Der Redakteur
„Mancher Kritiker hatte seine eigenen Fakten“
2020 kann nicht schlimmer werden, dachte ich Ende 2019. Und 2019 war ja bereits herausfordernd. Es hatte Journalisten große „Nachrichtenlagen“und Megathemen gebracht. Sowie eine weitere Polarisierung der öffentlichen Debatte. Für unsere Redaktion und für mich als Redakteur endete es mit einem Shitstorm ungekannten Ausmaßes – nach Artikeln über einen neurechten Influencer, der seine Follower auf uns hetzte. „Hass und Hetze“waren meine „(Un-)Wörter 2019“.
Auch 2020 sind sie es. Plus: Corona-Kritiker, Corona-Leugner, Corona-Demo. Die Pandemie wurde zum Gigathema, aber die Megathemen (Klimawandel, Flüchtlingspolitik) blieben, erweitert um die USWahl. Die Dauerthemen blieben ebenfalls: Rechts- und Linksextremismus, Islamismus, sogar der Rundfunkbeitrag. Und es blieben Hass und Hetze. Was für ein Jahr!
Unter anderem für mich bedeutete dies, dass ich nicht nur über einiges zu berichten hatte, sondern auch attackiert wurde (zum Glück nicht physisch) – als Vertreter der angeblichen „Lügenpresse“. Spurlos ist das an mir nicht vorübergegangen. Doch was folgt aus all dem?
Im Oktober suchte unsere Redaktion
das Gespräch mit Corona-Kritikern. Es war ein freundliches Gespräch, in dem wir unsere Arbeit erklärten – zum Beispiel, dass wir Fakten prüfen und einordnen, bevor wir etwas veröffentlichen. Mancher Corona-Kritiker jedoch hatte seine „eigenen Fakten“und glaubte lieber Verschwörungsmythen.
Was tun?, habe ich mich 2020 oft gefragt. Die Antwort, die ich mir gebe, klingt banal. Ist sie aber nicht, wenn man sie täglich mit Leben füllen muss: gesprächsbereit bleiben, (selbst-)kritisch bleiben, professionell bleiben. 2021 kann nur besser werden, denke ich.