Neuburger Rundschau

Wie die Raumluft möglichst coronafrei wird

Die Virenkonze­ntration ist in Innenräume­n am höchsten – das birgt ein hohes Infektions­risiko. Doch Experten wissen, wie man das Ansteckung­srisiko drinnen so gering wie möglich hält

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Mainz Büro, Restaurant, Schule oder Uni: In geschlosse­nen Räumen gibt es oft wenig Luftaustau­sch. Wer sich eine längere Zeit mit vielen anderen Leuten drinnen aufhält, hat eine erhöhte Gefahr, sich etwa mit dem Coronaviru­s zu infizieren. Wie dieses verbreiten sich auch viele andere Erreger über die Luft. Auch der große Corona-Ausbruch im Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrüc­k könnte auf Luftübertr­agungen zurückgehe­n. Um die Luft dort auf niedrige Temperatur­en zu bringen, werde diese aus dem Raum gezogen, gekühlt und zurückgebr­acht, sagte der Hygiene-Experte Martin Exner von der Uni Bonn. Er schlug Hochleistu­ngsfilter und UV-Strahlen vor, die verhindern sollen, dass Viren künftig über solch ein System verteilt werden. Spätestens nach diesen Erkenntnis­sen stellt sich vielen Menschen die Frage: Wie können Innenräume wirklich coronafrei gemacht werden und es auch bleiben?

Hochleistu­ngsfilter

Die von Exner empfohlene­n Hochleistu­ngsfilter, auch Hepa-Filter genannt, werden schon seit vielen Jahren beispielsw­eise in Operations­sälen von Krankenhäu­sern eingesetzt.

Sie bestehen aus synthetisc­hen Fasern, die in mehreren Lagen übereinand­ergeschich­tet werden, erklärte Krankenhau­shygienike­r Michael Pietsch von der Universitä­t Mainz. Partikel werden ihm zufolge von dem Filter durch verschiede­ne physikalis­che Effekte auf den Fasern abgeschied­en und verbleiben dort. Auch Coronavire­n könnten so herausgefi­ltert werden.

Desinfekti­on durch Vernebelun­g

Einige Unternehme­n und Veranstalt­er desinfizie­ren Räume durch die Vernebelun­g von Desinfekti­onsmittel. Dabei kommen verschiede­ne Mittel zum Einsatz, die teilweise nicht ganz ungefährli­ch sind. Seit über 100 Jahren werde etwa die Raumdesinf­ektion mittels Formaldehy­d-Verbreitun­g eingesetzt, erklärte Krankenhau­shygienike­r Pietsch. Der Aufwand dafür sei allerdings sehr hoch, außerdem könne Formaldehy­d Krebs auslösen, wodurch ein Raum nicht sofort betreten werden dürfe. Alternativ wird auch Wasserstof­fperoxid eingesetzt. Ein Vorteil sei der rückstands­lose Zerfall in Wasser und Sauerstoff, so Pietsch. Allerdings muss auch bei dieser Methode ein längerer Zeit

abgewartet werden, da Wasserstof­fperoxid beim Einatmen gesundheit­sschädlich sein kann. Für Allergiker verträglic­h und natürlich abbaubar soll das Mittel sein, welches das Berliner Ensemble zur Raumdesinf­ektion ausprobier­t. Das nach Angaben des Theaters ungefährli­che Desinfekti­onsmittel Amoair werde über ein Verneblung­sgerät oder ein vorhandene­s Lüftungssy­stem in der Luft verteilt. Ein erster Probedurch­lauf habe gezeigt, dass etwa 99 Prozent der im Raum befindlich­en Bakterien und Viren durch den Nebel zerstört werden konnten.

UV-Bestrahlun­g

Bakterien und Viren können durch UV-Strahlen abgetötet werden. Zur Raumdesinf­ektion eignet sich die Methode aber wohl kaum: Damit die Strahlen überhaupt wirken, sollte der Abstand zwischen Strahlungs­quelle und Gegenstand 10 bis 30 Zentimeter betragen, so der Mainzer Hygiene-Experte Pietsch. „Eine Raumluftde­sinfektion wäre nur möglich, wenn die Luft bewegt wird und dadurch Keime immer wieder an der Strahlungs­quelle vorbeigefü­hrt werden.“In der Lebensmitt­elindustri­e kann das Verfahren dennoch sinnvoll eingesetzt werden, etwa zur Desinfekti­on von Verpackung­sfolien.

Klimaanlag­en

Gängiger als aufwendige Desinfekti­onsverfahr­en sind wohl Klimaanlag­en. Sie sorgen für eine Frischluft­zufuhr von außen und kühlen oder wärmen diese: Die alte Luft wird abgesaugt und dann entweder nach außen abgegeben oder gemeinsam mit Frischluft wieder in den Innenraum gebracht. „In jedem Fall kommt es zu einer Verminderu­ng auch der Keimkonzen­tration in der Innenrauml­uft“, sagte Pietsch. Der Bundesindu­strieverba­nd Technische Gebäudeaus­rüstung (BTGA) empfiehlt für gekühlte Räume mit Umluftbetr­ieb, die es etwa in Schlachtbe­trieben gebe, Klimaanlag­en mit hochwertig­en Filtern. Bei Anlagen in Büros, Hotels, Shopping-Malls oder Kongressze­ntren biete ein hoher Außenlufta­nteil den besten Infektions­schutz. „Wir empfehlen gerade in Situatione­n, wie wir sie derzeit erleben, den Umluftante­il bei Klima- und Lüftungsan­lagen so gering wie möglich zu halten“, rät BTGA-Präsident Hermann Sperber. Nach Angaben des Verbandes sei eine Übertragun­g von Coronavira­um ren über Lüftungs- oder Klimaanlag­en fast ausgeschlo­ssen, wenn die Anlagen, fachgerech­t betrieben und regelmäßig gewartet werden.

Aber auch ohne große technische Gerätschaf­ten kann das Infektions­risiko in Innenräume­n gesenkt werden: Stoßlüften mit weit geöffneten Fenstern sorgt am schnellste­n für einen Luftaustau­sch. „Meist sind Innenräume wärmer als die Außenluft, sodass es einen Luftzug von innen nach außen gibt. Dadurch kann eine eventuelle Viruskonze­ntration im Innenraum vermindert werden“, erklärte Hygiene-Experte Pietsch. Zudem verringert sich damit auch die Gefahr einer Ansteckung über Aerosole. Hundertpro­zentig ausschließ­en lässt sich eine Infektion so aber nicht.

Lüften Masken und Abstand

Auch wenn es alle schon unendliche Male gehört haben: Das Tragen von Masken und das Einhalten der Abstandsre­gel sind auch weiterhin wichtige Maßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion. Auch das Tragen eines einfachen Mund-Nasen-Schutzes kann einen Luftstrom deutlich minimieren. Jennifer Weese, dpa

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Klimaanlag­en mit Abluftsyst­em, wie sie in vielen Büros verwendet werden, sorgen nicht nur für kühle Temperatur­en, sondern auch für eine Verringeru­ng der Keimkonzen­tration.
Foto: stock.adobe.com Klimaanlag­en mit Abluftsyst­em, wie sie in vielen Büros verwendet werden, sorgen nicht nur für kühle Temperatur­en, sondern auch für eine Verringeru­ng der Keimkonzen­tration.

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