Zwischen Nazi-Hetze und Werbung
Wolfgang Kaskeline war in den 1920er Jahren ein Pionier des Trickfilms
der Nazis aufgenommen. Das war für ihn eine Zitterpartie, weil er keine „arische Abstammung“nachweisen konnte. Immer wieder erhielt er Berufsverbote und Ausnahmegenehmigungen, bis seine Frau Minna auf die abenteuerliche Idee kam, den in Teplitz residierenden Fürsten von Clary und Aldringen,
Alfons, um Hilfe zu bitten. Der Fürst bestätigt überraschenderweise ohne größere Probleme per Notar gerade rechtzeitig vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht nach Böhmen, dass Wolfgangs Vater Viktor Kaskeline ein unehelicher Spross des Geschlechts der Clary und Aldringen ist.
Zwar wird diese Bestätigung von den deutschen Behörden immer wieder in Zweifel gezogen, und Wolfgang Kaskeline muss sich einer demütigenden rassenkundlichen Untersuchung in der Charlottenburger „Poliklinik für Erb- und Rassenpflege“stellen. Aber deren Befund, er sei „Vierteljude“, ermöglicht es ihm, seine künstlerische Tätigkeit weiter auszuüben. Ungeklärt ist, ob dieser Bescheid von einer Bittaktion von Minna Kaskeline bei Hermann Göring oder von der Unverzichtbarkeit des erfolgreichen Filmers beeinflusst war.
So überlebt Kaskeline unter großen Schwierigkeiten das Dritte Reich und startet in der jungen Bundesrepublik eine neue Karriere. Neben Werbe- dreht er jetzt Städtefilme, beispielsweise über Berlin oder über Bremen, unterstützt von seinen beiden Söhnen Horst und Heinz.
Bei seiner Beerdigung 1973 hält ein Rabbiner „eine bewegende Gedächtnisrede“; seit 1987 erinnert die „Kaskeline-Film-Akademie“(heute unter anderem Namen) in Berlin an den „deutschen Walt Disney“. Herma Kennel hat in ihrer schönen und faktengesättigten Biographie (samt einer umfassenden „Filmographie“) den großen Künstler wieder in lebendige Erinnerung gerufen.
» Herma Kennel: Als die Comics laufen lernten. Der Trickfilmpionier Wolfgang Kaskeline zwischen Werbekunst und Propaganda. Bebra Verlag 240 S., zahlreiche Abb., 24 Euro (E-Book 18,99 Euro)