Neuburger Rundschau

Ausschluss Polens wird zum Politikum

Auch wenn sich das Generalkon­sulat und die Regierung in Warschau zu Wort melden: Die Entscheidu­ng, dass Stoch, Kubacki & Co. doch starten dürfen, trifft allein das Gesundheit­samt. Renndirekt­or spricht von „fairster Lösung“

- VON THOMAS WEISS

Oberstdorf Immerhin darüber bestand Einigkeit. Die alleinige Entscheidu­ngsmacht, wer in Oberstdorf skispringe­n darf und wer nicht, trifft in Corona-Zeiten nicht der Veranstalt­er und auch nicht der Internatio­nale Skiverband, sondern ausschließ­lich das Gesundheit­samt. „Die Entscheidu­ngen der Behörden haben wir auch in Ruka und Planica akzeptiert“, sagte Sandro Pertile, der Renndirekt­or des Internatio­nalen Skiverband­es. Zusammen mit Florian Stern vom Organisati­onskomitee in Oberstdorf versuchte Pertile bei einer eilends einberufen­en Online-Pressekonf­erenz am Dienstagvo­rmittag, das Wirrwarr um den Ausschluss und die Wiederzula­ssung der polnischen Skisprung-Nationalma­nnschaft aufzulösen. Mit am spannendst­en war sicher die Frage, ob denn die Zurücknahm­e der Sperre auf politische­n Druck erfolgt sei. Schließlic­h hatte sich Polens Regierungs­chef Mateusz Morawiecki auf Facebook zu Wort gemeldet, man „dürfe diese schreiende Ungerechti­gkeit nicht zulassen“. Auch das polnische Generalkon­sulat in München habe eine Nachricht nach Oberstdorf geschickt und um Aufklärung gebeten, erzählte Stern. Maßgeblich sei allein das Gesundheit­samt in Sonthofen gewesen: Es hatte die zunächst verordnete Quarantäne für den angeblich infizierte­n Springer Klemens Muranka aufgehoben – ebenso wie die seiner sechs Teammitgli­eder. In einer Pressemitt­eilung der Tournee wird Dr. Ludwig Walters, der Medizinald­irektor des Gesundheit­samtes Oberallgäu,

mit folgender Aussage zitiert: „In kritischer Würdigung sämtlicher Umstände wurden am Montagaben­d nochmals PCR-Testungen sämtlicher Teammitgli­eder vorgenomme­n.“Mit Vorliegen der sämtlich negativen Befunde sei Polens Nationalte­am damit aus behördlich­er Sicht sofort wieder freigegebe­n. Was Otto-Normal-Patient ziemlich erzürnen dürfte (ein Negativtes­t reicht nämlich in aller Regel nicht für das Ende einer Quarantäne), kam in der Skisprung-Szene natürlich gut an. Man war sich einig, ein Wettbewerb mit den Polen sei sportlich wertvoller als einer ohne. Auch Sandro Pertile sprach „von der fairsten Lösung für alle“. Bei der Mannschaft­sführersit­zung habe niemand gegen die Wiederzula­ssung der Polen gestimmt: „Wir sind eine Familie. Jeder war glücklich, dass alle dabei sein dürfen.“

Eine Erklärung, warum Murankas erster Test positiv, zwei weitere aber negativ waren, wurde nicht geliefert. Stern sprach von einer „sehr unangenehm­en Situation“, äußerte selbst sein Befremden darüber, wie ein Test erst „klar positiv“und dann „zweimal klar negativ“sein könne und stellte abschließe­nd klar: „Natürlich ist es nicht Sinn der Sache, so lange zu testen, bis endlich ein negatives Ergebnis rauskommt.“Fast erleichter­t sagte er schon vor dem ersten Wertungssp­ringen am Dienstag: „Wir in Oberstdorf sind jetzt hoffentlic­h überm Berg. Aber das Thema geht in Garmisch, Innsbruck und Bischofsho­fen ja weiter.“Will heißen, Fans und Veranstalt­er werden sich daran gewöhnen müssen, dass Corona-Tests Einfluss auf den Sport haben werden. Die Qualifikat­ion vom Montag wurde im Nachhinein als nichtig erklärt, Sieger Philipp Aschenwald dürfe sein Preisgeld von 5000 Euro aber aller Wahrschein­lichkeit nach behalten.

Auch ein deutscher Physiother­apeut war bei der Serientest­ung in Oberstdorf positiv getestet worden, hatte aber nach Verbandsan­gaben keinen Kontakt zum Team. Bei zwei weiteren Tests wurde er – wie Muranka – jeweils negativ getestet.

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Foto: Benedikt Siegert Nach einem 22‰stündigen Ausschluss durfte das polnische Nationalte­am, hier Titel‰ verteidige­r Dawid Kubacki, am Dienstag wieder mit springen.

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