Theatersanierung – ein Fass ohne Boden?
Die Befürchtung, dass sich die Augsburger Bühnen-Ertüchtigung enorm verteuert, wird sich bewahrheiten. Ein Blick in andere deutsche Städte zeigt, was das heißen könnte
Nun wird wieder an die Elbphilharmonie erinnert – zusammen mit dem Berliner Flughafen das kompakte bundesdeutsche Synonym für Größenwahn, Fehlplanung, Bauverzögerung, Kostenexplosion. Kann man ja auch in gewisser Weise verstehen.
Aber die Elbphilharmonie ist dann doch nicht der passende Vergleich zu den jetzt auch bei der Sanierung und dem Neubau des Theaters Augsburg eingetretenen bösen Nachrichten: dass nämlich die Baumaßnahmen deutlich teurer werden als ursprünglich mit der Hand auf dem Herzen versichert – bei gleichzeitiger Nichtbezifferung der üblichen Baupreissteigerungen, die so sicher sind wie das Amen in der Kirche. Schätzungsfehler und eben diese erwartbaren, aber nicht einmal überschlagsweise einkalkulierten Baupreissteigerungen dürften die Kosten um knapp oder gut 100 Millionen Euro von 186 auf Minimum 283, Maximum 321 Millionen Euro hochtreiben. Stand: Sommer 2020. Was nichts anderes heißt als: Es könnte noch schlimmer kommen.
Dies ist mehr als ärgerlich. Wieder einmal kann sich der Bürger durch die entscheidende Politik und durch die Planer verschaukelt fühlen. Und damit ist noch nicht einmal angesprochen, dass gleichzeitig und en passant die Fertigstellung jetzt von 2023 auf 2026 verschoben ist. Auch darüber darf Wut empfunden werden. So war das nicht ausgemacht gewesen.
Warum das einst quälend lange Erwachen um die ElbphilharmonieMisere
nicht recht zum Vergleich mit den Augsburger Hiobsbotschaften taugt, liegt darin begründet, dass die Elbphilharmonie ein reiner Neubau war, zudem ein Hotel sowie sündteure Eigentumswohnungen beherbergt, jedoch keine aufwendige Theaterbühne mit der entsprechenden Technik ausweist – dafür aber in ihren Annalen Vertragsbrüche infolge des ursprünglich vereinbarten Festpreises von 77 Millionen Euro, der hin zu rund 800 Millionen Euro wucherte.
Gleichwohl gibt es durchaus bundesdeutsche Sanierungen, die mit der Augsburger Sanierung vergleichbar sind. Schon allein deshalb, weil sie ebenfalls Opernbühnen betreffen und ebenfalls denkmalgeschützte Häuser. Der genaue Blick darauf bleibt alles andere als beruhigend, ja, er gibt all denen recht, die schon im Vorfeld jener politischen Entscheidung, dieses unter erheblichen finanziellen Belastungen 1877 erbaute und 1956 wiedererrichtete Augsburger Theater zu sanieren, mit Bestimmtheit erklärt hatten: Es wird bei den zunächst veranschlagten 186 Millionen, zu denen der Freistaat 107 Millionen zuschießt, nicht bleiben.
Jene bedingt vergleichbaren Bühnen, die hier gemeint sind, stehen in München, Berlin und Köln. Der glimpflichste Fall darunter betrifft das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz, das ursprünglich für 71 Millionen Euro saniert werden sollte, dann aber, nach zweimaliger Wiedereröffnungsverzögerung, die 120-Millionen-Latte riss.
Auch in der Staatsoper Berlin explodierten bei mehrjähriger Bauverzögerung die Sanierungskosten enorm. Statt wie geplant 2013 öffnete das Haus erst 2017 wieder, und zwar bei Endkosten von rund 440 Millionen Euro statt der ursprünglich vorgesehenen 240 Millionen.
Der krasseste Fall jedoch ist derzeit noch in Köln am Köcheln. 2011 war hier die Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz mit einem Budget von 253 Millionen Euro bis zur anberaumten Wiedereröffnung 2015 beschlossen worden. Mittlerweile muss der Hohe Rat der Stadt von 840 Millionen Euro ausgehen, wenn sich der Vorhang 2023 tatsächlich wieder heben sollte.
Andere Städte – gleiche Nöte. Hinwegtrösten kann man sich damit kaum. Und auch nicht damit, dass die noch ausstehenden Bühnensanierungen in den Städten Stuttgart und Frankfurt am Main inzwischen mit Summen von jeweils bis zu einer Milliarde Euro operieren – egal, ob in Frankfurt saniert und/oder neu gebaut werden sollte.
Nein, es gibt kaum eine Entschuldigung. Man hätte in Augsburg klüger, sorgfältiger, redlicher sein können. Ein privater Bauherr wäre in solcher Situation – da hat Bayerns Steuerzahlerpräsident in seiner scharfen Kritik recht – pleite. Der private Bauherr hätte nicht nur alle möglichen Preissteigerungen von vornherein einkalkuliert, sondern auch noch eine Summe in der Hinterhand behalten, falls sich der Bau durch Unwägbarkeiten verteuern und verzögern sollte. Stichwort Archäologie, Stichwort Grundwasser. In Augsburg aber schien man so Offenbach-operettenhaft wie in Köln zu denken: Et kütt, wie et kütt – es kommt, wie es kommt – und: Et
Die Elbphilharmonie ist kein guter Vergleich
Augsburg denkt wie Köln: Et kütt, wie et kütt
hätt noch immer jot jejange – es ist noch immer gut gegangen.
Dennoch gilt es nun auch, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Wer jetzt drakonisch den Baustopp fordert, der verkennt, dass zu einer Großstadt auch ein Ensembletheater gehört. Genauso wie eine gut sortierte Bücherei. Genauso wie ein Botanischer Garten, der mehr enthält als die heimischen Pflanzen. Genauso wie ein stadthistorisches Museum. Genauso wie ein Stadion. Genauso wie ein Zoo.