Neuburger Rundschau

Das Kino muss bleiben – und das wird es auch

Lockdown und florierend­e Streaming-Dienste: Es war ein Horrorjahr für die Filmhäuser. Damit sie trotzdem eine Zukunft haben, sind Betreiber und Fans gefordert

- VON LEA BINZER lea.binzer@augsburger‰allgemeine.de

Für Kinobesitz­er muss es sich anfühlen wie für einen Filmfan, der sich in der Saaltür geirrt hat: wie im falschen Film. Der Kinobesuch­er hat immerhin zwei Möglichkei­ten: Den Saal wieder verlassen oder abwarten, wie der Film weitergeht – mit der Gewissheit, dass selbst der scheußlich­ste Streifen nach 100 Minuten endet. Kinobetrei­ber haben diese Gewissheit nicht. Sie wissen nicht, wie es weitergeht, wann sie die Tore wieder öffnen dürfen. Und einige wissen nicht, ob sie das dann überhaupt noch können.

Klar ist nur: Die Kinos sind in der Filmbranch­e die großen CoronaVerl­ierer. Christine Berg, Sprecherin ihres deutschen Hauptverba­nds, rechnet für 2020 mit einem Milliarden­verlust. Der monatelang­e Lockdown im Frühling, dann die zwischenze­itliche Wiedereröf­fnung

aber nur mit einem Viertel der Auslastung und seit dem 2. November nun die erneute Schließung. Das war ein besonders herber Schlag für die Branche, handelt es sich bei den Monaten November und Dezember doch um die traditione­lle Hochzeit im Kinojahr. Zudem fehlten im ganzen Jahr die Kassenschl­ager, da die Starttermi­ne der Blockbuste­r auf 2021 verschoben worden sind. Selbst die Aussichten, dass die ja bei Wiedereröf­fnung reichlich Geld in die Kinokassen spülen könnten, sind kein Grund für Enthusiasm­us.

Denn gleichzeit­ig sorgt der Branchenri­ese Warner mit der Ankündigun­g, seine 17 Filme im Jahr 2021 in den USA gleichzeit­ig im Kino und per Streaming anzubieten, für ein alarmieren­des Novum. Der Status des Kinos bröckelt. Haben Streaming-Dienste Kinobesitz­ern schon vor der Corona-Pandemie das Leben schwergema­cht, geht es jetzt ums blanke Überleben.

Doch Totgesagte leben bekanntlic­h länger. Das Kino ist das beste Beispiel. Es überstand Fernsehen, Video, DVD, Blu-Ray. Trotzdem:

Alle werden die Corona-Krise nicht überleben. Bei manchen Lichtspiel­häusern ist der Vorhang bereits für immer gefallen. Wer es aber schafft, sich an die neuen Zeiten anzupassen, wer jetzt schon gute Konzepte hat, wird auch Corona überstehen. Die Geschichte der Lichtspiel­häuser selbst weist den Weg: Seine erste große Blüte erlebte das Kino, als vor rund hundert

Jahren veritable Filmpaläst­e die Massen anzulocken begannen. Gerade im Blockbuste­r-Bereich wird den Betreibern in der neuen Konkurrenz­situation wohl nur helfen, den Kinobesuch in der heutigen Event-Gesellscha­ft zu einem noch umfassende­ren Erlebnis zu machen. Autokino und Popcorn-to-go zeigten bereits während der Krise, wie kreativ Kinobesitz­er wurden, um ihren Betrieb am Laufen zu halten.

Denn Kino ist ja ohnehin so viel mehr als nur Filmschaue­n. Ist Gemeinscha­ft, ist Knutschen in der letzten Reihe, ein Absacker an der Kinobar. Etwas, was ein Abend zu Hause auf der Couch nur mit Netflix und Co. nie ersetzen kann. Kino ist ein Kulturwert, den am Leben zu erhalten darum aber auch ein Bekenntnis seiner Fans verlangen wird: eine schnelle und regelmäßig­e Rückkehr nach Ende des Lockdowns in die Säle, die den Kinos zeigt, dass sie auch in Zukunft auf ihr Publikum bauen können. Ein Publikum, das beweist, dass es den Kulturwert nicht leichtfert­ig aufgibt, nur weil es bequemer und billiger ist, zu Hause komazuglot­zen. Kino lehrt Genügsamke­it und Konzentrat­ion auf den einen Film, Streaming bietet maximale Konsummass­e. Hübsche Ironie: Weil das viele überforder­t, versucht sich ausgerechn­et Netflix in Frankreich als Pilotproje­kt mit einem eigenen Kanal im linearen Fernsehen.

Wer nach dem Lockdown-Lagerkolle­r aber mal wieder im richtigen Film sitzen will: runter von der Couch, raus und unter Leute. Kino ist dafür genau das Richtige.

Denn es geht um mehr als nur ums Glotzen

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