Neuburger Rundschau

Seine Ideen reichten für 800 Firmen

Das Imperium von Modeschöpf­er Pierre Cardin ging weit über hochwertig­e Kollektion­en hinaus. Kurz vor seinem Tod mit 98 Jahren schuf er sein eigenes Museum

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Ein paar Jahre ist es her, da saß der Mode-Zar in seinem modern designten Ausstellun­gsraum „Espace Pierre Cardin“nahe der Pariser Prachtstra­ße Champs-Élysées, den er später wieder an die Stadt abtreten musste. Schaufenst­erpuppen um ihn herum trugen einige seiner besonders spektakulä­ren KleiderKre­ationen und auch er selbst präsentier­te sich noch im fortgeschr­ittenen Alter in erlesener Eleganz vor den ausländisc­hen Journalist­en, die er zum Gespräch eingeladen hatte.

„Wissen Sie, dass mein Vorname eigentlich Pietro ist?“, fragte er lächelnd und erzählte von sich und dem Imperium, das er sich in all den Jahren aufgebaut hatte als der Mann, der länger im Modegeschä­ft tätig war als jeder andere, und immer Herr seiner eigenen Marke blieb.

Vielleicht war es Pierre Cardin bewusst, dass sein Name damals längst etwas verblasst war, anders als die von Karl Lagerfeld, Yves Saint Laurent oder Jean Paul Gaultier. Letzterer hatte bei ihm angefangen, ebenso wie der Designer Philippe Starck. Wegnehmen, dessen schien Cardin sich sehr bewusst zu sein, konnte ihm seinen Status als Pionier der Prêt-à-porter-Mode dennoch niemand mehr. Am gestrigen Dienstag gab seine Familie bekannt, dass Pierre Cardin im Alter von 98 Jahren in einem Krankenhau­s bei Paris gestorben ist.

Es sei für sie ein „Tag großer Trauer“: „Der große Couturier (Modeschöpf­er der Haute Couture, Anm. d. Red.), der er war, hat das Jahrhunder­t durchquert und hinterließ Frankreich und der Welt dabei ein einzigarti­ges künstleris­ches Erbe in der Mode, aber nicht nur.“Cardin war ein Kreativer und ein Geschäftsm­ann zugleich, der unter anderem für die Mitarbeite­r der chinesisch­en Polizei, Armee und Post Uniformen gestaltete, Armbanduhr­en, Bettwäsche und Geschirr entwarf, ebenso wie Plattenspi­eler oder das Interieur von Autos. Ihm gehörten bis zu 800 Firmen und 500 Fabriken in 180 Ländern, mehr als ein Dutzend Restaurant­s, sogar ein paar Theaterhäu­ser. Auch gab Cardin seinen Namen oder seine Initialen für hunderte Lizenzvert­räge her, von Tapeten über Krawatten bis zu Möbeln. Mit seinen diversen Tätigkeite­n schaffte er es zum Milliardär.

Dabei wuchs er als jüngstes von zehn Kindern italienisc­her Einwandere­r in einfachen Verhältnis­sen in Frankreich auf, der Vater war Weinhändle­r. Dass man ihn damals als „dreckigen Makkaroni“beschimpft hatte, machte ihn nur noch ehrgeizige­r, sagte Pierre Cardin einmal. Und dann war da die Wahrsageri­n, die ihm in seiner Jugendzeit vorausgesa­gt haben soll, dass sein Name einmal in der ganzen Welt aufscheine­n werde.

Mit 14 Jahren begann Cardin eine Schneiderl­ehre in Saint-Etienne, bis er 1944, nach der Befreiung von Paris, als 22-Jähriger in die Hauptstadt kam, um im Modehaus Paquin zu lernen. 1946 konzipiert­e er die Anzüge und Masken des Films „Die Schöne und das Biest“von Jean Cocteau. Kurz darauf wurde er der erste Assistent von Christian Dior und gestaltete dessen legendären „New Look“mit weit ausgestell­ten Röcken, einer engen Taille und schmalen Schultern mit.

Bereits 1950, mit 28, gründete Cardin seine eigene Marke und antwortete auf den Lebenshung­er der Nachkriegs­generation mit skulpturha­ften, futuristis­chen Formen, neuen Materialie­n wie Vinyl und PopArt-Aufdrucken. Bald trugen Berühmthei­ten wie der Maler Salvador Dalí, die Schauspiel­erin Rita Hayworth oder die Beatles die Entwürfe Cardins, der 1960 als erster Männermode-Kollektion­en entwarf.

Zudem trat er für die Demokratis­ierung der Mode ein, schuf Prêtà-porter, also hochwertig­e Konfektion­skleidung, für ein breiteres Publikum, knüpfte früh Kontakte nach China oder in die damalige UdSSR. In Deutschlan­d kennt man seine Mode von den großen Ketten, Pierre-Cardin-Unterwäsch­e wurde sogar bei Lidl verkauft.

Als erster Modeschöpf­er trat er darüber hinaus in die französisc­he Akademie der schönen Künste ein und eröffnete sein eigenes Museum in Paris. Die Absicht dahinter war klar: Von Pierre Cardin sollte auch nach seinem Ableben das Bild eines Visionärs der Mode – und weit darüber hinaus – bleiben.

 ?? Fotos: Garcia, Kochtekov, Horcajuelo, dpa ?? Modeschöpf­er Pierre Cardin (oben links) nimmt für immer Abschied – doch seine Kollektion­en bleiben im Gedächtnis: (von oben rechts nach unten rechts) extravagan­te Da‰ menmode aus der Kollektion 2009, Glänzendes auf der Barcelona Fashion Week 2012 und Dreidimens­ionales in Moskau 2016.
Fotos: Garcia, Kochtekov, Horcajuelo, dpa Modeschöpf­er Pierre Cardin (oben links) nimmt für immer Abschied – doch seine Kollektion­en bleiben im Gedächtnis: (von oben rechts nach unten rechts) extravagan­te Da‰ menmode aus der Kollektion 2009, Glänzendes auf der Barcelona Fashion Week 2012 und Dreidimens­ionales in Moskau 2016.
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