Neuburger Rundschau

Für die Formel 1 geht es um die Existenz

- VON MARCO SCHEINHOF sma@augsburger-allgemeine.de

Für die Formel 1 ist es eine Saison der Zwänge. Wenn es sich die Königsklas­se des Motorsport­s hätte aussuchen können, wäre ihre Wahl für den Saisonstar­t sicherlich nicht auf Spielberg gefallen. Viel weniger Glamour als in der Bergwelt Österreich­s gibt es nicht. Keine Privatjach­ten, dafür grasende Kühe. Keine Autobahnen, sondern eine Vielzahl an Schildern, die die Fahrer auf Tempo 30 hinweisen. Abgeschied­enheit pur also, was beim größten Experiment der Formel1-Geschichte allerdings nicht von Nachteil sein muss. Die Formel 1 ist die erste weltweit beachtete Sportgroßv­eranstaltu­ng, die nach der Corona-Pause wieder startet. Und sie fährt auf Bewährung. So wie die Fußball-Bundesliga auf Bewährung gespielt hat.

Es gibt wohldurchd­achte Corona-Konzepte, die in einem 81-seitigen Handbuch zusammenge­fasst sind. „Return to Motorsport“ist der Titel. Es ist eine Rückkehr, die für viele Teams entscheide­nd ist. Lebensnotw­endig sogar. Es geht schlichtwe­g um Existenzen. Noch immer umgibt die Formel 1 ein aufgebläht­er Kostenappa­rat. Gelder also sind dringend nötig. Und die gibt es von TV-Partnern und Sponsoren nur, wenn 15 Rennen in einer Saison gefahren werden. Jetzt geht es darum, den Rennbetrie­b sicherzust­ellen. Zunächst bei zwei Rennen in Österreich, danach in Ungarn und Großbritan­nien. Vielleicht wird es ab September Lockerunge­n

geben. Vielleicht steht im Dezember tatsächlic­h ein Weltmeiste­r fest. Sehr wahrschein­lich wäre das dann Lewis Hamilton.

Die Formel 1 muss gerade in Deutschlan­d neben der CoronaKris­e auch gegen ein aufkommend­es Desinteres­se ankämpfen. RTL zieht sich 2021 aus den Live-Übertragun­gen zurück, der Hockenheim­ring steht nicht mehr auf der Liste der Renngastge­ber und Sebastian Vettel könnte ab 2021 sein Cockpit dauerhaft gegen einen Platz auf der heimischen Couch eintausche­n. Es wäre ein Schlag für die Königsklas­se, deren Bedeutung vor allem seit den besten Zeiten von Michael Schumacher in Deutschlan­d gewaltig war. Nun aber droht, dass die Formel 1 mehr und mehr aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g verschwind­et. Kein deutscher Fahrer, kein deutsches Rennen, TVBilder nur im Bezahlfern­sehen – das kann selbst einem Milliarden­geschäft wie der Formel 1 mächtig zusetzen. Es sei denn, Mick Schumacher schafft schnell den Sprung. Der Sohn von Rekordwelt­meister Michael Schumacher ist der Hoffnungst­räger. Mehr denn je. Noch fährt der 21-Jährige in der Formel 2, der Vorstufe zur Königsklas­se. Aufsteigen wird er. Die Frage ist wann. Und ob es noch reicht, um in Deutschlan­d wieder für Motorsport-Euphorie zu sorgen.

 ?? Foto: dpa ?? Ruhig ist es rund um Spielberg. Wo sonst tausende Fans campen, steht diesmal nur ein Wohnmobil.
Foto: dpa Ruhig ist es rund um Spielberg. Wo sonst tausende Fans campen, steht diesmal nur ein Wohnmobil.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany