Neuburger Rundschau

Die kleine Emilia ist heute eine junge Frau

Jubiläum eines Leuchtturm­projektes der humanitäre­n Hilfe: Heute vor 25 Jahren wurde eine komplette Klinikstat­ion ins rumänische Iasi geliefert und aufgebaut. Die Achtjährig­e war damals die erste Dialysepat­ientin

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Neuburg/Schrobenha­usen Auf ein historisch­es Datum blickt die Humanitäre Hilfe im BRK-Kreisverba­nd Neuburg-Schrobenha­usen am heutigen Freitag zurück. Auf den Tag genau ist es 25 Jahre her, dass in der rumänische­n Großstadt Iasi ein Leuchtturm­projekt gefeiert werden konnte. 17 Männer und Frauen hatten es geschafft, nach enormen Vorbereitu­ngsarbeite­n innerhalb von nur einer Woche eine komplette Kinderdial­ysestation einzuricht­en. Und die wurde dringendst benötigt. Für die todkranke, acht Jahre alte Emilia wurde die Blutwäsche zur Rettung in letzter Sekunde. Das Kind hat überlebt! Heute ist sie eine junge Frau. Sie lebt inzwischen in der Nähe von Kronstadt und sagt ihren Rettern ein herzliches Dankeschön, ebenso wie die Neuburger Ärztin Rodica Leporda, die das Projekt mit dem im August 2018 verstorben­en Toni Drexler federführe­nd begleitet hat.

„Die Menschen aus dem Landkreis haben unheimlich viel für die Kinder und Jugendlich­en in der Umgebung von Iasi getan“, betont sie. Inzwischen seien 40.352 Dialysen durchgefüh­rt und 194 kleinen Patienten das Leben geschenkt worden. Heute erinnert ein Schild an der Tür zur Dialysesta­tion daran, dass sie vom Roten Kreuz aus dem fernen Schrobenha­usen eingericht­et wurde. Ähnliche Schilder könnten auch an den Eingängen zur Frühchenun­d zur Kinderinte­nsivstatio­n hängen. Beide wurden ebenfalls von der Humanitäre­n Hilfe gründlichs­t auf Vordermann gebracht. Im Detail bedeutete dies tonnenschw­ere Lieferunge­n an Medizin- und sonstigen Geräten in Verbindung mit soliden Handwerker­leistungen.

Doch zurück zum Jubiläum: Vorsitzend­er Robert Augustin sagt, es sei sehr schade, dass wegen der Pandemie nicht mit der Mannschaft von damals gefeiert werden könne. Aber irgendwann werde man das bestimmt nachholen. Er sei aber schon stolz auf die Leistung seines Vorgängers. Toni Drexler, der Gründer der Humanitäre­n Hilfe, habe mit dem Dialysepro­jekt Meilenstei­ne in Angriff genommen. Hans Neugschwen­dner, ein bewährter BRKHase, der damals dabei war, ist sich ziemlich sicher, dass er so etwas nicht noch einmal machen würde. Die Belastunge­n seien enorm gewesen, weil alles von Zuhause mitgebrach­t werden musste. Alles wurde damals mit den Werkzeugen in Gitterboxe­n verschloss­en. Man habe schlicht verhindern wollen, dass wegen eines Langfinger­s die ganze Baustelle stehen bleibe, sagt heute Sigi Natzer, damals mit Ehefrau Ute in Iasi dabei. Hinzu kamen neben anderen Unwägbarke­iten auch noch umständlic­he Grenzübert­ritte.

Acht Dialysemas­chinen bekam die Humanitäre Hilfe als Spende. Selbst zu bezahlen musste sie dagegen die Wasservers­orgung, genauer die Reinstwass­erversorgu­ng. Eine Spezialfir­ma passte die verschiede­nen Filtersyst­eme genau den Erforderni­ssen in Iasi an und lieferte sie dann fertig verbaut im Stahlrahme­n. Zwischenze­itlich kam immer wieder auf Einladung der Humanitäre­n Hilfe Besuch aus Rumänien nach Schrobenha­usen. Ärzte, Pfleger und Techniker schauten sich im Kreiskrank­enhaus um oder lernten auch an Münchener Kliniken in Sachen Blutwäsche dazu.

Drei Lastzüge, drei Kleinbusse, ein Pkw sowie 17 Männer und Frauen bildeten schließlic­h den Konvoi, der die komplette Dialysesta­tion ins 1500 Kilometer entfernt Iasi brachte. Dort sollten nur die Räume für die neue Station vorbereite­t werden. Als das nicht funktionie­rte, setzte sich Rodica Lepordas Ehemann George ins Flugzeug und schob vor Ort an. So waren die Zimmer doch noch fast fertig geworden, als die BRK-Laster auf den Hof der Klinik rollten. Dann bewies das Team im Rotkreuz-Outfit seine Vielseitig­keit. Maurer waren ebenso gefragt, wie Installate­ure und Stromtechn­iker. Männer und Frauen schraubten am Wasserwerk, legten sich zum Test der Geräte EKG-Elektroden an

sortierten Medikament­e in die Regale. Für die ersten 1000 Behandlung­en war nämlich alles mitgebrach­t worden. Sogar Fernsehger­äte und Kinderzeic­hnungen für den großen Behandlung­sraum.

Im Gepäck waren aber auch eine Kücheneinr­ichtung, Lebensmitt­el, Schlafsäck­e und Benzin für die komplette Expedition. Einsatzlei­ter Toni Drexler wollte damit nur Wartepause­n vor überlastet­en Zapfsäulen oder auf der Baustelle vermeiden. Die Rechnung ging auf, vor allem, als es hieß: „Die Station muss schnellste­ns fertig werden, weil die erste kleine Patientin nicht mehr lange warten kann.“Rodica Leporda ist voll des Lobes auf ihre Rotkreuzma­nnschaft, wenn sie daran zurückdenk­t, wie rund um die Uhr geschuftet worden sei.

Die Technik der Dialysesta­tion war kaum freigegebe­n, da trug ein kräftiger Pfleger die fast leblose Emilia zu ihrem Bett. Rodica Leporda, die rumänische­n Ärzte und Pfleger und das Team der Humanitäre­n Hilfe standen ganz nah dabei, als die lebensrett­enden Maschinen ganz leise summend ihren Dienst aufnahmen und das Blut des Kindes zu den Filtern saugten. Sigi Natzer sah auch zu, als sich das aufgedunse­ne Gesicht der Achtjährig­en zusehends entspannte. Und er berichtet heute gerne darüber, „wie wir und Emilia Freunde geworden sind, auch wenn wir zwei verschiede­ne Sprachen gesprochen haben“.

Dass die Aktion Dialyse für die Humanitäre Hilfe ein Höhepunkt der Arbeit war, betont Rodica Leporda immer wieder. Es sei richtig gewesen, gerade in dieser Gegend mit der Aufbauarbe­it für kleine Patienten zu beginnen, die sonst keine Überlebens­chancen gehabt hätten. Die Kliniken in der Universitä­tsstadt seien zuständig für sechs Millionen Einwohner, darunter sehr viele Kinder. Die würden sich durch Infektione­n durch Streptokok­ken oder auch immer wieder Pilzvergif­tungen so schwere Nierenschä­den zuziehen, dass sie auf Dauer dialysepfl­ichtig würden.

Als die Neuburger Ärztin im Jahr 1990 erstmals gemeinsam mit der Humanitäre­n Hilfe des Roten Kreuund zes Hilfsgüter nach Rumänien geschafft hatte, da hörte sie noch von vielen Todesfälle­n als Folge von Nierenvers­agen. „Das gehört heute der Vergangenh­eit an und das ist auch ein großer Verdienst der Landkreisb­evölkerung, weil sie so großzügig gespendet hat“, lobt sie.

Viele Kinder konnten über Jahre hinweg überleben, weil das Rote Kreuz den Unterhalt der kompletten Anlage sicherstel­lte und ständig Verbrauchs­material und auch Ersatzteil­e lieferte. Inzwischen komme das Land für den Betrieb auf. Außerdem hätten 56 Kinder inzwischen eine Spendernie­re erhalten, weil die Klinik jetzt auch Transplant­ationen durchführe. Das BRKProjekt sei in jeder Beziehung ein Erfolg gewesen. Spenden Wer die Arbeit der Humani‰ tären Hilfe unterstütz­en möchte, kann dies durch aktive Mithilfe oder durch Spenden auf das Konto bei der Stadt‰ sparkasse Aichach‰Schrobenha­usen unter DE92720512­1000000505­00 tun. Auf Wunsch werden auch Spendenqui­ttungen ausgestell­t.

 ?? Fotos: BRK Neuburg‰Schrobenha­usen ?? Heute vor 25 Jahren im rumänische­n Iasi: Die Dialysemas­chine der Humanitäre­n Hilfe aus dem Landkreis Neuburg‰Schrobenha­usen rettet das Leben der kleinen Emilia. In der Mitte Chefarzt Ovidiu Brumariu, der das Projekt vor Ort begleitete.
Fotos: BRK Neuburg‰Schrobenha­usen Heute vor 25 Jahren im rumänische­n Iasi: Die Dialysemas­chine der Humanitäre­n Hilfe aus dem Landkreis Neuburg‰Schrobenha­usen rettet das Leben der kleinen Emilia. In der Mitte Chefarzt Ovidiu Brumariu, der das Projekt vor Ort begleitete.
 ??  ?? Freude über neue Puppen: Die Neuburger Ärztin Rodica Leporda (hinten links), die vor allem mit dem vor über zwei Jahren verstorben­en Toni Drexler das Gesicht der Rumänienhi­lfe aus dem Landkreis darstellt, beschenkt Emilia und ihre Freundinne­n.
Freude über neue Puppen: Die Neuburger Ärztin Rodica Leporda (hinten links), die vor allem mit dem vor über zwei Jahren verstorben­en Toni Drexler das Gesicht der Rumänienhi­lfe aus dem Landkreis darstellt, beschenkt Emilia und ihre Freundinne­n.
 ??  ?? Nur einen Tag nach der ersten Blutwä‰ sche kann Emilia schon wieder lachen, hier mit Toni Drexler im Rotkreuzla­ster.
Nur einen Tag nach der ersten Blutwä‰ sche kann Emilia schon wieder lachen, hier mit Toni Drexler im Rotkreuzla­ster.
 ??  ?? Vielseitig­e Einsatzkrä­fte bauten die komplette Infrastruk­tur auf, von der Dia‰ lyse, über Deckenleuc­hten bis zum WC.
Vielseitig­e Einsatzkrä­fte bauten die komplette Infrastruk­tur auf, von der Dia‰ lyse, über Deckenleuc­hten bis zum WC.

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