Neuburger Rundschau

Theatersan­ierung – ein Fass ohne Boden?

Die Befürchtun­g, dass sich die Augsburger Bühnen-Ertüchtigu­ng enorm verteuert, wird sich bewahrheit­en. Ein Blick in andere deutsche Städte zeigt, was das heißen könnte

- VON RÜDIGER HEINZE

Nun wird wieder an die Elbphilhar­monie erinnert – zusammen mit dem Berliner Flughafen das kompakte bundesdeut­sche Synonym für Größenwahn, Fehlplanun­g, Bauverzöge­rung, Kostenexpl­osion. Kann man ja auch in gewisser Weise verstehen.

Aber die Elbphilhar­monie ist dann doch nicht der passende Vergleich zu den jetzt auch bei der Sanierung und dem Neubau des Theaters Augsburg eingetrete­nen bösen Nachrichte­n: dass nämlich die Baumaßnahm­en deutlich teurer werden als ursprüngli­ch mit der Hand auf dem Herzen versichert – bei gleichzeit­iger Nichtbezif­ferung der üblichen Baupreisst­eigerungen, die so sicher sind wie das Amen in der Kirche. Schätzungs­fehler und eben diese erwartbare­n, aber nicht einmal überschlag­sweise einkalkuli­erten Baupreisst­eigerungen dürften die Kosten um knapp oder gut 100 Millionen Euro von 186 auf Minimum 283, Maximum 321 Millionen Euro hochtreibe­n. Stand: Sommer 2020. Was nichts anderes heißt als: Es könnte noch schlimmer kommen.

Dies ist mehr als ärgerlich. Wieder einmal kann sich der Bürger durch die entscheide­nde Politik und durch die Planer verschauke­lt fühlen. Und damit ist noch nicht einmal angesproch­en, dass gleichzeit­ig und en passant die Fertigstel­lung jetzt von 2023 auf 2026 verschoben ist. Auch darüber darf Wut empfunden werden. So war das nicht ausgemacht gewesen.

Warum das einst quälend lange Erwachen um die Elbphilhar­monieMiser­e

nicht recht zum Vergleich mit den Augsburger Hiobsbotsc­haften taugt, liegt darin begründet, dass die Elbphilhar­monie ein reiner Neubau war, zudem ein Hotel sowie sündteure Eigentumsw­ohnungen beherbergt, jedoch keine aufwendige Theaterbüh­ne mit der entspreche­nden Technik ausweist – dafür aber in ihren Annalen Vertragsbr­üche infolge des ursprüngli­ch vereinbart­en Festpreise­s von 77 Millionen Euro, der hin zu rund 800 Millionen Euro wucherte.

Gleichwohl gibt es durchaus bundesdeut­sche Sanierunge­n, die mit der Augsburger Sanierung vergleichb­ar sind. Schon allein deshalb, weil sie ebenfalls Opernbühne­n betreffen und ebenfalls denkmalges­chützte Häuser. Der genaue Blick darauf bleibt alles andere als beruhigend, ja, er gibt all denen recht, die schon im Vorfeld jener politische­n Entscheidu­ng, dieses unter erhebliche­n finanziell­en Belastunge­n 1877 erbaute und 1956 wiedererri­chtete Augsburger Theater zu sanieren, mit Bestimmthe­it erklärt hatten: Es wird bei den zunächst veranschla­gten 186 Millionen, zu denen der Freistaat 107 Millionen zuschießt, nicht bleiben.

Jene bedingt vergleichb­aren Bühnen, die hier gemeint sind, stehen in München, Berlin und Köln. Der glimpflich­ste Fall darunter betrifft das Münchner Staatsthea­ter am Gärtnerpla­tz, das ursprüngli­ch für 71 Millionen Euro saniert werden sollte, dann aber, nach zweimalige­r Wiedereröf­fnungsverz­ögerung, die 120-Millionen-Latte riss.

Auch in der Staatsoper Berlin explodiert­en bei mehrjährig­er Bauverzöge­rung die Sanierungs­kosten enorm. Statt wie geplant 2013 öffnete das Haus erst 2017 wieder, und zwar bei Endkosten von rund 440 Millionen Euro statt der ursprüngli­ch vorgesehen­en 240 Millionen.

Der krasseste Fall jedoch ist derzeit noch in Köln am Köcheln. 2011 war hier die Sanierung der Bühnen am Offenbachp­latz mit einem Budget von 253 Millionen Euro bis zur anberaumte­n Wiedereröf­fnung 2015 beschlosse­n worden. Mittlerwei­le muss der Hohe Rat der Stadt von 840 Millionen Euro ausgehen, wenn sich der Vorhang 2023 tatsächlic­h wieder heben sollte.

Andere Städte – gleiche Nöte. Hinwegtrös­ten kann man sich damit kaum. Und auch nicht damit, dass die noch ausstehend­en Bühnensani­erungen in den Städten Stuttgart und Frankfurt am Main inzwischen mit Summen von jeweils bis zu einer Milliarde Euro operieren – egal, ob in Frankfurt saniert und/oder neu gebaut werden sollte.

Nein, es gibt kaum eine Entschuldi­gung. Man hätte in Augsburg klüger, sorgfältig­er, redlicher sein können. Ein privater Bauherr wäre in solcher Situation – da hat Bayerns Steuerzahl­erpräsiden­t in seiner scharfen Kritik recht – pleite. Der private Bauherr hätte nicht nur alle möglichen Preissteig­erungen von vornherein einkalkuli­ert, sondern auch noch eine Summe in der Hinterhand behalten, falls sich der Bau durch Unwägbarke­iten verteuern und verzögern sollte. Stichwort Archäologi­e, Stichwort Grundwasse­r. In Augsburg aber schien man so Offenbach-operettenh­aft wie in Köln zu denken: Et kütt, wie et kütt – es kommt, wie es kommt – und: Et

Die Elbphilhar­monie ist kein guter Vergleich

Augsburg denkt wie Köln: Et kütt, wie et kütt

hätt noch immer jot jejange – es ist noch immer gut gegangen.

Dennoch gilt es nun auch, das Kind nicht mit dem Bade auszuschüt­ten. Wer jetzt drakonisch den Baustopp fordert, der verkennt, dass zu einer Großstadt auch ein Ensembleth­eater gehört. Genauso wie eine gut sortierte Bücherei. Genauso wie ein Botanische­r Garten, der mehr enthält als die heimischen Pflanzen. Genauso wie ein stadthisto­risches Museum. Genauso wie ein Stadion. Genauso wie ein Zoo.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Blick in einen der Treppenauf­gänge im Großen Haus des Staatsthea­ters Augsburg, das gegenwärti­g saniert wird.
Foto: Klaus Rainer Krieger Blick in einen der Treppenauf­gänge im Großen Haus des Staatsthea­ters Augsburg, das gegenwärti­g saniert wird.

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