Neuburger Rundschau

Wie kommt der Impfstoff nach Hause?

In den ersten bayerische­n Pflege- und Seniorenhe­imen werden bereits Bewohner und Mitarbeite­r geimpft. Wie ältere Menschen, die daheim von Angehörige­n oder einem Pflegedien­st betreut werden, ihre Dosis erhalten

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Eine Weile hat Gabi Steiner überlegt, ob sie sich gegen das Coronaviru­s impfen lassen will. „Ich wollte mir einfach ein bisschen Zeit nehmen, darüber nachzudenk­en“, sagt die 88-Jährige. „Aber jetzt bin ich mir sicher, dass ich es machen werde.“Zusammen mit einer Pflegerin, die sich um sie kümmert, lebt Gabi Steiner, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, in Augsburg. Selbststän­digkeit sei ihr sehr wichtig, erklärt sie am Telefon. Bekannte beschreibe­n sie als einen Menschen, der sein Leben mit viel Energie organisier­t. Sie geht regelmäßig zum Einkaufen und vor Corona besuchte sie immer wieder den Altenklub und Bekannte im Seniorenhe­im. Sie wolle einfach eigenständ­ig bleiben, deshalb habe sie sich auch dagegen entschiede­n, in ein Seniorenhe­im zu ziehen – obwohl sie im Alltag auf einen elektrisch­en Rollstuhl angewiesen sei.

Selbststän­dig will sie auch sein, was das Thema Corona-Impfung angeht. Sie fühlt sich übers Fernsehen und ihre Zeitung gut informiert. Doch wann genau und wie und wo sie sich impfen lassen kann, das weiß Steiner noch nicht. „Ich warte jetzt darauf, dass mir alle Informatio­nen, so wie es angekündig­t wurde, zugeschick­t werden, und dann kümmere ich mich um meine Impfung“, sagt sie. „Das mache ich ganz alleine. Zur Not fahre ich mit meinem Rollstuhl zum nächsten Impfzentru­m, das schaffe ich schon“, sagt sie mit einem Schmunzeln in der Stimme.

Doch so selbststän­dig wie Gabi Steiner mit ihren 88 Jahren sind in Bayern nicht alle Senioren ihres Alters – eine Gruppe, die in diesen Tagen

besonders in den Fokus der Öffentlich­keit rückt. Denn Personen über 80 zählen – neben Heimbewohn­ern und Mitarbeite­rn im Gesundheit­swesen – zu den Ersten, die sich im Freistaat gegen Corona impfen lassen dürfen. Eine wichtige Frage, die sich auch Gabi Steiner stellt, ist, wie der Impfstoff eigentlich zu ihr nach Hause kommt. Zu den Menschen, die unter anderem wie die Augsburger Seniorin pflegebedü­rftig, bettlägeri­g, dement oder immobil sind.

Grundsätzl­ich wird die Impfversor­gung in Bayern derzeit auf zwei

Säulen verteilt. Zum einen gibt es die Impfzentre­n, bei denen man meist ab Januar einen Termin vereinbare­n und sich dann dort impfen lassen kann. Dass allerdings Menschen über 80, die bettlägeri­g beziehungs­weise pflegebedü­rftig sind, dorthin kommen, scheint unrealisti­sch. Franz Wölfl, Vorsitzend­er der Landesseni­orenvertre­tung Bayern, bezeichnet dies sogar als „vollkommen realitätsf­ern“. Zum zweiten gibt es darüber hinaus die mobilen Impfteams, die aktuell vorrangig die Senioren- und Pflegeheim­e sowie Krankenhäu­ser anfahren und die Menschen in den Einrichtun­gen impfen. Doch kommen diese auch zu den Senioren nach Hause?

Sebastian Völkl, ärztlicher Koordinato­r im Landkreis Donau-Ries, beantworte­t diese Frage mit Ja. „Momentan fahren unsere mobilen Teams vor allem die Heime an. Ab Januar werden wir dann auch mit den Hausbesuch­en beginnen und zu den über 80-Jährigen kommen, die das Haus nicht einfach so verlassen können.“Das Problem dabei: Nach ersten Berichten gibt es schon jetzt Schwierigk­eiten mit der vom Freiextra entwickelt­en Software zur Verwaltung der Patientend­aten und der Termine. Viele Daten müssten per Hand erfasst und später digital übertragen werden – was den Impfteams die Arbeit zusätzlich erschwert.

Davon, dass über 80-Jährige zu Hause geimpft werden können, ist auch auf den Internetse­iten verschiede­ner bayerische­r Kommunen zu lesen. Beispiel Landkreis Dachau: „In Ergänzung dazu werden mobile Impfteams den Landkreis betreuen und die Impfversor­gung in den Alten-, Pflege- und Behinderte­neinrichtu­ngen sowie Seniorenei­nrichtunge­n vornehmen. So können auch Menschen, die nicht mehr mobil sind (zum Beispiel bei Bettlägeri­gkeit) im Rahmen eines Hausbesuch­es versorgt werden.“Ähnliche Informatio­nen sind auch auf der Seite des Landkreise­s Augsburg zu finden: „Die mobilen Impfteams sind dem Impfzentru­m angegliede­rt und können beispielsw­eise die Versorgung von Risikogrup­pen in Altenund Pflegeheim­en, als auch im Einzelfall, die Impfung bettlägeri­ger Patienten zu Hause vornehmen.“

Die Bürgermeis­ter und Landräte seien zudem bemüht, vor Ort zusätzlich­e Angebote zu schaffen, erklärte Klaus Holetschek (CSU), Staatssekr­etär im Gesundheit­sministeri­um. „Es soll allen Senioren ermöglicht werden, sich impfen zu lassen, wenn sie das möchten.“

Franz Wölfl von der Landesseni­orenvertre­tung Bayern hält dies nicht nur für „gut, sondern für absolut notwendig. Man kann von jemandem, der über 80 ist und gepflegt wird, nicht einfach erwarten, dass er den Weg selbststän­dig in ein Impfzentru­m findet“, sagt er.

Auch Peter Bauer, Patientenu­nd Pflegebeau­ftragter der Bayerische­n Staatsregi­erung sowie pflegepoli­tischer Sprecher der FreieWähle­r-Landtagsfr­aktion, begrüßt das Vorgehen. „Schwachpun­kt der bundesweit­en Impfstrate­gie war von Anfang an, dass ambulant gepflegte sowie allein lebende, rüstige Senioren vernachläs­sigt bis vergesstaa­t sen wurden – und das, obwohl sie zwei Drittel aller zu pflegenden Menschen ausmachen.“Denn diese große Gruppe könne oftmals nur unter erschwerte­n Bedingunge­n oder auch gar nicht das Haus verlassen, weil sie mitunter bettlägeri­g seien.

Doch auch wenn das mobile Impfteam nach Hause kommt, bleibt da immer noch die Sache mit der Anmeldung für einen Impftermin. Gabi Steiner hat sich vorgenomme­n, das alleine zu organisier­en. In anderen Fällen, berichtet Seniorenbe­auftragter Wölfl, müssten Betroffene von Angehörige­n, Pflegedien­sten oder gesetzlich­en Betreuern unterstütz­t werden: bei den Terminen, aber auch beim Ausfüllen des Anamnesebo­gens und der Einwilligu­ngserkläru­ng zur Impfung.

In vielen bayerische­n Impfzentre­n werden die ersten Termine im Laufe des Januars vergeben. Gleiches gilt für die bundesweit­e Telefonhot­line 116 177 und die OnlinePlat­tform, die die Bayerische Staatsregi­erung zum Jahresbegi­nn an den Start bringen will.

Kommen die mobilen Impfteams nach Hause?

Viele sind auf die Hilfe der Angehörige­n angewiesen

 ?? Symbolfoto: Hendrik Schmidt, dpa ?? Seniorenve­rtreter betonen, dass ältere Menschen über 80, die nicht im Heim, sondern zu Hause leben, dort vielleicht sogar gepflegt werden, bei den Impfungen nicht ver‰ gessen werden dürfen.
Symbolfoto: Hendrik Schmidt, dpa Seniorenve­rtreter betonen, dass ältere Menschen über 80, die nicht im Heim, sondern zu Hause leben, dort vielleicht sogar gepflegt werden, bei den Impfungen nicht ver‰ gessen werden dürfen.

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