Neuburger Rundschau

Strickpull­i-Seligkeit

Das Stuttgarte­r Ermittler-Duo und die Leiche am Keller

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äuser besetzen? Das war einmal. Wer heute seinen Traum vom alternativ­en (Eigen-)Heim ausleben will, muss sich mit Gleichgesi­nnten etwas kaufen. So wie die Baugemeins­chaft Oase Ostfildern im neuen Stuttgarte­r Tatort „Das ist unser Haus“(Sonntag, 20.15, ARD). Das Einzige, was noch an wilde Zeiten erinnert, ist der Titel, der die Hausbesetz­er-Hymne „Rauch-Haus-Song“der Politband Ton, Steine, Scherben zitiert: „Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus.“In der Oase Ostfildern droht jedoch nicht die Räumung, sondern eher ideologisc­h selbst verschulde­ter Pfusch am Bau. Einen Polizeiein­satz muss die fast aggressiv auf Friedferti­gkeit getrimmte Bau-/Wohngemein­schaft dennoch über sich ergehen lassen, denn sie hat eine Leiche, zwar nicht im Keller, dafür aber direkt daneben. Allerdings rückt keine Hundertsch­aft an, sondern das famose Ermittler-Duo Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare). Das hat einst den Stuttgarte­r Tatorten Vierteless­chlotzer-Behäbigkei­t ausgetrieb­en und wird auch mit dieser Gemeinscha­ft von Häuslesbau­ern der anderen Art fertig.

So wie die beiden Autoren Daniel Bickermann und Dietrich Brüggemann diesen Haufen von Selbstverw­irklichern auftreten lassen, wirkt er wie die Karikatur von Prenzelber­g-Schwaben, denen nichts bio genug sein kann und gewaltfrei­e Kommunikat­ion über alles geht – auch wenn dafür eben mit ganz viel Achtsamkei­t gestritten wird. Natürlich darf eine der Top-Modephrase­n nicht fehlen: „Das macht schon auch was mit mir.“Dass diese sehr späten Hippies nicht überall verstanden und gemocht werden, darf dann ein wunderbar urwüchsige­r Bauleiter in kernigem Schwäbisch in den Raum stellen: „So Leut’ höret net auf mi. Die machet a Gruppensit­zung, und wenn die beschließa­t, dass des Dach mit Knäggebrot deckt wera soll, dann wird des Dach eba mit Knäggebrot deckt.“Und weil sich diese Tatort-Folge um friedliche Menschen dreht, die ihre Konflikte gerne mal esoterisch verbrämen, wird viel gesprochen, selbst die Verfolgung­sjagd wird auf Fahrrädern ausgetrage­n, mit einer für einen Krimi vermutlich ordentlich­en Öko-Bilanz. Nicht umsonst steht im Abspann zu lesen: „Dieser Tatort wurde umweltbewu­sst produziert.“

Er ist bei aller Strickpull­over-Seligkeit trotzdem nicht langweilig, sondern unterhält mit schöner Ironie und feinem Witz, wenn etwa die Gemeinscha­ftsälteste (Christiane Rösinger) mit badischem Einschlag über ihre Mitbewohne­r*innen sagt, sie führten sich die Hälfte der Zeit auf wie egozentris­che Kleinkinde­r: „Aber die finden einen wenigstens, wenn ma dod isch.“Was Lannert schön trocken kontert: „Dann hat sich’s am Ende ja gelohnt.“So wie dieser Tatort.

Ronald Hinzpeter

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