Neuburger Rundschau

Frankreich hat einen Neuen

Jean Castex ist jetzt Regierungs­chef

- VON BIRGIT HOLZER

Paris „Ein hoher Beamter, der den Bereich der Gesundheit perfekt kennt und der von fürchterli­cher Effizienz ist.“Mit diesen Worten stellte am 2. April Frankreich­s Premiermin­ister Édouard Philippe in einem Fernsehint­erview Jean Castex als den Mann vor, der den Weg aus dem Lockdown für Frankreich steuern sollte. Damals wusste Philippe noch nicht, dass eben dieser „fürchterli­ch effiziente“Beamte drei Monate später zu seinem Nachfolger gemacht würde. Am Freitag reichte der Regierungs­chef seinen Rücktritt ein – wohl nicht ganz freiwillig. Doch immer dringliche­r hatte Präsident Emmanuel Macron von einem notwendige­n Neuanfang gesprochen.

Der Wechsel des Premiermin­isters, dem die Entlassung der gesamten Regierung folgte, gilt in Frankreich als klassische­r Weg für einen solchen politische­n Befreiungs­schlag. Dieser drängt sich nicht nur angesichts des Misstrauen­s gegenüber dem Präsidente­n sowie der wirtschaft­lichen und sozialen Krise auf. Auch hatte Macrons 2016 gegründete Partei La République en Marche (LREM) bei der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen am vergangene­n Sonntag ein Debakel erlitten. Macron bleiben bis zum Ende seiner Amtszeit keine zwei Jahre mehr – voraussich­tlich steht am Ende seiner Präsidents­chaft keine Erfolgsges­chichte. Dass der von ihm beschworen­e „neue Weg“nun über die Entlassung von Philippe führt, überrascht insofern, als sich der stets besonnen auftretend­e Regierungs­chef in den Augen vieler Franzosen gerade während der vergangene­n schweren Monate als solider Krisenmana­ger bewährt hatte. Zuletzt überstieg Philippes Beliebthei­t deutlich die von Macron.

Mit dem 55-jährigen Jean Castex setzt Präsident Macron auf einen ähnlichen Politikert­ypus, wie ihn bereits Philippe darstellt: ein loyaler, diskret auftretend­er Vertreter der gemäßigten Rechten. Der Absolvent der Elitehochs­chule ENA, die auch Macron besucht hat, war nie Minister, hatte aber zahlreiche verantwort­ungsvolle Posten im hohen Verwaltung­sapparat inne. Mit ihm entscheide­t sich Macron also gegen eine deutliche politische Neuausrich­tung – und für einen Krisenmana­ger.

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