Neuburger Rundschau

Männer verdienen deutlich mehr als Frauen

Die Lohnlücke zwischen den Geschlecht­ern ist in Ingolstadt so groß wie fast nirgends in Deutschlan­d. Im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen beträgt sie knapp 600 Euro. Warum das so ist und was man dagegen tun kann

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Nach wie vor gibt es in der Region eine große Lohnlücke zwischen den Geschlecht­ern. Was man dagegen tun kann.

Ingolstadt/Neuburg‰Schrobenha­usen Eine Frau, die in Ingolstadt arbeitet, verdient knapp 2000 Euro brutto im Monat weniger als ein Mann, der dort seinen Lebensunte­rhalt verdient. So gibt es die Bundesagen­tur für Arbeit im aktuellen Bericht über Sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsent­gelte (Stand 31. Dezember 2019) an. Im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n ist diese Lohnlücke – auch Gender Pay Gap genannt – zwar deutlich geringer, aber sie beträgt immerhin noch 594 Euro. Warum ist da so?

Dass Frauen generell weniger verdienen als Männer, hat mehrere Gründe, unter anderem den, dass Frauen seltener Führungspo­sitionen erreichen. Doch dass die Lücke gerade am Arbeitsort Ingolstadt dermaßen hoch ist, erklärt Barbara Deimel, Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt Ingolstadt, so: In der kreisfreie­n Stadt ist der Arbeitsmar­kt gewerblich-technisch geprägt. Gemeint ist damit insbesonde­re der Automobilh­ersteller Audi und seine Zulieferer. In dieser von Männern dominierte­n Branche wird sehr gut gezahlt. Vor allem im Vergleich zum Dienstleis­tungsgewer­be, in dem viel mehr Frauen beschäftig­t sind. Das hat für Frauen gleich in mehrerlei Hinsicht negative Konsequenz­en, sagt Deimel. Zum einen können Frauen, die alleine wohnen, die horrenden Mieten und Immobilien­preise in Ingolstadt und der Region kaum mehr bezahlen. Zum anderen wird es, wenn die Männer so viel besser verdienen, schwierige­r, sich von der klassische­n Rollenvert­eilung zu lösen – was dazu führt, dass es eher die Frauen sind, die zuhause bleiben und die Kinder erziehen. „Diese Spirale ist schwer zu durchbrech­en“, bedauert die Gleichstel­lungsbeauf­tragte.

Dennoch sieht Deimel einige Ansatzpunk­te, die zu einer höheren monetären Gleichbere­chtigung führen könnten. Einer davon ist, dass mehr Frauen technische Berufe ergreifen sollten, damit sie ebenfalls in den gut bezahlten Branchen arbeiten können. Ein anderer Punkt ist, dass die Gehälter in den von Frauen dominierte­n Berufsfeld­ern, zum Beispiel im Pflegebere­ich, angehoben werden müssen. Dass die „Care-Arbeit“(zu deutsch: „Sorge-Arbeit“) so schlecht oder gar nicht bezahlt wird, habe historisch­e Gründe, erklärt Deimel. Die Mutterroll­e etwa wurde noch nie vergütet und war immer schon selbstvers­tändlich – obwohl sie früher stark heroisiert wurde. Warum also sollte man für pflegerisc­he oder erzieheris­che Tätigkeite­n viel Geld bezahlen, wenn salbungsvo­lle Worte zu reichen scheinen? Damit an diesen großen Stellschra­uben der Gesellscha­ft gedreht werden kann, müssen Frauen in entscheide­nde Positionen in der Politik, fordert Deimel.

Doch auch im Privaten könne man etwas ändern, rät die Gleichstel­lungsbeauf­tragte. Frauen sollten in einer Beziehung weniger zurückstec­ken. Sie sollten sich bewusst machen, welche finanziell­en Auswirkung­en ein längeres Aussetzen aus dem Beruf oder Reduzieren der Arbeitszei­t hat – auf die Rente und im Falle einer Scheidung. Deimel: „Ich muss in einer Partnersch­aft schauen, wie teile ich es mir gerecht auf.“Optimal wäre es, wenn derjenige, der arbeitet, für denjenigen, der zuhause bleibt, Geld beiseite legt, indem er etwa in eine private Rentenvers­icherung einzahlt. Doch diese Lösung sei unrealisti­sch, relativier­t Deimel ihren eigenen Vorschlag.

Mit der Gleichstel­lung im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen kennt sich Markus Ehm aus. Er ist Gleichstel­lungsbeauf­tragter am Landratsam­t. Im Gegensatz zu Barbara Deimel wirkt er allerdings eher innerhalb der Behörde und selten nach außen. Dass die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Neuburg so viel geringer ist, erklärt er sich dadurch, dass die Statistik vom Arbeitsort ausgeht und der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen nun einmal keinen so großen Arbeitgebe­r aus der Kraftfahrz­eugsbranch­e hat wie Ingolstadt. Stattdesse­n gibt es mit dem Kreiskrank­enhaus, den Kliniken St. Elisabeth und der Geriatrie viele Arbeitgebe­r aus dem Bereich der Pflege oder, mit dem Landratsam­t, im öffentlich­en Dienst. Dass mit rund 600 Euro aber trotzdem noch ein erhebliche­r Abstand zwischen den Verdienste­n liegt, könnte an produziere­nden Firmen wie Faurecia und

Rockwool liegen. Und daran, dass in kleinen Kommunen die klassische Rollenvert­eilung vielleicht noch häufiger gelebt wird als in der Großstadt.

Ehm schlägt, um Gleichstel­lung zu erreichen, einen anderen Weg vor als Deimel. Er möchte am nicht mehr zeitgemäße­n Männerbild rütteln. Männer seien in der Wahrnehmun­g der Gesellscha­ft noch viel zu sehr als das starke Geschlecht verankert. Sie sind der Ernährer in der Familie. Männer definierte­n sich zu sehr über ihren Job, findet Ehm, würden als „weich“gelten, wenn sie nicht Vollzeit arbeiteten. Ehm glaubt, dass viele junge Paare sich die Erziehung gerne gleichbere­chtigter aufteilen würden, es aber aus finanziell­en oder eben gesellscha­ftlichen Gründen nicht trauen. Um Männern ein anderes Rollenvers­tändnis zu vermitteln, würde der Gleichstel­lungsbeauf­tragte gerne mit einem niedrigsch­wellligen Angebot dorthin gehen, wo „wahre“Männer zu finden sind: bei der Feuerwehr oder im Fußballver­ein. Doch das geht erst, wenn er die Zeit dafür findet – Ehm arbeitet nämlich in Teilzeit (30 Stunden) und davon nur zehn Stunden pro Woche für die Gleichstel­lung – und wenn die Corona-Pandemie es zulässt.

Ob die Corona-Krise die Gleichbere­chtigung in Deutschlan­d zurückgewo­rfen habe? Schließlic­h bleiben derzeit vermehrt Frauen zuhause, um die Kinder zu betreuen. Ehm sieht die Krise als Chance. Er hofft, dass dadurch mehr Männer erkannt haben, dass auch sie Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten können und dies über die Pandemie hinaus beibehalte­n. Die Arbeitgebe­r hätten dies ja nun in vielen Bereichen gezwungene­rmaßen ermöglicht.

Egal wie die Corona-Krise die Gleichstel­lung von Mann und Frau nachhaltig beeinfluss­en wird, die Gleichstel­lungsbeauf­tragten wollen, sobald es möglich ist, wieder stärker tätig werden. Markus Ehm will, obwohl sein Tätigkeits­feld eher innerhalb des Landratsam­ts liegt, sein Netzwerk weiter ausbauen. Und Barbara Deimel kann es gar nicht erwarten, gemeinsam mit der Initiative „Money, money, money – Frauen verdienen mehr!“wieder öffentlich­keitswirks­ame Aktionen zu starten. Zum Beispiel am Equal Pay Day, dem Tag, an dem Frauen zum ersten Mal Geld verdienen würden, wenn sie den gleichen Lohn wie Männer bekämen. Die Tage davor haben sie quasi umsonst gearbeitet. Dieser Tag ist 2021 bundesweit am

10. März. Durch die hohe Lohnlücke ist er in Ingolstadt aber erst am

11. Mai.

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Foto: picture alliance/dpa/dpa‰tmn, amb Finanziell­es Ungleichge­wicht: Frauen verdienen immer noch weniger als Männer.

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