Der OpernTenor
„Ich habe das Vertrauen ziemlich verloren“
Ich bin ängstlicher geworden, negativer, misstrauischer, hoffnungsloser. Ich habe das Vertrauen in die Menschheit ziemlich verloren. Der Beginn der Krise zeigte mir, dass man sich nicht auf jeden verlassen kann. Es hat sich berufsmäßig herausgestellt, auf wen man bauen kann – und auf wen nicht. Ich meine damit vor allem die Kulturpolitik als solche. Für mich hallt der Satz von Söder nach, dass für ihn ein Wochenende ohne Fußball ein verlorenes Wochenende sei. Und mir klingelt noch in den Ohren die Reaktion einzelner Opern-Intendanten, die sämtliche Betriebsrisiken aus den Gastverträgen auf die jeweiligen Gastsolisten abwälzten. Eigentlich wollte ich auswandern, aber es ist ja nirgendwo besser.
Perspektivlosigkeit ist das, was Corona mit mir gemacht hat. Ich habe auch schon überlegt, ob ich meinen Beruf aufgebe und etwas anderes mache, nämlich eine Schreinerlehre. Aber Theater und Singen ist für mich eben doch wichtiger, und ein bisschen beherrsche ich das ja auch. Wenn du deine Rücklagen aufgebraucht hast, die eigentlich für die Rente gedacht waren, dann beginnt das Konto in den fünfstelligen Minusbereich zu rutschen und es beginnt der Kampf ums Überleben. Sollten die Theater spätestens im September 2021 wieder aufsperren, ist die Hoffnung auf einen einigermaßen normalen Wiedereinstieg in den Beruf gegeben. Bis dahin genieße ich wenigstens die vielen gemeinsamen Tage mit der Familie zu Hause – mein größtes Glück. Übrigens: Nach Monaten des Nichtsingens von Februar bis November war meine Stimme jetzt erstaunlich frisch und unglaublich gesund bei einer Aufnahme von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“in Paris. Ich sang wieder einmal den Mime, für Radio France. (rh)