Hauspreise explodieren trotz CoronaKrise
Um Negativzinsen zu vermeiden, leeren Anleger Konten und stecken Geld in Immobilien
Augsburg Die Corona-Epidemie hat dieses Jahr viele Krisenverlierer hervorgebracht, große Teile der Immobilienwirtschaft gehören nicht dazu. Die Preise für Wohnungen und Häuser sind binnen eines Jahres in Deutschland um 7,8 Prozent gestiegen, berichtet das Statistische Bundesamt, das Zahlen zum dritten Quartal 2020 vorgelegt hat. Der Anstieg betrifft nicht nur die großen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München und andere Großstädte über 100000 Einwohner. Auch auf dem Land haben die Preise angezogen – sogar überdurchschnittlich: In dichter besiedelten Kreisen sind Häuser im Schnitt 9,7 Prozent teurer geworden, in dünner besiedelten Gegenden kosten sie im Schnitt 8,4 Prozent mehr.
Der Wunsch nach einer eigenen Immobilie scheint in Deutschland trotz Krise ungebrochen zu sein. „Die Corona-Krise hat bei vielen Bayern den Wunsch verstärkt, die eigene Wohnsituation zu verändern“, berichtet die Commerzbank im Rahmen einer Umfrage. Dabei stehe der Wunsch nach dem Kauf einer Immobilie an erster Stelle. 39 Prozent der Bayern würden gerne ein Haus oder eine Wohnung kaufen, um selbst darin zu wohnen. Die Nachfrage treibt die Preise.
In den vergangenen zehn Jahren haben sich Immobilienpreise zum Beispiel in Augsburg mehr als verdoppelt, sagt Stefan Roßmayer, Leiter der Commerzbank-Niederlassung in Augsburg, die für große Teile Schwabens zuständig ist. Je nach Lage liege der Quadratmeterpreis für eine bestehende Immobilie in Augsburg zwischen 3600 und 7000 Euro. Eine 100-Quadratmeter-Altbauwohnung kann dann bis zu 700000 Euro kosten. Die Commerzbank spürt das ungebrochene Interesse an Wohneigentum in Form einer hohen Kreditnachfrage: Die Niederlassung habe in diesem Jahr bereits 322 Millionen Euro an neuen Baufinanzierungen vergeben – ein Drittel mehr als im Vorjahr, als es die Corona-Krise noch gar nicht gab. Was sind die Gründe?
Dass die eigenen vier Wände ein Lebenstraum vieler Bürger sind, sei das eine, sagt Roßmayer. Dazu kommt ein Anlagenotstand, da die Zinsen niedrig sind und Banken dazu übergehen, bei hohen Summen auf dem Konto die Strafzinsen an die Kunden weiterzureichen, die sie selbst für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank zahlen. „Gerade jetzt bei diesem Niedrigzinsniveau werden mehr Gelder in Immobilien geparkt – auch um Negativzinsen auf dem Konto zu vermeiden“, berichtet Roßmayer.
Das stützen Beobachtungen der Klaus-Gruppe aus Augsburg, die Wohnungen baut. „Der Verkauf von Wohnungen läuft unverändert gut“, berichtet das Bauunternehmen. „In Bezug auf die Käuferschicht lässt sich feststellen, dass der Anteil an privaten Kapitalanlegern nochmals leicht zugenommen hat.“Neben Immobilien fließt das Geld auch in andere Anlagen – vor allem Fonds und Aktien waren dem Bundesverband deutscher Banken zufolge dieses Jahr begehrt – und das trotz des Einbruchs am Aktienmarkt im Frühjahr.
Im Zuge der Immobilienpreise steigen auch die Mieten: Im dritten Quartal 2020 lagen sie im Schnitt um 3,4 Prozent höher als ein Jahr davor, hat das Hamburger Gewos-Institut ermittelt. Die Industriegewerkschaft Bau warnt bereits vor einer Wohnungsnot: „Die Corona-Krise wird eine neue Sozialwohnungsnot in Deutschland provozieren, die uns im schlimmsten Fall über Jahre erhalten bleiben wird“, sagt Gewerkschaftschef Robert Feiger. „Die Zahl der Menschen, die sich hohe Mieten nicht mehr leisten können und eine bezahlbare Wohnung suchen, wird nochmals steigen.“
Mit den Folgen der Corona-Krise für den Immobilienmarkt beschäftigt sich der