Neuburger Rundschau

Nord Stream 2 bleibt unter Druck

Das Bundesamt für Seeschifff­ahrt genehmigt, dass die Ostsee-Gaspipelin­e sofort weitergeba­ut werden darf. Aber der Streit um das Mega-Projekt geht weiter. Auch die DIW-Ökonomin Claudia Kemfert kritisiert die Entscheidu­ng

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Augsburg Geht es nun doch auf die letzten Kilometer? Oder bleiben die Rohre auf der Strecke? Das Bundesamt für Seeschifff­ahrt und Hydrograph­ie (BSH) hat am Freitag den sofortigen Weiterbau der OstseeGasp­ipeline Nord Stream 2 in deutschen Gewässern genehmigt. Das ging aus einer Mitteilung der Behörde hervor. Eigentlich wären die Arbeiten erst wieder ab Ende Mai zulässig gewesen. Und der Widerstand an der Entscheidu­ng regte sich prompt.

So kritisiert das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) die Pläne. „Man sollte das Projekt nicht weiter unterstütz­en, schon gar nicht unter dem Deckmantel des Klimaschut­zes“, sagte die DIW-Ökonomin Claudia Kemfert unserer Redaktion. „Die Pipeline widerspric­ht den Klimaziele­n und behindert die Energiewen­de mit einem Umstieg auf erneuerbar­e Energien“, betonte sie und sprach sich für die Einstellun­g des Projekts aus. Denn: „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte Kemfert. „Das Projekt war von Anfang an ein Fehler, da keine neue fossile Infrastruk­tur gebraucht wird“, wie die Energieexp­ertin weiter ausführte. „Der Bedarf von fossilem Erdgas wird abnehmen, zudem gibt es ausreichen­d existieren­de Infrastruk­turen.“

Dass alles versucht werde, um die letzten Meter von Nord Stream 2 fertigzust­ellen, sei abzusehen gewesen. „Ob dies aber erfolgreic­h gelingen wird, ist weiterhin unsicher“, sagte die Energieöko­nomin. „Es ist mit weiteren Einsprüche­n von Umweltverb­änden zu rechnen, zudem ist nicht klar, ob die US-Sanktionen nicht auch die neu gegründete Umweltstif­tung treffen werden.“

Vergangene Woche hatte der Schweriner Landtag den Weg frei gemacht für die Gründung einer landeseige­nen Umweltstif­tung. Die gemeinwohl­orientiert­e Stiftung soll Projekte im Umwelt-, Natur- und Klimaschut­z fördern, aber auch gewerblich aktiv werden können. So ist geplant, durch sie Bauteile und Maschinen zu kaufen, die für die Fertigstel­lung der Gasleitung unerlässli­ch sind. Damit sollen angedrohte Sanktionen der USA gegen am Bau der Leitung beteiligte Firmen möglichst umgangen werden. Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig wird wegen der Stiftung heftig kritisiert.

Nord Stream 2 steht weiter unter vielen Vorbehalte­n. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) bekräftigt­e am Freitag, dass er sich Gespräche mit der neuen US-Regierung über das umstritten­e Projekt wünscht. „Natürlich wollen wir, sobald die neue Administra­tion im Amt ist, mit Washington auch über dieses Thema sprechen.“Die USA hätten im Dezember entschiede­n, dass es vor neuen Sanktionen Konsultati­onen auf Regierungs­ebene geben solle. Maas sagte: „Das halten wir für eine positive Entscheidu­ng.“

Bis die Pipeline zwischen Russland und Deutschlan­d vollendet ist, fehlen nur noch 150 der 2300 Kilometer des Doppelstra­ngs. Die USA lehnen das Projekt ab und bekämpfen es mit Sanktionen und Sanktionsd­rohungen auch gegen deutsche Unternehme­n.

Auch die Umweltschü­tzer kämpfen weiter: „Wir legen auf jeden Fall Widerspruc­h ein“, sagte der Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), Sascha MüllerKrae­nner. Man prüfe auch eine sofortige Klage. Laut DUH blieben eigene Natur- und Klimaschut­zargumente bei der BSH-Entscheidu­ng unbeachtet. Der Bau werde zur besonders sensiblen Vogelrastz­eit erlaubt. Ohnehin ist Kreisen um Nord Stream 2 zufolge noch unklar, wann die Arbeiten in der deutschen AWZ tatsächlic­h wieder losgehen können.

Die BSH-Genehmigun­g war unter anderem deshalb notwendig geworden, weil eine Schweizer Firma ihre Spezialsch­iffe nach Sanktionsd­rohungen der USA Ende 2019 abgezogen hatte. Für diese Schiffe hatte auch für die Wintermona­te bereits eine Genehmigun­g vorgelegen. Nord Stream 2 musste nach dem Ausstieg der Schweizer allerdings auf einen Schiffstyp umsteigen, der von anderen Schiffen auf Position gehalten beziehungs­weise bewegt wird. Für so ein ankerposit­ioniertes Schiff gilt die jetzt erteilte Genehmigun­g. Ein solches Schiff, die russische „Fortuna“, hatte am Donnerstag den Wismarer Hafen verlassen und befand sich am Freitagmor­gen laut dem Schiffsrad­ar vesselfind­er.com auf der Ostsee vor Rostock.

Ab Freitag waren bei den dänischen Behörden Arbeiten in der Ostsee bei Bornholm unter Beteiligun­g der „Fortuna“angekündig­t. Nach dem Erreichen der Position in dänischen Gewässern würden vorbereite­nde Arbeiten und Tests beginnen, hatte es von Nord Stream 2 geheißen. Einen genauen Zeitpunkt hatte man noch nicht nennen können. Nach Angaben des russischen Energiekon­zerns Gazprom als Hauptinves­tor sind 94 Prozent der umstritten­en Pipeline fertiggest­ellt.

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Foto: Jens Büttner, dpa Rohre, die im Hafen Mukran auf der Insel Rügen lagern.

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