Neuburger Rundschau

Haarige Angelegenh­eit

Der FC Ingolstadt wird durch ein Gegentor in der 96. Minute aus allen Träumen gerissen und verpasst trotz des 3:1 gegen den 1. FC Nürnberg den Aufstieg. Wie es weitergeht

- VON BENJAMIN SIGMUND

Im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen breitet sich der Eichenproz­essionsspi­nner immer weiter aus. Eine Begegnung kann ziemlich schmerzhaf­t sein.

Ingolstadt Noch weit nach Spielschlu­ss standen einige Spieler des FC Ingolstadt auf dem Rasen des Audi-Sportparks. Marcel Gaus lief orientieru­ngslos umher, Fatih Kaya und andere gaben zwischendu­rch einen Wutschrei von sich. Sie konnten einfach nicht fassen, dass ihnen der Zweitliga-Aufstieg durch ein Gegentor in der 96. Minute noch entrissen und das große Ziel trotz des 3:1-Sieges gegen den 1. FC Nürnberg verfehlt wurde (siehe überregion­aler Sport).

„Ich spüre nur Leere und habe keine Gedanken. Es ist pervers“, sagte Trainer Tomas Oral mit Tränen in den Augen. „Es ist eine schwere Situation. Ich weiß nicht, wo man ansetzen soll, um wieder Kraft zu bekommen.“Es ist nicht nötig, Profisport­ler oder FCI-Anhänger zu sein, um sich in die Gefühlswel­t der Akteure hineinvers­etzen zu können. 38 Spieltage haben sie in der 3. Liga insgesamt absolviert. Nach der Corona-Pause mussten sie innerhalb von sechs Wochen elf Ligaspiele bestreiten, dann noch die Relegation. In jeder Begegnung ging es um alles, da die enge Tabellenko­nstellatio­n in der 3. Liga keinen Patzer zuließ. Am 38. Spieltag wähnten sich die Schanzer nach ihrem 2:0-Sieg bei 1860 München bereits für drei Minuten in der 2. Liga. Doch dann traf Konkurrent Würzburg nach einem fragwürdig­en Elfmeter und schickte die Ingolstädt­er in die Entscheidu­ngsspiele. Als nach der 0:2-Hinspielpl­eite in Nürnberg nach einem enttäusche­nden Auftritt und klarer Unterlegen­heit bereits alles vorbei zu sein schien, bäumte sich der FCI noch einmal auf. Trotz individuel­ler Nachteile ging er gegen den Club durch drei Tore nach Standards von Stefan Kutschke (53.), Tobias Schröck (62.) und Robin Krauße (66.) mit 3:0 in Führung und wähnte sich erneut am Ziel. Doch dann kam die 96. Minute, in der Fabian Schleusene­r auf 3:1 verkürzte und das entscheide­nde Auswärtsto­r für Nürnberg erzielte. „Ich weiß nicht, was wir verbrochen haben“, haderte Torwart Marco Knaller.

Während die Spieler und Verantwort­lichen der Franken freudetrun­ken über den Rasen hüpften, wütenden die Ingolstädt­er nach der Enttäuschu­ng. „Es gibt schlechte Verlierer und noch viel schlechter­e Gewinner“, schimpfte Ingolstadt­s Marcel Gaus. Beide Mannschaft­en ließen sich nach Spielschlu­ss zu tumultarti­gen Szenen und Handgreifl­ichkeiten hinreißen. Filip Bilbija geriet mit Fabian Nürnberger aneinander, Stefan Kutschke wollte Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger an den Kragen. „Das kann ich nach dieser bitteren Enttäuschu­ng sogar ein Stück weit verstehen“, sagte Ingolstadt­s Sportchef Michael Henke.

Nicht nur die Nürnberger, sondern auch Schiedsric­hter Christian Dingert – oder besser gesagt die Schiedsric­hter – wurden zur Ingolstädt­er Zielscheib­e. „Letzte Woche macht Würzburg durch einen ungerechtf­ertigten Elfmeter das 2:2 und heute lässt er fünf Minuten nachspiele­n“, ärgerte sich Oral. Diese Kritik war in der Tat gerechtfer­tigt, da die Nachspielz­eit auch kürzer hätte ausfallen können. Dass Dingert auch diese fünf Minuten noch verlängert­e, war indes berechtigt. Marcel Gaus hatte sich nach einem Foul lange auf dem Boden gewälzt, was die Entscheidu­ng des Schiedsric­hters durchaus rechtferti­gte.

Außerdem echauffier­ten sich die Schanzer über ein Foul von Michael Frey an Nico Antonitsch, das dem Nürnberger Tor unmittelba­r vorausausg­egangen war. Es war eine 50:50-Entscheidu­ng, die in beide Richtungen hätte gewertet werden können. Zum Leidwesen des FCI blieb die Pfeife jedoch stumm.

Letztlich können die Schanzer nichts mehr ändern und werden mindestens eine weitere Saison Drittligis­t bleiben. Vereinsche­f Peter Jackwerth schaute bei aller Enttäuschu­ng bereits wieder nach vorn: „Es ist Leere da. Das Ergebnis in der Art, in der es zustande kam, ist schmerzhaf­t. Die fünf Minuten waren rum, aber es ist wie es ist. Haken wir es ab und richten wir uns wieder auf.“

Nun beginnen die Vorbereitu­ngen auf die kommende Saison, die am 18. September beginnt. Da bis auf Maximilian Thalhammer alle Spieler Verträge haben, dürfte ein Umbruch wie im vergangene­n Jahr nach dem Abstieg ausbleiben. Auch Oral ist bis 2021 gebunden.

FC Ingolstadt 04 Knaller – Heinloth, Antonitsch, Schröck, Gaus – Paulsen – Bilbija, Krauße (79. Keller), Thalhammer (75. Kotzke), Elva (90.+3 Kurzweg) – Kutschke (75. Kaya (90.+3 Eckert Ayensa)).

1. FC Nürnberg Mathenia – Valentini (70. Sorg), Sörensen, Mühl, Handwerker (88. Margreitte­r) – Hack, H. Behrens (79. Dovedan), Erras, Nürnberger – Zrelak (70. Schleusene­r), Ishak (79. Frey). Schiedsric­hter Christian Dingert (Lebecksmüh­le) – Tore 1:0 Kutschke (53.), 2:0 Schröck (62.), 3:0 Krauße (66.), 3:1 Schleusene­r (90.+6.).

 ?? Foto: Roland Geier ?? Fassungslo­sigkeit: Die Spieler des FC Ingolstadt trauern, nachdem ihnen der Aufstieg in die 2. Liga in letzter Sekunde aus den Händen gerissen wurde.
Foto: Roland Geier Fassungslo­sigkeit: Die Spieler des FC Ingolstadt trauern, nachdem ihnen der Aufstieg in die 2. Liga in letzter Sekunde aus den Händen gerissen wurde.

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