Ausschluss Polens wird zum Politikum
Auch wenn sich das Generalkonsulat und die Regierung in Warschau zu Wort melden: Die Entscheidung, dass Stoch, Kubacki & Co. doch starten dürfen, trifft allein das Gesundheitsamt. Renndirektor spricht von „fairster Lösung“
Oberstdorf Immerhin darüber bestand Einigkeit. Die alleinige Entscheidungsmacht, wer in Oberstdorf skispringen darf und wer nicht, trifft in Corona-Zeiten nicht der Veranstalter und auch nicht der Internationale Skiverband, sondern ausschließlich das Gesundheitsamt. „Die Entscheidungen der Behörden haben wir auch in Ruka und Planica akzeptiert“, sagte Sandro Pertile, der Renndirektor des Internationalen Skiverbandes. Zusammen mit Florian Stern vom Organisationskomitee in Oberstdorf versuchte Pertile bei einer eilends einberufenen Online-Pressekonferenz am Dienstagvormittag, das Wirrwarr um den Ausschluss und die Wiederzulassung der polnischen Skisprung-Nationalmannschaft aufzulösen. Mit am spannendsten war sicher die Frage, ob denn die Zurücknahme der Sperre auf politischen Druck erfolgt sei. Schließlich hatte sich Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki auf Facebook zu Wort gemeldet, man „dürfe diese schreiende Ungerechtigkeit nicht zulassen“. Auch das polnische Generalkonsulat in München habe eine Nachricht nach Oberstdorf geschickt und um Aufklärung gebeten, erzählte Stern. Maßgeblich sei allein das Gesundheitsamt in Sonthofen gewesen: Es hatte die zunächst verordnete Quarantäne für den angeblich infizierten Springer Klemens Muranka aufgehoben – ebenso wie die seiner sechs Teammitglieder. In einer Pressemitteilung der Tournee wird Dr. Ludwig Walters, der Medizinaldirektor des Gesundheitsamtes Oberallgäu,
mit folgender Aussage zitiert: „In kritischer Würdigung sämtlicher Umstände wurden am Montagabend nochmals PCR-Testungen sämtlicher Teammitglieder vorgenommen.“Mit Vorliegen der sämtlich negativen Befunde sei Polens Nationalteam damit aus behördlicher Sicht sofort wieder freigegeben. Was Otto-Normal-Patient ziemlich erzürnen dürfte (ein Negativtest reicht nämlich in aller Regel nicht für das Ende einer Quarantäne), kam in der Skisprung-Szene natürlich gut an. Man war sich einig, ein Wettbewerb mit den Polen sei sportlich wertvoller als einer ohne. Auch Sandro Pertile sprach „von der fairsten Lösung für alle“. Bei der Mannschaftsführersitzung habe niemand gegen die Wiederzulassung der Polen gestimmt: „Wir sind eine Familie. Jeder war glücklich, dass alle dabei sein dürfen.“
Eine Erklärung, warum Murankas erster Test positiv, zwei weitere aber negativ waren, wurde nicht geliefert. Stern sprach von einer „sehr unangenehmen Situation“, äußerte selbst sein Befremden darüber, wie ein Test erst „klar positiv“und dann „zweimal klar negativ“sein könne und stellte abschließend klar: „Natürlich ist es nicht Sinn der Sache, so lange zu testen, bis endlich ein negatives Ergebnis rauskommt.“Fast erleichtert sagte er schon vor dem ersten Wertungsspringen am Dienstag: „Wir in Oberstdorf sind jetzt hoffentlich überm Berg. Aber das Thema geht in Garmisch, Innsbruck und Bischofshofen ja weiter.“Will heißen, Fans und Veranstalter werden sich daran gewöhnen müssen, dass Corona-Tests Einfluss auf den Sport haben werden. Die Qualifikation vom Montag wurde im Nachhinein als nichtig erklärt, Sieger Philipp Aschenwald dürfe sein Preisgeld von 5000 Euro aber aller Wahrscheinlichkeit nach behalten.
Auch ein deutscher Physiotherapeut war bei der Serientestung in Oberstdorf positiv getestet worden, hatte aber nach Verbandsangaben keinen Kontakt zum Team. Bei zwei weiteren Tests wurde er – wie Muranka – jeweils negativ getestet.