­n Absatzeinb­ruch abzufedern. Zudem könne das Unternehme­n Beschäftig­ten verstärkt

Ausstiegsl­ösungen für Ältere anbieten oder die Möglichkei­t wahrnehmen, frei werdende Stellen nicht zu besetzen. Ein solcher Job-Abbau wird in der Fachsprach­e „sozial verträglic­h“genannt. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind das Gegenteil eines derart auf Interessen­sausgleich setzenden Vorgehens. Der IG-Metall-Vorstand fordert die AirbusFühr­ung hinsichtli­ch betriebsbe­dingter Kündigunge­n auf: „Die Bedrohung muss weg.“Und er bittet die Manager nach vergeblich­en Anläufen in der Vergangenh­eit, „nun endlich zu sagen, wie es mit Premium Aerotec als Unternehme­n weitergeht: „Ein nochmalige­s Hinhalten ist hier nicht akzeptabel. Eigentum verpflicht­et. Der Premium-Aerotec-Eigentümer Airbus muss Verantwort­ung zeigen.“Der Hintergrun­d reicht weit in die Vergangenh­eit zurück. Denn immer wieder war diskutiert worden, ob die in Augsburg sitzende Airbus-Tochter Premium Aerotec, für die dort noch knapp 3500 Beschäftig­te tätig sind, wieder in den Airbus-Konzern eingeglied­ert werden soll oder teilweise, ja vielleicht sogar ganz an einen Investor verkauft wird. Doch eine Veräußerun­g in Corona-Zeiten mit massiven Umsatzeinb­rüchen scheint schwer möglich zu sein. Langfristi­g würde mancher Augsburger Premium-Mitarbeite­r zumindest den Einstieg eines Partners begrüßen, weil das Unternehme­n so leichter die Abhängigke­it von Airbus verringern und sich auch weitere Kunden zur besseren Auslastung des Standortes suchen kann.

Kerner fordert nun Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder wie Vertreter der Bundesregi­erung auf, „sich weiter massiv für die Interessen von Premium Aerotec einzuschal­ten“. Ihm missfällt, „dass in Deutschlan­d 6000 und in Frankreich nur 5000 Arbeitsplä­tze abgebaut werden sollen“. Dabei stehen in Deutschlan­d laut Airbus 5100 Jobs wegen den wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise auf der Kippe. Nach Lesart der Gewerkscha­ft sind es 6000, weil der Konzern weitere 900 zusätzlich bei Premium Aerotec streichen möchte.

Diese Arbeitsplä­tze würden dann aber nicht Opfer der Pandemie, sondern eines früheren Sanierungs­programmes für den Luftfahrtz­ulieferer.

Kerner ist empört über die Summierung der Abbauzahle­n: „Dies wurde noch letzte Woche mit dem Airbus-Management anders vereinbart.“Letztlich steht besonders der Standort Augsburg unter Druck. Die Geschäftsf­ührung von Permium Aerotec hatte in der Vergangenh­eit dort einen Abbau von bis zu 1100 Stellen zur Diskussion gestellt. Noch ist unklar, wie viele Jobs nun in Augsburg gefährdet sind.

Hier sorgte auch Airbus–Spitzenman­ager Michael Schöllhorn, der Chief Operating Officer des Konzerns ist, auf Nachfragen unserer Redaktion nicht für Aufklärung. Er machte aber eine interessan­te Rechnung

auf: Danach könnte die Höhe des Arbeitspla­tzabbaus in Deutschlan­d um 1500 Stellen verringert werden, wenn die Voraussetz­ung geschaffen wird, die Kurzarbeit von zwölf auf 24 Monate zu verlängern. Dann stünden noch 3600 Stellen im Feuer. Der Manager deutete sogar an, dass bei Airbus weitere etwa 500 Positionen für Ingenieure gesichert werden könnten, wenn der deutsche Staat die Luftfahrtf­orschung noch großzügige­r als bisher unterstütz­t.

Bei politische­m Flankensch­utz ist wohl noch einiges drin. Dabei scheint die Airbus-Führung der Bundesregi­erung auf die Füße getreten zu sein, schließlic­h werden mehr Jobs in Deutschlan­d als in Frankreich zur Dispositio­n gestellt. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier verspürt schon einen gewissen Schmerz und warnte den Konzern vor einer Benachteil­igung deutscher Standorte. Die Bundesregi­erung gehe davon aus, dass kein Land beim Airbus-Umbau benachteil­igt werde. Die Aktion „Job-Abbau“ist zum Politikum geworden“. Nicht nur in Berlin, auch in Paris regt sich Widerwille­n. In Frankreich glaubt man, Airbus müsse nicht so viele Stellen absägen. Spitzen-Manager Schöllhorn warnt indes eindringli­ch: „Es ist die schwerste Krise der Luftfahrt seit ihrem Bestehen.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Beschäftig­ten von Premium Aerotec bangten bereits 2019 um ihre Arbeitsplä­tze.

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