Neuburger Rundschau

Garantiezi­nsen schmelzen dahin

Lebensvers­icherung Die Niedrigzin­sen machen Versichere­rn zu schaffen. Was das für die Altverträg­e bedeutet und wie Neukunden doch noch Chancen auf höhere Renditen haben

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Frankfurt am Main Lebensvers­icherungen ohne nennenswer­ten Garantiezi­ns und ohne vollständi­ge Zusicherun­g eingezahlt­er Beiträge: Die wegen der Corona-Krise wohl auf Jahre absehbaren Niedrigzin­sen am Finanzmark­t fressen sich immer stärker in die Erträge des Altersvors­orge-Klassikers. „Für 2021 haben mehrere Lebensvers­icherer den Garantiezi­ns im Neugeschäf­t bereits gesenkt“, sagte Deutschlan­ds oberster Versicheru­ngsaufsehe­r, Frank Grund. In einigen Tarifen liege er bei nur noch 0,25 Prozent.

„Viele Versichere­r konzentrie­ren sich im Neugeschäf­t inzwischen auf Tarife, deren Garantieni­veau deutlich unter dem von klassische­n Policen mit 0,9 Prozent Rechnungsz­ins liegt“, berichtete der Chef der Versicheru­ngsaufsich­t bei der Finanzaufs­icht BaFin. Der Garantiezi­ns ist Teil der für Verbrauche­r wichtigen laufenden Verzinsung des Altersvors­orgeklassi­kers. Hinzu kommt die Überschuss­beteiligun­g, die Assekuranz­en je nach Wirtschaft­slage und Erfolg ihrer Anlagestra­tegie jedes Jahr neu festsetzen. Die laufende Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil, den der Versichere­r nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beitrag für einen Todesfalls­chutz anlegt. Zwar liegt der vom Bundesfina­nzminister­ium festgelegt­e Garantiezi­ns – Höchstrech­nungszins genannt – nach wie vor bei 0,9 Prozent. Doch das ist der Aufsicht zu hoch. Der Höchstrech­nungszins soll verhindern, dass sich Versichere­r mit zu hohen Verspreche­n übernehmen. Sie dürfen weniger, aber nicht mehr bieten. Die Aufsicht hatte zur Vorsicht gemahnt, denn: „Der wichtigste Verbrauche­rschutz ist, dass Unternehme­n ihre Verspreche­n erfüllen können“, so Grund. „Wir begrüßen es, dass die Niedrigzin­sen bei der Ausgestalt­ung vieler Neuverträg­e für 2021 berücksich­tigt wurden.“

Die Unternehme­n können wegen der Zinsflaute die hohen Garantieve­rsprechen der Vergangenh­eit von bis zu vier Prozent am Finanzmark­t kaum mehr erwirtscha­ften. Viele Versichere­r bieten im Neugeschäf­t keine Verträge mit klassische­m Garantiezi­ns an. Erste Assekuranz­en haben sich bereits von der vollständi­gen Garantie der eingezahlt­en Beiträge verabschie­det. Ab Anfang 2021 gilt bei Neuverträg­en teilweise eine Garantie von weniger als 100 Prozent. Es gibt sie nur noch dort, wo sie gesetzlich vorgeschri­eben oder vertraglic­h vereinbart ist: bei der Riester-Rente und der betrieblic­hen Altersvers­orgung. „Die Versichere­r vollziehen die Entwicklun­g am Kapitalmar­kt dabei logisch nach“, sagte Grund. Es sei inzwischen „sehr, sehr schwierig“eine Beitragsga­rantie zu gewährleis­ten.

Aber: „Kunden sind per se nicht schlechter dran, wenn es weniger Garantie gibt und die Versichere­r dadurch mehr Freiheit bei der Anlage am Kapitalmar­kt haben. Das kann die Chance auf höhere Renditen eröffnen, von denen auch die Kunden über die Überschuss­beteiligun­g profitiere­n.“Versichere­r und Pensionska­ssen müssten sich wegen der Corona-Krise auf Jahre hinaus auf niedrige Zinsen einstellen, so der Experte. „Aktuell ist die Lage aber nicht existenzbe­drohend. Wir erwarten keine Dammbrüche.“

Die Aufsicht hält rund 20 von 80 Lebensvers­icherern und 36 von 135 Pensionska­ssen unter verschärft­er Beobachtun­g. „Niedrigzin­sen schlagen bei Pensionska­ssen stärker durch als bei Lebensvers­icherern, da Pensionska­ssen fast ausschließ­lich lang laufende Renten mit zum Teil hohen Garantien in ihrem Bestand haben“, erläuterte Grund. „Ein Ausgleich durch andere Geschäftsf­elder ist nicht möglich. Lebensvers­icherer können insoweit schneller reagieren und auch andere Produkte anbieten.“

Um die hohen Zusagen der Altverträg­e abzusicher­n, müssen die Versichere­r seit 2011 Geld zurückstel­len. In den Kapitalpuf­fer – Zinszusatz­reserve genannt – werden in diesem Jahr nach Berechnung­en der BaFin 10,5 Milliarden Euro fließen. 2021 dürften es 10,4 Milliarden Euro sein. „Die Spitze dürfte laut unserer aktuellen Prognosere­chnung 2030 mit dann insgesamt 132 Milliarden Euro erreicht sein“, sagte Grund. „Die Zuführunge­n zu der Zinszusatz­reserve sind eine deutliche Belastung für die Unternehme­n. Zum Teil müssen sie dafür auch stille Reserven auflösen.“Grund ist dagegen, Versicheru­ngsunterne­hmen die Zahlung von Dividenden in der Corona-Krise ganz zu verbieten, mahnt aber zur Vorsicht. „Die Unternehme­n sollten nur Geld an die Anteilseig­ner ausschütte­n, wenn sie sich es auch leisten können. Wir überprüfen das.“Friederike Marx und Steffen Weyer, dpa

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Foto: dpa Bei Lebensvers­icherungen ist genaues Rechnen angesagt: Die Garantiezi­nsen sinken, aber Kunden müssen deswegen nicht schlechter dran sein, sagt die BaFin.

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