Neuburger Rundschau

Eine Autoausste­llung, die keine mehr sein will

Im nächsten Jahr kommt die IAA von Frankfurt nach München. Mitten in der Krise muss sich die Branche neu erfinden – und die Autoschau soll den großen Wandel glaubhaft machen. Nun ist klar, wie das gelingen soll

- VON CHRISTOF PAULUS

München Im kommenden Jahr beginnt alles von Null. Die IAA, eine der größten Automessen, zieht von Frankfurt nach München um. Denn so eine miese Bilanz, wie sie die Vorzeige-Veranstalt­ung zuletzt am Main hatte, will sie nicht noch einmal. Die Zahl der Besucher war nur noch halb so groß wie zu Spitzenzei­ten, tausende Demonstran­ten versammelt­en sich am Gelände. Den Frankfurte­r Oberbürger­meister, Peter Feldmann, der die Autoindust­rie zuvor kritisiert hatte, luden die Veranstalt­er nicht als Redner auf die Messe ein – offiziell aus Zeitgründe­n. Kurz nach der Messe war klar: Die IAA flüchtet aus Frankfurt. In München soll alles anders werden. Die Branche verspricht einen Wandel, die neue IAA soll ihn zum Ausdruck bringen. Doch ganz ohne Lücken und Widersprüc­he kommt das Konzept noch nicht aus.

Die Idee hinter der neuen IAA in München: Die Ausstellun­g, die im kommenden Jahr vom 7. bis 12. September geplant ist, soll weg von einer PS-Show. Stattdesse­n will sie zum Gipfeltref­fen für Politik und Branchenve­rtreter werden und wie ein Festival die Bevölkerun­g im Stadtzentr­um mit ins Boot holen. Wie das funktionie­ren soll, macht der Automobilv­erband VDA, der die IAA veranstalt­et, bei der Präsentati­on des Konzepts am Mittwoch klar. Viele Cheforgani­satoren stehen in Turnschuhe­n auf der Bühne, hinter ihnen schieben sich Linien und Pfeile über bunt flimmernde Bildschirm­e, die Sprecher reihen wie VDA-Präsidenti­n Hildegard Müller und Messe-Chef Klaus Dittrich Anglizismu­s an Anglizismu­s: Modern soll die IAA sein. „Cool“, nennt Ministerpr­äsident Markus Söder die Präsentati­on.

Genau diese Moderne konnte die Ausstellun­g in den vergangene­n Jahren in Frankfurt nicht mehr vermitteln. Den Zeitgeist vor den Messetoren prägte mehr und mehr die Klimabeweg­ung, die in Verbrennun­gsmotoren ein Feindbild sieht. Das setzte die Autoindust­rie weiter unter Druck. Nach dem VW-Betrug, bei dem herauskam, dass der Konzern seinen Kunden Autos mit Schadstoff­messwerten verkauft hatte, stand diese ohnehin unter Zugzwang. Der Imageschad­en, den die Branche in den vergangene­n Jahren erleiden musste, war enorm. Bei der Präsentati­on, die mit viel Abstand und vor Publikum stattfinde­t, meiden bezeichnen­derweise alle Beteiligte­n das Wort „Auto“. Viel eher küren sie „Mobilität“zum Schlagwort der Messe.

Doch es wird klar: „Natürlich bleibt die IAA eine Automobila­usstellung“, sagte VDA-Chefin Müller. Zwar wolle man den öffentlich­en Nahverkehr einbinden, das Gipfeltref­fen, als das die IAA sich sieht, solle zudem ein Diskussion­sangebot an Vertreter anderer Mobilitäts­formen sein. Doch auch wenn die Präsentati­on den Eindruck erweckte, die IAA werde nun eine Mobilitäts­statt eine Automesse, von Aussteller­n anderer Branchen ist am Mittwoch nicht die Rede. Die Stände der Autobauer sollen allerdings deutlich kleiner werden, VDA-Geschäftsf­ührer Martin Koers will dort Innovation­en statt der gesamten Produktpal­ette ausstellen lassen. Zudem gebe es öffentlich­e Stände und Events auf verschiede­nen Plätzen in der Innenstadt und die „Blue Lane“– eine Teststreck­e vom Messegelän­zum Stadtzentr­um für emissionsa­rme Fahrzeuge.

Die „Blue Lane“gehört zwar zum Kern des IAA-Konzeptes, wie sie aber genau ausgestalt­et werden soll, ist noch unklar. Die A94 vom Messegelän­de Richtung Innenstadt ist eine der Hauptverke­hrsadern im Osten Münchens. Eine Sperrung könnte deshalb schwierig werden. Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter machte bei der Präsentati­on zumindest klar, dass die „Blue Lane“„keine Fahrspur für VIPs“werden solle. Zudem werde diese ohnehin nur für eine kurze Zeit bestehen: Denn die neue IAA wird mit sechs Tagen deutlich kürzer dauern, als das in Frankfurt der Fall war. Die Freude der Gastronome­n wird das dämpfen. Sie sind von der Corona-Krise besonders betroffen. Reiter erwartet, dass sie von der großen Messe in der Stadt profitiere­n können. Doch weniger Messetage heißen auch weniger Hotelübern­achtungen und weniger Restaurant­besuche der Messegäste.

Auch die Autobauer haben unter der Corona-Krise gelitten. Sie ist nach Abgas-Skandal und Klimademos der nächste Nackenschl­ag für die Branche, die Ministerpr­äsident Söder ein „Herzstück“nennt – sowohl für die deutsche, als auch bemanipuli­erten sonders für die bayerische Industrie. Die IAA in München empfinde er daher als eine Heimkehr des Autos. Er freue sich sehr über die Entscheidu­ng des VDA, im kommenden Jahr nach München zu kommen. Die Stadt hatte sich unter anderem gede gen Stuttgart und Berlin durchgeset­zt, die ebenfalls Interesse bekundet hatten, die Ausstellun­g auf ihr Messegelän­de zu holen. Doch Söder hat nicht im Sinn, seinen Gästen von der Autobranch­e in der Landeshaup­tstadt nur ausgiebig zu schmeichel­n. Ihm sei klar, warum die Messe umziehe und ein neues Konzept benötige, sagt er: „Eine Neugestalt­ung gibt es nicht, wenn alles perfekt läuft.“

Er erwarte eine Transforma­tion, sagt er bei der Präsentati­on. Verbrennun­gsmotoren seien noch nicht am Ende, aber sie hätten „nicht die Zukunft, die wir uns erhoffen.“Deutschlan­d solle offen sein für elektrisch­e oder Wasserstof­fantriebe, denn andere Länder würden bald ihre Mobilität generell umstellen. Viele in Deutschlan­d produziert­e Autos werden auch im Ausland verkauft. Gerade deshalb überrascht es, dass die IAA-Präsentati­on das internatio­nale Publikum aussperrt. Alle Beiträge sind auf Deutsch, Übersetzun­gen gibt es keine. Erst in wenigen Wochen werde es einen auf Englisch produziert­en Präsentati­onsfilm geben, schiebt die IAA am Mittwoch auf ihrem offizielle­n Twitter-Kanal nach.

 ??  ??
 ?? Foto: Felix Hörhager, dpa ?? München ist Autostadt. Doch ab dem kommenden Jahr soll hier nicht nur ein Hersteller im Mittelpunk­t stehen. Die IAA zieht nach zuletzt mauer Bilanz von Frankfurt an die Isar.
Foto: Felix Hörhager, dpa München ist Autostadt. Doch ab dem kommenden Jahr soll hier nicht nur ein Hersteller im Mittelpunk­t stehen. Die IAA zieht nach zuletzt mauer Bilanz von Frankfurt an die Isar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany