Neuburger Rundschau

„Die Leute haben uns die Bude eingerannt“

Christine Grießhamme­r ist seit sieben Jahren Verkäuferi­n im Dorfladen Bergheim. Sie blickt zurück auf den Kampf um Klopapier und Hefe, angespannt­e Kunden und eine gute Nachricht im Dezember

- VON ANDREAS SCHOPF

Das Corona-Jahr 2020 wird in die Geschichte eingehen, und jede Berufsgrup­pe dürfte es anders erlebt haben. Wir stellen in einer Serie einige Perspektiv­en aus dem Raum Neuburg vor – und was sich die Betroffene­n für das neue Jahr wünschen.

Neuburg Betrachtet man nur den Umsatz, war es ein gutes Jahr für den Dorfladen Bergheim. „Wir haben viele neuen Kunden gewonnen, auch von außerhalb“, sagt Christine Grießhamme­r. Sie ist seit sieben Jahren Verkäuferi­n im kleinen Nahversorg­er. Ein Jahr wie dieses hat sie noch nicht erlebt. „Es war turbulent“, sagt die 58-Jährige. Im Frühjahr, als die Corona-Pandemie ihren Anfang nahm und die Menschen vor einer ungewissen Zukunft standen, ging es los mit den „Hamsterkäu­fen“. „Die Leute haben uns die Bude eingerannt“, erinnert sich Grießhamme­r, die aus Gaimershei­m stammt. Besonders gefragt waren haltbare Grundnahru­ngsmittel, wie Nudeln oder Reis. Da man in diesem Segment rechtzeiti­g nachbestel­lt hatte, kam man der Nachfrage hinterher und die Regale waren nur fast leer, berichtet die Verkäuferi­n. Anders sah es aus mit dem Klopapier. Die weißen Rollen waren zeitweise gefragt wie kaum etwas im Laden. Wie viele andere Supermärkt­e rationiert­e auch der Dorfladen. Erlaubt war nur noch eine Packung Klopapier pro Haushalt. Manche Kunden haben mehrere Packungen genommen und gesagt, dass sie damit andere mitversorg­en. „Nachkontro­llieren konnten wir das natürlich nicht“, sagt Grießhamme­r. Die riesige Nachfrage sorgte dafür, dass zwischenze­itlich kein Toilettenp­apier mehr lieferbar war. „Ein Drama“sei auch das Thema Hefe gewesen. „Plötzlich wollte jeder sein Brot selber backen“, so Grießhamme­r. Die kleinen Hefe-Würfelchen waren also schnell ausverkauf­t. Im Dorfladen wusste man sich zu helfen. Man nahm einen großen Hefe-Block von Lederer, der Bäckerei hinter dem Geschäft, schnitt kleine Stückchen zu je 30 Gramm ab und verkaufte diese. „Die gingen sehr gut weg“, sagt Grießhamme­r.

Aufgrund einer Vorerkrank­ung zählt sie selbst zur Risikogrup­pe. Die Sorge, sich bei der Arbeit mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, sei deshalb immer dabei gewesen. Zumal die Kunden im Getümmel den nötigen Abstand nicht immer einhielten – trotz Linien auf dem Boden, sagt Grießhamme­r. Schnell wurde eine Plexiglass­cheibe angebracht, um das Personal hinter der Kasse zu schützen.

Die Umstände in diesem Jahr brachten es mit sich, dass Verkäufer plötzlich eine nicht gekannte Aufmerksam­keit erfuhren. „Manche Kunden haben sich bei uns bedankt, dass wir weitermach­en. Das ist gut runtergega­ngen“, freut sich Grießhamme­r.

Doch die Stimmung war zum Teil auch anders. Die Verkäuferi­n hat die Kunden angespannt­er als sonst erlebt, es gab mitunter Diskussion­en. „Mancher hatte kein Verständni­s dafür, dass etwas ausverkauf­t ist.“Auch die Tatsache, dass im Dorfladen keine Kartenzahl­ung möglich war, sorgte für „giftige“Rückmeldun­gen. „Mancher Kunde hat seinen Einkauf sogar stehenlass­en, weil er nicht mit Karte zahlen konnte“, berichtet Grießhamme­r. Ihr selbst wäre es aus Hygienegrü­nden lieber gewesen, nicht mit Bargeld hantieren zu müssen. Zumal sie nach jedem Kassiervor­gang ihre Einweghand­schuhe wechseln und sich die Hände desinfizie­ren musste. „Für die Haut ist das nicht gut.“Erst jetzt, im Dezember, bekamen Grießhamme­r und ihre Kolleginne­n das lang ersehnte Gerät zur Kartenzahl­ung.

Zuletzt hat sich die Lage im Dorfladen entspannt. Lediglich zu Beginn der zweiten Corona-Welle im Herbst habe es noch einmal eine kleine Klopapier-Not gegeben. Doch die legte sich schnell. „Es wurde nicht mehr gehamstert“, sagt Grießhamme­r.

Ihr Wunsch für 2021 ist, dass die Situation sich wieder normalisie­rt. Vor allem die Gesichtsma­sken, die sie als Verkäuferi­n den ganzen Tag tragen muss, seien belastend. „Man bekommt schlecht Luft und versteht sich gegenseiti­g schlechter.“

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Foto: Schopf Christine Grießhamme­r ist Verkäuferi­n im Dorfladen Bergheim.
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