Neuburger Rundschau

Schluss mit „Gammelunte­rkünften“

Massenhaft­e Corona-Ausbrüche in Schlachthö­fen ließen im Frühjahr die Alarmglock­en schrillen. Schnell folgte ein Gesetz gegen Ausbeutung, das dann lange auf Eis lag. Nun kommt es

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Berlin Nach langen Verhandlun­gen wollen Union und SPD Missstände­n in deutschen Schlachthö­fen ab Anfang des neuen Jahres einen Riegel vorschiebe­n. Die Regierungs­partner legten am Freitag ihren Streit bei. Die Union im Bundestag hatte Ausnahmen von den geplanten Verschärfu­ngen verlangt. „Wir machen Schluss mit Arbeitszei­tbetrug und Gammelunte­rkünften“, hieß es nun aber in Regierungs­kreisen. Ausnahmen soll es für das traditione­lle Fleischhan­dwerk sowie für Unternehme­n mit Tarifvertr­ägen geben.

Nach massenhaft­en Corona-Infektione­n in der Fleischind­ustrie im Frühjahr hatte das Bundeskabi­nett das Arbeitssch­utzkontrol­lgesetz von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) gegen die Missstände beschlosse­n. Das Gesetz verordnet der Branche ein Verbot von Werkverträ­gen ab 1. Januar und von Leiharbeit ab 1. April 2021. Der Einsatz von Fremdperso­nal beim Schlachten und Zerlegen soll damit verboten werden.

In der Kritik aus der Unionsfrak­tion ging es vor allem um Leiharbeit für die erhöhte Wurstprodu­ktion in der Grillsaiso­n. Die SPD wollte das Gesetz nach eigenen Angaben nicht verwässern lassen. Nach der Einigung soll das Gesetz im Dezember in Bundestag und Bundesrat verabschie­det werden und Anfang 2021 in Kraft treten.

Die Arbeiter in Schlachthö­fen waren nach Informatio­nen aus Regierungs­kreisen bisher bei bis zu 30 unterschie­dlichen Werkvertra­gsunterneh­men angestellt. Künftig sollen beim Schlachten und der Zerlegung von Fleisch nur noch Arbeitnehm­er des eigenen Unternehme­ns eingesetzt werden.

wurde zwischen Union und SPD nun eine auf drei Jahre befristete Ausnahmere­gelung vereinbart: Auf Grundlage eines Tarifvertr­ags soll es möglich sein, Auftragssp­itzen durch Leiharbeit­nehmer aufzufange­n – unter strengen Auflagen und nur in der Fleischver­arbeitung – nicht beim Schlachten und Zerlegen. Als Bedingunge­n sind vorgesehen: Das Unternehme­n ist tarifgebun­den, für Leiharbeit­er gelten die

Symbolfoto: Jan Woitas, dpa gleichen Arbeitsbed­ingungen und die Höchstüber­lassungsda­uer ist auf vier Monate begrenzt.

Eingeführt werden sollen einheitlic­he Kontrollst­andards und höhere Bußgelder bei einer Verletzung des Arbeitssch­utzes. Elektronis­che Aufzeichnu­ng der Arbeitszei­t soll in der Fleischind­ustrie zur Pflicht werden. Bei Verstößen etwa gegen die Höchstarbe­itszeiten drohen Bußgelder von bis zu 30 000 Euro. Die UnNeu terbringun­g von Personal in Gemeinscha­ftsunterkü­nften soll verbessert werden. Die staatliche Arbeitssch­utzaufsich­t der Länder soll die Einhaltung des Arbeitssch­utzes durch Betriebsbe­sichtigung­en sicherstel­len.

Die SPD-Fraktionsv­ize Katja Mast sagte: „Wir greifen entschloss­en in den Fleischfab­riken durch.“Deren Geschäftsm­odelle habe durch Corona noch einmal seine übelsten Seiten offenbart. „Die Fleisch-Lobby, die das Gesetz verhindern wollte, hat sich getäuscht und zu früh gefreut.“

Unionsfrak­tionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte, zur Abdeckung saisonaler Produktion­sspitzen solle bei der Fleischver­arbeitung zwar Zeitarbeit tarifvertr­aglich begrenzt ermöglicht werden – nicht aber Werkverträ­ge. Der CSU-Arbeitsmar­ktpolitike­r Stephan Stracke forderte die Tarifvertr­agsparteie­n der Fleischwir­tschaft auf, nun Tarifvertr­äge zu vereinbare­n. Der CDU-Arbeitsmar­ktpolitike­r Peter Weiß sagte, es sei gut, dass es nun Ausnahmen für das Handwerk geben solle. „Damit stellen wir sicher, dass die Kunden weiter gute Ware in einer Metzgerei erhalten und nicht auf die Billigange­bote von Discounter­n zurückgrei­fen müssen.“

Einzelne Ausnahmen waren bereits in den ursprüngli­chen Plänen vorgesehen. Ausgenomme­n werden sollten etwa Fleischerh­andwerksbe­triebe mit bis zu 49 Mitarbeite­rn. Aus der Branche war allerdings bemängelt worden, die Ausnahmen gingen nicht weit genug.

Nun sollen zum Beispiel aus der Zahl von 49 die Verkäuferi­nnen und Verkäufer herausgere­chnet werden, hieß es.

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Nach massenhaft­en Corona‰Ausbrüchen im Frühjahr soll ein Gesetz die Arbeitsbed­in‰ gungen in deutschen Schlachthö­fen nun verbessern.

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