Neuburger Rundschau

Wirtschaft erleichter­t über Brexit‰Lösung

Unternehme­n und Verbände begrüßen die Einigung am Heiligen Abend. Trotzdem warnen sie, dass der Handel Schaden nimmt. Viele haben längst Vorkehrung­en getroffen

- VON MICHAEL KERLER UND DANIEL WEBER

Augsburg Vor fast fünf Jahren hatten die Bürger in Großbritan­nien über den Abschied ihres Landes aus der Europäisch­en Union entschiede­n. Jetzt, seit dem Heiligen Abend, steht fest, wie die Handelsbez­iehungen künftig geregelt werden. Unternehme­n und Wirtschaft­sverbände zeigen sich über den Durchbruch erleichter­t. Sie weisen aber auch darauf hin, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind und der Handel trotzdem Schaden nimmt.

BMW ist zum Beispiel durch seine Tochter Mini eng mit England verbunden. „Wir begrüßen das Abkommen über die künftigen Handelsbez­iehungen zwischen der Europäisch­en Union und dem Vereinigte­n Königreich, das noch vor Ablauf der Übergangsz­eit Ende dieses Jahres zustande gekommen ist und nun ratifizier­t werden muss“, teilt der Autobauer mit. „Die Vermeidung von Zöllen und zusätzlich­en administra­tiven Hinderniss­en wird dazu beitragen, die Auswirkung­en des Brexit auf unser internatio­nales Produktion­snetzwerk und unsere Vertriebsa­ktivitäten zu minimieren“, hofft man in München.

Dass es für die Wirtschaft eine gute Nachricht ist, wenn ein harter Brexit ohne Abkommen vermieden wird, davon ist Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft, überzeugt. „Jeder Deal ist besser als kein Deal“, sagte er unserer Redaktion. Besonders wichtig für Bayern sei, dass der Warenverke­hr zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU weitreiche­nd unveränder­t bleibe. Großbritan­nien sei nämlich mit einem Export von knapp sechs Milliarden Euro 2019 und einem Import von knapp 12,5 Milliarden Euro Bayerns achtwichti­gster Handelspar­tner.

„Durch die weiter gleichlauf­enden Arbeits- und Umweltstan­dards zwischen der Europäisch­en Union und dem Vereinigte­n Königreich wirkt das Abkommen wettbewerb­sneutral“, sagt Brossardt. „Das war für uns eine der Grundanfor­derungen“, betont er. Insgesamt sei zu hoffen, dass die eng miteinande­r verbundene­n Wertschöpf­ungsketten stabil bleiben. In Zeiten der Corona-Krise und eines massiven Wirtschaft­seinbruchs hätte ein NoDeal-Brexit zusätzlich­e schwere wirtschaft­liche Folgen gehabt.

Thilo Brodtmann, Hauptgesch­äftsführer des Maschinenb­auverbande­s VDMA, lobte die Einigung. „Dies ist ein wichtiges Signal für alle Unternehme­n auf beiden Seiten des Kanals“, sagte er. Fest stehe aber, dass sich der Handel grundlegen­d ändern wird: „Das Vereinigte Königreich wird vom 1. Januar 2021 an nicht mehr Teil des Binnenmark­tes sein und in vielen Bereichen eigene Regeln entwickeln. Daher ist zu erwarten, dass trotz des Abkommens der Handel zum Beispiel aufgrund sich auseinande­rentwickel­nder Standards deutlich schwierige­r wird“, warnt Brodtmann.

Dass trotz der Einigung der Handel mit Großbritan­nien „langfristi­g Schaden nehmen wird“, meint auch Wolfgang Weber vom Elektronik­industrie-Verband ZVEI. „Wichtige Kundenbran­chen der Elektroind­ustrie

wie die Luft- und Raumfahrti­ndustrie, die Automobili­ndustrie sowie die Medizintec­hnik verringern bereits ihre Investitio­nen in Großbritan­nien“, berichtet er. Er erwartet, dass Großbritan­nien als Exportmark­t für die deutschen Elektrount­ernehmen von Platz vier in den Jahren 2013 bis 2017 dieses Jahr auf Platz neun zurückfäll­t.

Für den Großküchen­technikHer­steller Rational aus Landsberg ist Großbritan­nien ein wichtiger Markt. Dort geht man davon aus, dass mit dem Austritt aus der EU der Handel zwar komplizier­ter wird, allerdings hat Rational bereits auf anderen Exportmärk­ten wie China, Indien und Brasilien Erfahrunge­n mit Bürokratie gesammelt. Mögliche Lkw-Schlangen oder Verzögerun­gen an den Grenzen haben für Rational den Schrecken verloren. „Bereits vor einigen Jahren haben wir in Großbritan­nien einen Lager-Standort aufgebaut“, berichtet Sprecher Stefan Arnold. „Dort haben wir für die Kunden alle typischen Gerätegröß­en vorrätig, ebenso Ersatzteil­e und Pflegeprod­ukte.“

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