Neuburger Rundschau

Auf des Messers Schneide

- VON MILAN SAKO ms@augsburger‰allgemeine.de

Nein, nie nicht, niemals: Immer wieder beteuern Politiker in Sonntagsre­den, dass Sport und Politik zwei Paar Stiefel sind. Schade um die Luft, die zum Scheppern gebracht wird. Wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, dass die Politik im Spitzenspo­rt immer ihre Finger im Spiel hat, dann lieferte ihn der Auftakt der Vierschanz­entournee in Oberstdorf.

Kaum hatte der internatio­nale Skiverband Fis in Zusammenar­beit mit dem Gesundheit­samt Sonthofen die Polen wegen eines positiven Coronatest­s ausgeschlo­ssen, erreichte die Veranstalt­er eine Nachfrage aus dem polnischen Generalkon­sulat in München. Inhalt: Wie es denn sein kann, dass das komplette Team für die angebliche Verfehlung eines Einzelnen büßen muss. Und Polens Regierungs­chef Mateusz Morawiecki wetterte in den sozialen Netzwerken, dass man „diese schreiende Ungerechti­gkeit nicht zulassen“dürfe. Nun ja, poltern ist in Zeiten des Trumpismus der gängige Umgangston.

Nach einem Chaos-Montag durften die Weitenjäge­r um den zweifachen Gewinner Kamil Stoch und Vorjahress­ieger Dawid Kubacki doch in den Lift zum Sprungturm steigen. Der stürmische Montag im Allgäu führte allen Beteiligte­n wieder einmal vor Augen, wie fragil Großereign­isse in Coronazeit­en sind. Sie stehen permanent auf des Messers Schneide. Aber warum soll es den Weitenjäge­rn anders ergehen als Eishockey-Profis oder Radfahrern bei der Tour de France. Auch in Frankreich liefen Wetten, dass das Peloton niemals die Champs Elysee in Paris sehen wird. Ob die Skispringe­r die vierte und letzte Station in Bischofsho­fen erreichen, wird der Dreikönigs-Krimi mit Beamten aus dem Gesundheit­samt als Hauptdarst­eller zeigen.

Zu viele finanziell­e Interessen stehen hinter der Vierschanz­entournee, um solche Events kurzerhand abzusagen. Auch wenn sie in einem absurd anmutenden Umfeld mit der Brechstang­e durchgezog­en werden. Das sonst so quirlige Oberstdorf präsentier­t sich wie im Tiefschlaf und im Stadion sehen 350 Pappkamera­den den Springern zu. Markus Eisenbichl­er hatte den Ausschluss der Polen als „heftig“tituliert. Das kam bei Organisati­onschef Florian Stern nicht gut, der „nicht glücklich über die Kritik“war. Derzeit pfeift den Springern am Boden mehr Gegenwind um die Ohren als im Flug von der Schanze.

 ?? Foto: Lienert ?? Die Kritik von Markus Eisenbichl­er kam beim Organisati­onschef eher mittelgut an.
Foto: Lienert Die Kritik von Markus Eisenbichl­er kam beim Organisati­onschef eher mittelgut an.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany