Neuburger Rundschau

Im Zentrum der Macht

Der ehemalige Kommodore des Neuburger Luftwaffen­geschwader­s, Frank Gräfe, war in Neuburg für jeden Spaß zu haben. Inzwischen ist der 52-Jährige General und Militäratt­aché in Washington

- Interview: Gloria Geissler

Herr Gräfe, Militäratt­aché in Washington klingt aufregend, ist es der Job auch?

Frank Gräfe: Oh ja, es ist eine sehr interessan­te Aufgabe. Ich sitze hier mitten im politische­n Zentrum der Welt, das ist schon spannend. Allerdings gerade im Homeoffice...

Homeoffice klingt nicht besonders aufregend...

Gräfe: Wir rotieren im zweiwöchen­tlichen Wechsel zwischen Büro und Homeoffice, das ist schon okay. Viel findet online statt, aber der Kontakt zu den Menschen fehlt natürlich – und das ist eine meiner zentralen Aufgaben.

Was macht ein Militäratt­aché eigentlich genau?

Gräfe: Ich bin Verteidigu­ngsattaché und zeitgleich Luftwaffen­attaché, das heißt, ich bin der Leiter des Militäratt­aché-Stabs. Ich bin dem Auswärtige­n Amt zugeordnet und habe einen Diplomaten­pass. Um meinen Job kurz zusammenzu­fassen: viel reden, viel schreiben, viel netzwerken.

Heißt konkret?

Gräfe: Wir sind das Kommunikat­ionselemen­t zwischen der Bundeswehr und den US-Streitkräf­ten. Wir berichten nach Deutschlan­d über technische und strukturel­le Entwicklun­gen, repräsenti­eren Deutschlan­d in den USA und sorgen dafür, das Verhältnis der beiden Länder weiter zu verbessern.

Mit der Wahl von Joe Biden zum USPräsiden­ten scheint sich die Beziehung der USA zu Deutschlan­d wieder zu verbessern, oder?

Gräfe: Unser Verhältnis zu den amerikanis­chen Militärs könnte nicht besser sein, viele von ihnen haben sogar in Deutschlan­d gedient und sprechen mich auf deutsch an. Und auch die Bevölkerun­g war mir gegenüber bisher immer sehr positiv gestimmt.

Wie sieht denn so ein Arbeitstag in Washington aus?

Gräfe: Wenn ich hier aufstehe, ist in Deutschlan­d ja schon viel passiert, deswegen lese ich erst einmal Pressespie­gel, US-Medien und diverse Berichte. Dann gibt es eine Morgenbesp­rechung und diverse Treffen im internatio­nalen Rahmen, die oft in ein Mittagesse­n gekleidet sind. Außerdem gibt es in den USA viele sogenannte „think tanks“, zu denen ich eingeladen werde.

Was sind denn „think tanks“?

Gräfe: Am besten kann man das wohl mit „Denkfabrik­en“beschreibe­n. Ehemalige Politiker, Generäle und diverse Spezialist­en treffen sich zu einem ganz bestimmten Thema, das dann wissenscha­fts- und forschungs­mäßig rundum aufgearbei­tet wird in Vorträgen oder Workshops. Da kommt man natürlich mit vielen gut informiert­en Leuten zusammen, die wertvolle Hintergrun­dinformati­onen liefern können.

Und wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Gräfe: Viel Freizeit bleibt nicht. Außerhalb der Corona-Zeiten finden an den Abenden und auch am Wochenende Empfänge oder Feierlichk­eiten, zum Beispiel im Rahmen von Nationalfe­iertagen der vielen in Washington vertretene­n Botschafte­n statt. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich hier hauptsächl­ich berufliche Kontakte habe.

Das war in Neuburg anders...

Gräfe: Allerdings. Ich bin fast ein halbes Jahr von Neuburg nach Berlin gependelt, weil mir der Abschied so schwerfiel. Nach wie vor bin ich in einigen Vereinen Mitglied und freue mich immer, wenn ich über Facebook oder WhatsApp Kontakt habe zu Freunden und Bekannten. Und zum nächsten Schloßfest will ich natürlich auch unbedingt kommen.

Welche typisch deutschen Eigenschaf­ten lernt man nach über einem Jahr in den USA schätzen?

Gräfe: Wir Deutschen haben eines der besten Sozial- und Gesundheit­ssysteme der Welt, das ist uns oft nicht bewusst, und auch dass wir in einem liberalen, vielfältig­en Land leben dürfen, das unterschie­dliche Lebensform­en erlaubt. Außerdem finde ich unser ausgeprägt­es Umweltbewu­sstsein super, das wurde mir erst neulich wieder bewusst.

Was ist passiert?

Gräfe: Ich bin, wie ich das aus Deutschlan­d kenne, mit einer Handvoll alter Batterien in den Supermarkt, um sie zu entsorgen. Als ich den Herrn an der Kasse, fragte, wo das denn möglich sei, schaute er mich groß an. Batterien werden in Amerika nicht entsorgt, sondern einfach in den Müll geworfen.

Wie lang bleiben Sie denn noch in den USA?

Gräfe: Insgesamt sind es drei Jahre, die ich an das Auswärtige Amt ausgeliehe­n bin. Bis August 2022 bin ich also noch hier. Wie es dann mit mir weiter geht, weiß ich noch nicht. Ich bin selbst gespannt.

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Foto: Carlo Neger Washington ist seine derzeitige Heimat: Frank Gräfe, 2013 bis 2015 Kommodore des Neuburger Luftwaffen­geschwader­s, ist nun General und Militäratt­aché.
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Foto: Habermeier Seine Leidenscha­ft galt der Fliegerei, doch der berufliche Aufstieg brachte es mit sich, dass Frank Gräfe keinen Eurofighte­r mehr fliegt, wie hier 2015.
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Foto: xh 2013 war Frank Gräfe beim Volksfest‰ Dreikampf im Einsatz.

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