Er lässt sich nicht den Mund verbieten
Sebastian Vettel ist enttäuscht vom Ferrari-Aus und fährt mit Wut im Bauch. Vor dem Start der Notsaison hat er in Österreich einen Flirt mit Mercedes begonnen
Spielberg/Augsburg Immerhin diese Mühe hat sich Ferrari noch gemacht. Ein gut dreiminütiges Video hat der Rennstall für Sebastian Vettel zu dessen 33. Geburtstag aufgenommen. Mitglieder des Teams mühten sich sichtlich ab, die Glückwünsche auf Deutsch zu überbringen. „Schneller als alt werden kannst du nur Rennfahren“, schmissen sie ihm entgegen. Am Ende ist noch Charles Leclerc zu sehen, sein Teamkollege. „Ich liebe dich“, sagte der Monegasse zum Abschluss. Nett gemeint, mehr nicht. Ernst nehmen wird Vettel solche Säuseleien von Ferrari-Seite schon längst nicht mehr.
Ferrari und Vettel – von der großen Liebe ist nichts mehr übrig. Spätestens seit Donnerstag, als Vettel recht deutlich sagte, wie es zur Trennung im Frühjahr kam. Er habe kein Angebot mehr bekommen, er sei von der Ansage vielmehr sehr überrascht gewesen. Dabei habe er noch kurz zuvor Signale erhalten, dass das Team gerne mit ihm über das Vertragsende 2020 hinaus weitermachen wolle. Letztlich aber kam es anders. Für Vettel eine große Enttäuschung. Für seine Fans auch. Und für eine konstruktive Zusammenarbeit in dieser Saison sicherlich keine gute Basis. Vettel wird mit Wut im Bauch fahren. Er hat aber den Vorteil, nun nur noch auf sich selbst schauen zu müssen. Auf das Team muss er keine Rücksicht mehr nehmen, Stallorder kann ihm letztlich egal sein. Für sich muss er nun Werbung machen. Er wird den Ansporn haben, allen zu zeigen, dass sich Ferrari für den falschen Fahrer als Nummer eins entschieden hat.
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hat am Freitag zwischen den beiden Trainingseinheiten die Entscheidung gegen Vettel erklärt: „Die Pandemie hat die ganze Welt verändert, nicht nur die Formel 1.“Im Winter sei Vettel noch „die erste Wahl“gewesen, doch durch die Einschnitte wegen des Coronavirus habe sich „die gesamte Situation verändert“. Für 2021 sei die Budgetgrenze deutlich reduziert worden. Und irgendwann hätten die
Teambosse eben eine Entscheidung treffen müssen. Die fiel gegen Vettel. Der fährt nun ab Sonntag (15.10 Uhr/RTL) auch um seine Zukunft.
Viermaliger Weltmeister ist er. An seinem Können besteht kein Zweifel. Die fünf Jahre mit Ferrari aber haben Spuren hinterlassen. Auf beiden Seiten. Die Zusammenarbeit hätte fruchtbar werden sollen. Der WM-Titel war das Ziel. Letztlich aber stand viel Enttäuschung nur wenigen Erfolgen gegenüber. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die Corona-Saison mit all ihren ungewöhnlichen Umständen noch zu einem glücklichen Ende der verkorksten Beziehung führen wird. Dafür scheinen Mercedes und auch Red Bull den Italienern zu weit voraus.
Vettel muss sich nun nach Alternativen umschauen. Der Weltmeister-Rennstall scheint eine logische Wahl, Mercedes-Teamchef Toto Wolff aber sagte am Freitag in Spielberg: „Er ist ein toller Junge und wir dürfen ihn nicht ausschließen. Aber Lewis und Valtteri sind unsere Priorität und wir hoffen sehr, ihre Verträge zu verlängern.“Sowohl bei Hamilton als auch bei Bottas enden die Verträge 2020. Wolff aber meinte noch: „Wir werden bald die nächsten Schritte machen.“Hamilton allerdings scheint sich eine Gehaltserhöhung zu wünschen, wie in britischen Medien zuletzt zu lesen war. Für Vettel könnte das eine Hoffnung sein. Er hat sich in einem Interview bei RTL schon einmal in Stellung bei Mercedes gebracht. „Das wäre eine Option, aber ich weiß nicht, was die Pläne seitens Mercedes sind“, sagte der nun 33-Jährige.
Ein Jahr Pause, ein Sabbatical also, scheint für ihn zumindest nicht infrage zu kommen. Wenn Schluss, dann ganz. „Ich bin der Überzeugung, dass du die Tür schließen musst, wenn du dazu bereit bist, und nicht erwarten solltest, dass sich die Tür dann wieder öffnet“, sagte Vettel. Aber eigentlich, und das scheint immer durchzuklingen, würde er schon gerne weiterfahren. So sehr ihm die Pause und die gemeinsame Zeit mit seiner Familie während der Corona-Krise auch gefallen haben mag.