So fühlt sich Wandern in CoronaZeiten an
Outdoor Wandertouren sind in diesen Zeiten möglich, aber es gibt einiges zu beachten. Eine Tagestour im Schwarzwald macht deutlich, wie sie so ist, die neue Normalität unterwegs
Mit jenen Worten im Kopf, die die Bundeskanzlerin in einer Fernsehansprache in diesem Jahr wählte, um uns auf schwere Zeiten einzustimmen, sitzen wir am Tisch und beginnen mit der Planung einer Tageswanderung. Angela Merkel sprach unter anderem davon, dass uns im Jahre 2020 und darüber hinaus wegen Covid 19 ein gewisses Maß an Normalität abhandenkommen wird. Sie hat recht behalten, und deshalb werden wir die ursprünglich mit mehreren Freunden geplante Schwarzwald-Tagestour nur zu zweit angehen – Matthias und ich.
Schon nach wenigen Minuten ist klar: Wir müssen auf andere Details achten als normal, anders den Rucksack packen als normal. Ob das alles noch normal ist?
Gewiss ist es das, lautet die Bilanz nach einem spannenden und erholsamen Tag im Hochschwarzwald. Als wir am Abend unser Ziel erreichen, das Haus des Freundes in Villingen-Schwenningen, nennen wir es eben die neue Normalität, mit der wir uns arrangiert haben. Gut angefühlt hat sich der freie Tag unter der Woche in jedem Fall.
Es ist ein Wintertag, mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Selbst wenn wir diesen Spruch kennen, dass es kein schlechtes Wetter, sondern lediglich schlechte Kleidung gibt, muss die Kälte bei der Planung der Tour berücksichtigt werden. Weder Kneipen noch Cafés sind geöffnet, um einzukehren, demnach ist da auch keine Möglichkeit, sich während der Tour aufzuwärmen. Weshalb wir uns entscheiden, den Zug zu nehmen und als jenen Ort zu nutzen, wo wir uns wieder ein bisschen aufheizen können.
Ausgangspunkt unserer Tour ist die Stadt Villingen-Schwenningen, wo wir in Villingen in den Zug Richtung Freiburg steigen. Der Wanderplan: In Hinterzarten aussteigen, Richtung Titisee durch den Schnee stapfen, dort den Rundwanderweg nehmen und wieder zurück nach Hinterzarten – Laufzeit mit Pause rund vier Stunden. Dann wieder mit dem Zug eine gute Stunde zurück zum Villinger Bahnhof.
Jeder von uns hat einen Rucksack dabei mit Proviant und Ersatzkleidung. Ein Muss in diesen Zeiten. Denn natürlich ist uns klar: Dieser Outdoor-Tag wird seinem Namen alle Ehre machen. Wir sind tatsächlich die ganze Zeit an der frischen Luft. Outdoor-Aktivität in ihrer reinsten Form. Und wie bestellt, zeigt sich wenige Stationen vor Hinterzarten die Sonne. Der Blick aus dem Zugfenster hat was von Bilderbuch-Panorama. Die Bäume, an diesem Tag üppig mit Schnee behangen, stehen wie stumme Riesen am Rande der Bahnstrecke.
Der Süden des Schwarzwalds ist im Sommer ein Hotspot touristischer Art, im Winter ist er ebenfalls gut besucht, inklusive zahlreicher asiatischer Reisegruppen. Rund vier Millionen Übernachtungen verzeichnet der Hochschwarzwald jedes Jahr und lockt die Gäste mit folgenden Highlights: Der Schluchsee ist der größte See, „unser“Titisee der weltweit bekannteste See des Schwarzwalds, der Feldberg der höchste Berg der deutschen Mittelgebirge, und schließlich wird noch mit der Wutachschlucht geworben als größtem Canyon Deutschlands.
Nach gut einer Stunde im warmen und nicht überfüllten Zug (alle Fahrgäste tragen diszipliniert ihre Maske) kommen wir in Hinterzarten auf 885 Metern Höhe an. Nun gut, die Sonne ist hinter plötzlich aufziehenden Wolken verschwunden.
Hinterzarten scheint im Dezember zu schlafen, zumindest vor sich hinzudösen. Immerhin wird uns auf dem Weg Richtung Titisee der eine oder andere Wanderer begegnen und mit uns einen kurzen Plausch halten. Denn auch das gehört zur neuen Normalität: Wer in diesen Zeiten in der Natur auf andere trifft, sucht schnell das Gespräch. Man tauscht sich über Start- und Zielpunkte aus, über diese etwas anderen Zeiten, über das Wetter sowieso und auch über jene Dinge, die man im Rucksack mit sich führt.
„Habt ihr auch genügend warme Getränke dabei“, lautet eine der Fragen. Wir nicken eifrig und werden doch später die Erfahrung machen müssen, dass man zu wenig Erfahrung hat mit Touren in diesen Tagen der neuen Normalität. Unsere Thermoskanne mit Glühwein erweist sich eindeutig als zu wenig. Wir hätten unbedingt eine zweite mitnehmen sollen. Beim vierten Nachschenken werden unsere Gesichter länger, und die beiden Becher bleiben leer.
Immerhin haben wir beim Essen gut geplant: zwei Paar Landjäger und eine lange Schwarzwälder Kaminwurzen, die wir uns teilen, 250 Gramm vom Gunzesrieder Bergkäse, vier Semmeln, die hier im Schwarzwald Wecken heißen, eine Packung Schokokekse. Wir legen zweimal eine kurze Vesperrast ein, jeweils direkt vor einer freien Bank, auf der wir unser Essen und Trinken verteilen. Wir bleiben während der kulinarischen Pause stehen, denn am Lockdown-Outdoor-Tag haben wir noch etwas vergessen: zwei folienbeschichtete Sitzkissen für die von uns ausgewählte Bank im Wald, die mit einer leichten Schneeschicht überzogen ist. Das ist allerdings leichter zu verkraften als der fehlende Glühwein. In jedem Fall genießen wir die Essenspausen und stellen fest, dass es in freier Natur unter den gegebenen Umständen außerordentlich gut schmeckt.
Der leichte Schneefall auf den letzten drei Kilometern zurück nach Hinterzarten stört uns nicht. Im Gegenteil, wir sind richtig gut drauf nach unserer alternativen Wandertour. Bei Einbruch der Dunkelheit warten wir auf Gleis 1 auf die S-Bahn von Freiburg nach Villingen, die täglich 38 Mal zwischen beiden Städten verkehrt. Und siehe da, sie ist pünktlich. Ist das womöglich auch eine neue Normalität?
Die Entscheidung jener Routenplanung, am Anfang und Ende eine Bahnfahrt zu setzen, erweist sich als Knüller. Denn nun genießen wir einerseits die angenehme Wärme im Waggon, andererseits den Komfort, endlich sitzen zu dürfen. Wobei wir auch jetzt etwas Flüssigem nicht abgeneigt wären. Aber wie gesagt: Wanderplanung geht immer noch ein bisschen besser.
Gut möglich, dass es auch Anfang kommenden Jahres Gelegenheiten zur Verbesserung dieses Punktes gibt. Und die Gedanken auf der Heimfahrt nach Villingen sind erneut bei Angela Merkel und der Normalität, die es so schnell nicht geben werde. Gleichwohl lässt sich die Freizeit auch in diesen schwierigen Tagen attraktiv gestalten. Draußen in der Natur. Mit kreativen Ideen und ein bisschen Organisationstalent.