Liebe und andere komplizierte Dinge
Beziehungen zwischen Männern und Frauen sind komplexe Gebilde, oft auf dünnem Eis. Der eine macht auf Galan und schenkt seiner Partnerin jede Woche frische Blumen, um die Liebe jung zu halten. Der andere knurrt laut am Mittagstisch, wenn der Schweinsbraten noch nicht dampfend vor ihm steht. Beide Varianten können funktionieren, wenn das System eingespielt ist. Ganz ähnlich geht Skispringen. Nur wenn Athlet und Anlage harmonieren, klappt es auch mit der Weite. Markus Eisenbichler hat die Anlage in Oberstdorf ins Herz geschlossen. „I mog die Schanz einfach“, unterbreitete der Oberbayer dem Stadion am Schattenberg eine Liebeserklärung.
Das heißt aber noch lange nicht, dass „Eisei“den weitesten Sprung setzt. Dazu muss das „System“passen, wie die Skispringer erzählen. Denn das Springen von Schanzen ist mindestens so kompliziert wie die Liebe, wie das Beispiel von Richard Freitag zeigt. Noch vor zwei Jahren flog der Richie so überragend von den Schanzen, dass sich die Fans den Freitag-Schnauzer hundertfach ins Gesicht malten oder klebten. Inzwischen springt der 29-Jährige aus Erlabrunn meist hinterher.
Bundestrainer Stefan Horngacher kann das erklären. Freitag komme mit den anderen Keilen unter den Schuhen oder den neuen Anzügen nicht zurecht. Es reichen Nuancen, um das System zum Einsturz zu bringen. Die Umstände wirkten sich fatal auf die Beziehung zwischen Freitag und den Schanzen aus.
Nur wer die Anfahrt, den Absprung, die Flugkünste und schließlich die Landung während oft wechselnder Winde in eine flüssige Form gießt, hat eine Siegchance. Dazu muss man die Nerven und die Gedanken im Griff behalten. Komplizierte Sache das. Bevor die Adler den Flachlandtirolern lange erklären müssen, worauf es im Detail ankommt, sagen sie meist nur: Ich muss „mein Sach“machen. Oder „das Ding“durchziehen.
Seit Montag fliegen die Adler über dem Allgäu und schließlich weiter über Garmisch nach Österreich. Nur den Polen hat das Gesundheitsamt gestern rüde die Flügel gestutzt. Ein Corona-Fall reichte, um die komplette Mannschaft auszuschließen. Das belastet die deutsch-polnischen Beziehungen. Aber das ist Politik und die ist mindestens so kompliziert wie die Liebe.