Weihnachtspost für Herz und Papierkorb
Wenn der „persönliche Weihnachtsgruß“ohne persönliche Anrede und per Rundmail an dutzende oder hunderte Adressaten geht, dann kann das als scharfes Indiz dafür gelten, dass Automatisierung, Standardisierung und Digitalisierung der Weihnachts- und Neujahrsgrüßerei unerbittlich voranschreiten. Von Mensch zu Mensch passiert da nicht mehr viel. Die Kernbotschaft lautet: Sie sind noch in meinem Verteiler.
Wen solche Post nervt, der darf in Kurfürst Karl Theodor – er regierte Bayern als Karl II. von 1777 bis 1799 – einen frühen Bundesgenossen sehen. Lange vor Erfindung moderner Kommunikationsmittel bat er auf einem Anschlagzettel im Münchner Hofgarten die Fußgänger, „einander nicht durch ewiges Grüßen beschwerlich zu fallen“. Der Mann wollte beim Spaziergang seine Ruh und teilte das auch geradeheraus mit. Chapeau!
Heutzutage haben es Politiker nicht so leicht, sich der Kommunikation zu entziehen. Anders als der Kurfürst müssen sie gewählt und wiedergewählt werden. Also grüßen sie zum Jahreswechsel alle, von denen sie meinen, dass sie dabei eine Rolle spielen könnten: Vertreter großer Verbände und Organisationen, Bischöfe und Gewerkschaftsvorsitzende, ihre Parteifreunde in Orts- und Kreisverbänden, Journalisten und Moderatoren, Gerichtsund Vereinspräsidenten.
Doch auch dabei gibt es Unterschiede. Eine Auswertung der digitalen und analogen Weihnachtsund Neujahrspost, die das Münchner Büro unserer Redaktion dieses Jahr erreichte, hat ergeben, dass noch Hoffnung besteht. Die unpersönliche Rundmail ist noch die Ausnahme, die Weihnachtskarte mit persönlicher Anrede und eigenhändiger Unterschrift die Regel. Und rund ein Drittel der Briefe enthalten sogar ganz persönliche Bemerkungen und Wünsche jenseits des Geschäftlichen. Das zeigt: Es passiert doch noch was von Mensch zu Mensch.