Haarige Angelegenheit
Der FC Ingolstadt wird durch ein Gegentor in der 96. Minute aus allen Träumen gerissen und verpasst trotz des 3:1 gegen den 1. FC Nürnberg den Aufstieg. Wie es weitergeht
Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen breitet sich der Eichenprozessionsspinner immer weiter aus. Eine Begegnung kann ziemlich schmerzhaft sein.
Ingolstadt Noch weit nach Spielschluss standen einige Spieler des FC Ingolstadt auf dem Rasen des Audi-Sportparks. Marcel Gaus lief orientierungslos umher, Fatih Kaya und andere gaben zwischendurch einen Wutschrei von sich. Sie konnten einfach nicht fassen, dass ihnen der Zweitliga-Aufstieg durch ein Gegentor in der 96. Minute noch entrissen und das große Ziel trotz des 3:1-Sieges gegen den 1. FC Nürnberg verfehlt wurde (siehe überregionaler Sport).
„Ich spüre nur Leere und habe keine Gedanken. Es ist pervers“, sagte Trainer Tomas Oral mit Tränen in den Augen. „Es ist eine schwere Situation. Ich weiß nicht, wo man ansetzen soll, um wieder Kraft zu bekommen.“Es ist nicht nötig, Profisportler oder FCI-Anhänger zu sein, um sich in die Gefühlswelt der Akteure hineinversetzen zu können. 38 Spieltage haben sie in der 3. Liga insgesamt absolviert. Nach der Corona-Pause mussten sie innerhalb von sechs Wochen elf Ligaspiele bestreiten, dann noch die Relegation. In jeder Begegnung ging es um alles, da die enge Tabellenkonstellation in der 3. Liga keinen Patzer zuließ. Am 38. Spieltag wähnten sich die Schanzer nach ihrem 2:0-Sieg bei 1860 München bereits für drei Minuten in der 2. Liga. Doch dann traf Konkurrent Würzburg nach einem fragwürdigen Elfmeter und schickte die Ingolstädter in die Entscheidungsspiele. Als nach der 0:2-Hinspielpleite in Nürnberg nach einem enttäuschenden Auftritt und klarer Unterlegenheit bereits alles vorbei zu sein schien, bäumte sich der FCI noch einmal auf. Trotz individueller Nachteile ging er gegen den Club durch drei Tore nach Standards von Stefan Kutschke (53.), Tobias Schröck (62.) und Robin Krauße (66.) mit 3:0 in Führung und wähnte sich erneut am Ziel. Doch dann kam die 96. Minute, in der Fabian Schleusener auf 3:1 verkürzte und das entscheidende Auswärtstor für Nürnberg erzielte. „Ich weiß nicht, was wir verbrochen haben“, haderte Torwart Marco Knaller.
Während die Spieler und Verantwortlichen der Franken freudetrunken über den Rasen hüpften, wütenden die Ingolstädter nach der Enttäuschung. „Es gibt schlechte Verlierer und noch viel schlechtere Gewinner“, schimpfte Ingolstadts Marcel Gaus. Beide Mannschaften ließen sich nach Spielschluss zu tumultartigen Szenen und Handgreiflichkeiten hinreißen. Filip Bilbija geriet mit Fabian Nürnberger aneinander, Stefan Kutschke wollte Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger an den Kragen. „Das kann ich nach dieser bitteren Enttäuschung sogar ein Stück weit verstehen“, sagte Ingolstadts Sportchef Michael Henke.
Nicht nur die Nürnberger, sondern auch Schiedsrichter Christian Dingert – oder besser gesagt die Schiedsrichter – wurden zur Ingolstädter Zielscheibe. „Letzte Woche macht Würzburg durch einen ungerechtfertigten Elfmeter das 2:2 und heute lässt er fünf Minuten nachspielen“, ärgerte sich Oral. Diese Kritik war in der Tat gerechtfertigt, da die Nachspielzeit auch kürzer hätte ausfallen können. Dass Dingert auch diese fünf Minuten noch verlängerte, war indes berechtigt. Marcel Gaus hatte sich nach einem Foul lange auf dem Boden gewälzt, was die Entscheidung des Schiedsrichters durchaus rechtfertigte.
Außerdem echauffierten sich die Schanzer über ein Foul von Michael Frey an Nico Antonitsch, das dem Nürnberger Tor unmittelbar vorausausgegangen war. Es war eine 50:50-Entscheidung, die in beide Richtungen hätte gewertet werden können. Zum Leidwesen des FCI blieb die Pfeife jedoch stumm.
Letztlich können die Schanzer nichts mehr ändern und werden mindestens eine weitere Saison Drittligist bleiben. Vereinschef Peter Jackwerth schaute bei aller Enttäuschung bereits wieder nach vorn: „Es ist Leere da. Das Ergebnis in der Art, in der es zustande kam, ist schmerzhaft. Die fünf Minuten waren rum, aber es ist wie es ist. Haken wir es ab und richten wir uns wieder auf.“
Nun beginnen die Vorbereitungen auf die kommende Saison, die am 18. September beginnt. Da bis auf Maximilian Thalhammer alle Spieler Verträge haben, dürfte ein Umbruch wie im vergangenen Jahr nach dem Abstieg ausbleiben. Auch Oral ist bis 2021 gebunden.
FC Ingolstadt 04 Knaller – Heinloth, Antonitsch, Schröck, Gaus – Paulsen – Bilbija, Krauße (79. Keller), Thalhammer (75. Kotzke), Elva (90.+3 Kurzweg) – Kutschke (75. Kaya (90.+3 Eckert Ayensa)).
1. FC Nürnberg Mathenia – Valentini (70. Sorg), Sörensen, Mühl, Handwerker (88. Margreitter) – Hack, H. Behrens (79. Dovedan), Erras, Nürnberger – Zrelak (70. Schleusener), Ishak (79. Frey). Schiedsrichter Christian Dingert (Lebecksmühle) – Tore 1:0 Kutschke (53.), 2:0 Schröck (62.), 3:0 Krauße (66.), 3:1 Schleusener (90.+6.).