Wirtschaft erleichtert über BrexitLösung
Unternehmen und Verbände begrüßen die Einigung am Heiligen Abend. Trotzdem warnen sie, dass der Handel Schaden nimmt. Viele haben längst Vorkehrungen getroffen
Augsburg Vor fast fünf Jahren hatten die Bürger in Großbritannien über den Abschied ihres Landes aus der Europäischen Union entschieden. Jetzt, seit dem Heiligen Abend, steht fest, wie die Handelsbeziehungen künftig geregelt werden. Unternehmen und Wirtschaftsverbände zeigen sich über den Durchbruch erleichtert. Sie weisen aber auch darauf hin, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind und der Handel trotzdem Schaden nimmt.
BMW ist zum Beispiel durch seine Tochter Mini eng mit England verbunden. „Wir begrüßen das Abkommen über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich, das noch vor Ablauf der Übergangszeit Ende dieses Jahres zustande gekommen ist und nun ratifiziert werden muss“, teilt der Autobauer mit. „Die Vermeidung von Zöllen und zusätzlichen administrativen Hindernissen wird dazu beitragen, die Auswirkungen des Brexit auf unser internationales Produktionsnetzwerk und unsere Vertriebsaktivitäten zu minimieren“, hofft man in München.
Dass es für die Wirtschaft eine gute Nachricht ist, wenn ein harter Brexit ohne Abkommen vermieden wird, davon ist Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, überzeugt. „Jeder Deal ist besser als kein Deal“, sagte er unserer Redaktion. Besonders wichtig für Bayern sei, dass der Warenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU weitreichend unverändert bleibe. Großbritannien sei nämlich mit einem Export von knapp sechs Milliarden Euro 2019 und einem Import von knapp 12,5 Milliarden Euro Bayerns achtwichtigster Handelspartner.
„Durch die weiter gleichlaufenden Arbeits- und Umweltstandards zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich wirkt das Abkommen wettbewerbsneutral“, sagt Brossardt. „Das war für uns eine der Grundanforderungen“, betont er. Insgesamt sei zu hoffen, dass die eng miteinander verbundenen Wertschöpfungsketten stabil bleiben. In Zeiten der Corona-Krise und eines massiven Wirtschaftseinbruchs hätte ein NoDeal-Brexit zusätzliche schwere wirtschaftliche Folgen gehabt.
Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA, lobte die Einigung. „Dies ist ein wichtiges Signal für alle Unternehmen auf beiden Seiten des Kanals“, sagte er. Fest stehe aber, dass sich der Handel grundlegend ändern wird: „Das Vereinigte Königreich wird vom 1. Januar 2021 an nicht mehr Teil des Binnenmarktes sein und in vielen Bereichen eigene Regeln entwickeln. Daher ist zu erwarten, dass trotz des Abkommens der Handel zum Beispiel aufgrund sich auseinanderentwickelnder Standards deutlich schwieriger wird“, warnt Brodtmann.
Dass trotz der Einigung der Handel mit Großbritannien „langfristig Schaden nehmen wird“, meint auch Wolfgang Weber vom Elektronikindustrie-Verband ZVEI. „Wichtige Kundenbranchen der Elektroindustrie
wie die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Automobilindustrie sowie die Medizintechnik verringern bereits ihre Investitionen in Großbritannien“, berichtet er. Er erwartet, dass Großbritannien als Exportmarkt für die deutschen Elektrounternehmen von Platz vier in den Jahren 2013 bis 2017 dieses Jahr auf Platz neun zurückfällt.
Für den GroßküchentechnikHersteller Rational aus Landsberg ist Großbritannien ein wichtiger Markt. Dort geht man davon aus, dass mit dem Austritt aus der EU der Handel zwar komplizierter wird, allerdings hat Rational bereits auf anderen Exportmärkten wie China, Indien und Brasilien Erfahrungen mit Bürokratie gesammelt. Mögliche Lkw-Schlangen oder Verzögerungen an den Grenzen haben für Rational den Schrecken verloren. „Bereits vor einigen Jahren haben wir in Großbritannien einen Lager-Standort aufgebaut“, berichtet Sprecher Stefan Arnold. „Dort haben wir für die Kunden alle typischen Gerätegrößen vorrätig, ebenso Ersatzteile und Pflegeprodukte.“