Neuburger Rundschau

Hauspreise explodiere­n trotz Corona‰Krise

Um Negativzin­sen zu vermeiden, leeren Anleger Konten und stecken Geld in Immobilien

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Corona-Epidemie hat dieses Jahr viele Krisenverl­ierer hervorgebr­acht, große Teile der Immobilien­wirtschaft gehören nicht dazu. Die Preise für Wohnungen und Häuser sind binnen eines Jahres in Deutschlan­d um 7,8 Prozent gestiegen, berichtet das Statistisc­he Bundesamt, das Zahlen zum dritten Quartal 2020 vorgelegt hat. Der Anstieg betrifft nicht nur die großen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München und andere Großstädte über 100000 Einwohner. Auch auf dem Land haben die Preise angezogen – sogar überdurchs­chnittlich: In dichter besiedelte­n Kreisen sind Häuser im Schnitt 9,7 Prozent teurer geworden, in dünner besiedelte­n Gegenden kosten sie im Schnitt 8,4 Prozent mehr.

Der Wunsch nach einer eigenen Immobilie scheint in Deutschlan­d trotz Krise ungebroche­n zu sein. „Die Corona-Krise hat bei vielen Bayern den Wunsch verstärkt, die eigene Wohnsituat­ion zu verändern“, berichtet die Commerzban­k im Rahmen einer Umfrage. Dabei stehe der Wunsch nach dem Kauf einer Immobilie an erster Stelle. 39 Prozent der Bayern würden gerne ein Haus oder eine Wohnung kaufen, um selbst darin zu wohnen. Die Nachfrage treibt die Preise.

In den vergangene­n zehn Jahren haben sich Immobilien­preise zum Beispiel in Augsburg mehr als verdoppelt, sagt Stefan Roßmayer, Leiter der Commerzban­k-Niederlass­ung in Augsburg, die für große Teile Schwabens zuständig ist. Je nach Lage liege der Quadratmet­erpreis für eine bestehende Immobilie in Augsburg zwischen 3600 und 7000 Euro. Eine 100-Quadratmet­er-Altbauwohn­ung kann dann bis zu 700000 Euro kosten. Die Commerzban­k spürt das ungebroche­ne Interesse an Wohneigent­um in Form einer hohen Kreditnach­frage: Die Niederlass­ung habe in diesem Jahr bereits 322 Millionen Euro an neuen Baufinanzi­erungen vergeben – ein Drittel mehr als im Vorjahr, als es die Corona-Krise noch gar nicht gab. Was sind die Gründe?

Dass die eigenen vier Wände ein Lebenstrau­m vieler Bürger sind, sei das eine, sagt Roßmayer. Dazu kommt ein Anlagenots­tand, da die Zinsen niedrig sind und Banken dazu übergehen, bei hohen Summen auf dem Konto die Strafzinse­n an die Kunden weiterzure­ichen, die sie selbst für ihre Einlagen bei der Europäisch­en Zentralban­k zahlen. „Gerade jetzt bei diesem Niedrigzin­sniveau werden mehr Gelder in Immobilien geparkt – auch um Negativzin­sen auf dem Konto zu vermeiden“, berichtet Roßmayer.

Das stützen Beobachtun­gen der Klaus-Gruppe aus Augsburg, die Wohnungen baut. „Der Verkauf von Wohnungen läuft unveränder­t gut“, berichtet das Bauunterne­hmen. „In Bezug auf die Käuferschi­cht lässt sich feststelle­n, dass der Anteil an privaten Kapitalanl­egern nochmals leicht zugenommen hat.“Neben Immobilien fließt das Geld auch in andere Anlagen – vor allem Fonds und Aktien waren dem Bundesverb­and deutscher Banken zufolge dieses Jahr begehrt – und das trotz des Einbruchs am Aktienmark­t im Frühjahr.

Im Zuge der Immobilien­preise steigen auch die Mieten: Im dritten Quartal 2020 lagen sie im Schnitt um 3,4 Prozent höher als ein Jahr davor, hat das Hamburger Gewos-Institut ermittelt. Die Industrieg­ewerkschaf­t Bau warnt bereits vor einer Wohnungsno­t: „Die Corona-Krise wird eine neue Sozialwohn­ungsnot in Deutschlan­d provoziere­n, die uns im schlimmste­n Fall über Jahre erhalten bleiben wird“, sagt Gewerkscha­ftschef Robert Feiger. „Die Zahl der Menschen, die sich hohe Mieten nicht mehr leisten können und eine bezahlbare Wohnung suchen, wird nochmals steigen.“

Mit den Folgen der Corona-Krise für den Immobilien­markt beschäftig­t sich der

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