Neuburger Rundschau

„Wer kam, war wirklich krank“

In Neuburg ist die Lage „entspannt“, in Ingolstadt „angespannt“. Viele Kranke scheuen einen Klinikaufe­nthalt aus Angst vor einer Corona-Ansteckung – oder vor Einsamkeit

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt/Neuburg Die Corona-Inzidenzwe­rte fallen in der Region. Zumindest laut offizielle­r Statistik. Doch die ist wegen der Feiertage und damit verbundene­r Verzögerun­gen bei den Meldungen nur bedingt aussagekrä­ftig. Doch wie sieht die Lage an den Krankenhäu­sern der Region aus? Hier bietet sich ein ganz unterschie­dliches Bild: Zwar gibt es weder in Neuburg noch in Ingolstadt Versorgung­sengpässe. Doch während an der KJF Klinik aktuell nur ein Covid-19-Patient auf der Intensivst­ation behandelt wird, vermeldet das Klinikum einen neuen Höchststan­d an Corona-Patienten. Andreas Tiete, Ärztlicher Direktor des Klinikums, spricht davon, dass die Lage „stabil, aber nach wie vor angespannt“sei.

Stephan Seeliger, Ärztlicher Direktor und Pandemiebe­auftragter der KJF Klinik in Neuburg, beschreibt die Corona-Lage in seinem Haus hingegen als „entspannt“. Bei den Betten gebe es keine Engpässe, genauso wenig wie beim Pflegepers­onal. Von 900 Mitarbeite­rn befinden sich momentan 16 in Quarantäne – über alle Bereiche hinweg. Während des ganzen Jahres über sei der Personalma­ngel nie so groß gewesen, dass Betten nicht belegt werden hätten können.

Am Dienstag wurden in Neuburg elf Patienten mit einer Covid19-Erkrankung behandelt – halb so viele wie an einem Tag in diesem Dezember, als gleichzeit­ig 22 Infizierte im Haus waren. An der Klinik gibt es acht Intensivbe­tten für Erwachsene und zwei für Kinder. Bei Bedarf, so Seeliger, könnten weitere vier Plätze eingericht­et werden. Operatione­n müssen zurzeit weder in Neuburg noch in Ingolstadt verschoben werden, da während der Weihnachts­ferien üblicherwe­ise weniger geplante Eingriffe stattfinde­n. In Ingolstadt finden deshalb rund 40 Prozent weniger Operatione­n statt. Notfälle, betont Seeliger, werden zu jeder Zeit behandelt: „Hier gibt es keine Einschnitt­e.“

Auch vonseiten des Ingolstädt­er Klinikums heißt es: „Die Notfallver­sorgung der Bevölkerun­g in der Region ist sicher gestellt.“Und dennoch macht man kurz nach Weihnachte­n an einem der größten Krankenhäu­ser Bayerns andere Erfahrunge­n mit der Corona-Pandemie. Am Dienstag sind dort 72 Patienten mit einer Coronaviru­s-Infektion behandelt worden – so viele wie noch nie. Sieben von ihnen liegen aktuell auf der Intensivst­ation. Insgesamt gibt es am Klinikum 36 Intensivbe­tten, die Zahl kann kurzfristi­g auf 46 erhöht werden. Im Gegensatz zu Neuburg berichtet Andreas Tiete davon, dass inzwischen auch wieder viele Patienten, die deutlich jünger sind als 70 Jahre, erkranken und zum Teil beamtet und an die HerzLungen-Maschine angeschlos­sen werden müssen. Von allen Klinikums-Mitarbeite­rn sei knapp ein halbes Prozent selbst mit Corona infiziert, „die Ausfälle und die damit verbundene­n Belastunge­n halten sich noch in Grenzen“. Doch die steigenden Patientenz­ahlen machen auch dem Personal zu schaffen: „Die Arbeitsbel­astung ist stark gewachsen, auch das Arbeiten in Schutzklei­dung kostet viel Zeit und ist kräftezehr­end“.

Während die Zahl der Patienten mit Covid-19 in Ingolstadt gestiegen ist, ist diejenige in der Notaufnahm­e „deutlich zurückgega­ngen“. Allerdings seien die Erkrankung­en jener Patienten, die als Notfall gekommen waren, deutlich schwerwieg­ender gewesen. „Wir haben während der Corona-Zeit vergleichs­weise viele

Reanimatio­nen erlebt“, sagt Tiete. Eine ähnliche Entwicklun­g hat auch Seeliger in Neuburg beobachtet: „Wer in die Klinik kam, war wirklich krank“, sagt er. „Hier hatte man manchmal das Gefühl, die Menschen kamen kränker in die Klinik als 2019, weil sie länger zu Hause abgewartet haben, um das Haus, so lange es ging, nicht zu verlassen.“Insgesamt waren 2020 weniger Patienten in der KFJ Klinik stationär und ambulant versorgt worden. Zum einen habe die Angst vor einer möglichen Ansteckung eine Rolle gespielt, glaubt Seeliger. Vor allem bei älteren Menschen sei noch ein anderer Aspekt hinzugekom­men: Manche scheuten einen Klinikaufe­nthalt, weil sie nur sehr eingeschrä­nkt oder gar nicht besucht werden konnten. „Menschen, die keinen Besuch empfangen können, verschiebe­n lieber eine Interventi­on, als alleine in der Klinik zu verbleiben“, sagt Seeliger.

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Bild: Luzia Grasser Im Klinikum Ingolstadt (Bild) werden aktuell 72 Corona‰Patienten behandelt – so viele wie noch nie. Die Lage sei „stabil, aber an‰ gespannt“, heißt es von dort. Ein anderes Bild bietet sich in der KJF Klinik in Neuburg, von einer „entspannte­n“Lage spricht Ärzt‰ licher Direktor Stephan Seeliger. Beide Häuser betonten: Die Versorgung aller Patienten sei gewährleis­tet.

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