Die gefürchteten Jäger der Meere
Haie haben allein in Australien acht Menschen getötet. Doch Biologen verteidigen sie
Sydney Ob Weiße Haie, Tigerhaie, Bullenhaie und Hammerhaie: Rund 180 Arten der Raubfische leben in den Gewässern Australiens. Die Unterwasserräuber haben einen Ruf als kaltblütige Killer. Dennoch war die Gefahr, von einem Hai getötet zu werden, lange Zeit überraschend gering. Fünf Jahrzehnte lang gab es durchschnittlich nur eine tödliche Attacke pro Jahr. 2019 verlor in Australien sogar kein einziger Surfer oder Schwimmer durch einen Hai sein Leben. 2020 war das plötzlich anders. Acht Menschen haben Angriffe nicht überlebt. War das Pech oder gibt es Grund zur Sorge?
Seit den 30er Jahren habe es nicht mehr so viele Bisse mit tödlichen Folgen gegeben, sagt die Hai-Expertin Phoebe Meagher vom berühmten Taronga-Zoo in Sydney. Das würde zwar viele Leute verängstigen, aber es gebe keinen Grund, jetzt in Panik zu geraten und hinter jedem Schatten im Wasser einen Weißen Hai zu vermuten.
„Das war schon irre. Jeder dachte: ,Die Haie spielen verrückt!‘ Aber tatsächlich ist die Zahl der Angriffe insgesamt in den letzten 10 bis 20 Jahren relativ konstant geblieben“, sagt Culum Brown, Meeresbiologe an der Macquarie-Universität in Sydney. In den vergangenen Jahren hätten viele Verletzte schlicht Glück gehabt, weil sie von Notfallteams schnell versorgt werden konnten. „Es gibt wirklich nur zwei Faktoren, die wichtig sind, wenn Sie von einem Hai gebissen werden: Wo er Sie beißt und wie schnell Sie Hilfe bekommen können.“In diesem Jahr sei in beiden Punkten sehr viel Pech im Spiel gewesen. Nicht provozierte Angriffe sind meistens auf eine Verwechslung
seitens der Haie zurückzuführen. „Menschen stehen normalerweise nicht auf ihrem Speiseplan“, erklärt Meagher. „Meistens beißen sie Menschen nur einmal und schwimmen dann weg.“Haifische seien in einem Image gefangen, das Filme wie „Der Weiße Hai“erzeugt hätten. „Dabei sind sie in Wirklichkeit gar keine Ungeheuer.“In den Ozeanen rund um Australien tummelten sich tausende der Tiere, die aber nur extrem selten Menschen beißen würden. Das sollte die Leute beruhigen: „Es ist viel wahrscheinlicher, an unseren Stränden zu ertrinken als durch einen Hai zu sterben.“
Neben Australien sind die USA ein Hotspot für Attacken von Haien auf Menschen, insbesondere die Küste vor Florida. Weltweit geht die Wildtier-Stiftung WWF von rund 100 Hai-Angriffen jährlich aus, wovon nur ein Bruchteil tödlich endet. „Hingegen werden jedes Jahr Hunderttausende von Haien durch Menschen direkt oder indirekt getötet“, schreibt die Stiftung auf ihrer Internetseite. Entlang von Korallenriffen etwa würden die Haie nur ihr Territorium gegen menschliche Eindringlinge verteidigen.
Auch Robert Harcourt, der das Verhalten von Haien an der Macquarie-Universität erforscht, ist trotz der gestiegenen Todeszahl nicht besorgt. „Das war einfach Pech“, meint er. Aber er hat Tipps parat: So rät er dringend davon ab, in Buchten ins Wasser zu gehen, in denen sich große, fette Fische ansammeln – denn dort gehen Haie auf Jagd. Auch spiele die Tageszeit eine Rolle: Viele Angriff ereigneten sich früh morgens oder in der Abenddämmerung.