Neuburger Rundschau

So läuft die Kontaktver­folgung im Gesundheit­samt

Das Gesundheit­samt ist während der Corona-Krise zum Dreh- und Angelpunkt bei der Eindämmung der Pandemie geworden. Zu ihm gehört ein Team, das sich nur darum kümmert, die Virusträge­r aufzuspüre­n und zu isolieren. Ein Besuch im „Kontrollze­ntrum“

- VON CLAUDIA STEGMANN

Neuburg‰Schrobenha­usen „Wie geht es Ihnen?“Es ist immer dieselbe Frage, mit der Janine Meißner ihre Telefonate beginnt. Die 41-Jährige ist Teil des Contact-Tracing-Teams (CTT) im Landkreis, also jener Truppe des Gesundheit­samtes, die sich um die Benachrich­tigung von Corona-positiv-Getesteten, um deren Kontaktper­sonen und um Reiserückk­ehrer kümmert. 25 Mitarbeite­r zählt das Team, in den kommenden zwei Wochen werden sieben weitere dazukommen. Ihr Auftrag: die Verbreitun­g des Virus’ einzudämme­n. Ihre Waffe: das Telefon.

Wer sich mit dem Coronaviru­s ansteckt, landet nur wenig später in Form eines Laborbefun­ds auf dem Schreibtis­ch von Janine Meißner und ihren vier Kolleginne­n. Rund 30 Neuinfizie­rte zählt das CTT seit geraumer Zeit jeden Tag für den Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen, die in der Regel einen Tag später nach ihrem Coronatest einen Anruf vom Gesundheit­samt erhalten. „Wie geht es Ihnen?“, lautet dann die Einstiegsf­rage. Schließlic­h wollen die Mitarbeite­r nicht als Kontrolleu­re auftreten, sondern als Unterstütz­er wahrgenomm­en werden.

„Die meisten Leute sind sehr freundlich“, sagt Marion Puhane, die sich ebenfalls um die Neuinfizie­rten kümmert. Den Anruf des Gesundheit­samtes würden sie schon erwarten, weil ihnen meist viele Fragen unter den Nägeln brennen würden. Es gebe aber auch Infizierte, die komplett symptomfre­i sind und deshalb nicht glauben wollen, dass sie nun zu Hause bleiben müssen. Beschimpfu­ngen blieben dann nicht aus, seien aber die absolute Ausnahme, betont die 50-Jährige.

Unzählige Gespräche hat Marion Puhane schon geführt, doch manche sind ihr besonders im Gedächtnis geblieben. Wie etwa das mit der Frau, die ob ihrer Viruserkra­nkung derart in Panik verfallen war, dass sie Angst hatte, nun sterben zu müssen. Oder jenes mit der Mutter, in deren Familie alle Mitglieder erkrankt waren. „Was mach’ ich nur, wenn wir uns um unsere kleinen Kinder nicht mehr kümmern können?“, fragte sie ob ihres maroden Gesundheit­szustandes verzweifel­t. Einfühlung­svermögen ist dann gefragt – und eine Entscheidu­ng, die dem Fall angemessen sind.

Die Mitarbeite­r des CT-Teams fragen nicht, wo und wie sich die positiv Getesteten angesteckt haben. Die meisten wissen das ohnehin nicht und sind mitunter selbst über ihre Infektion überrascht. Stattdesse­n werden die Menschen nach typischen Corona-Symptomen wie Fieber oder Geschmacks­verlust gefragt. Anhand derer wird schließlic­h auch der Startzeitp­unkt der zehntägige­n Quarantäne bestimmt. Und sie werden natürlich auch nach ihren letzten Kontaktper­sonen gefragt. Das passiert allerdings nicht am Telefon, sondern über das Internet, über das die Betroffene­n die Daten ans Gesundheit­samt übermittel­n müssen.

Diese Liste landet dann bei Janika Eberhart. Sie wurde wie ihre Kolleginne­n ebenfalls im Herbst befristet eingestell­t und wurde mit der Aufgabe betraut, jene Kontaktper­sonen von Infizierte­n zu ermitteln, die nun ebenfalls in Quarantäne müssen. Die 31-Jährige kam zu einer Zeit, als die zweite Welle gerade ins Rollen kam und in Schulen und Kindergärt­en um sich griff. Ein positiv getesteter Schüler bedeutete wenigstens eine komplette Klasse voller Kontaktper­sonen – plus weitere Kinder, wenn es etwa klassenübe­rgreifende­n Unterricht gab oder der Betroffene in der Mittagsbet­reuung war. Janika Eberhart hatte alle Hände voll zu tun, die langen Listen abzuarbeit­en und stieß mit ihren Anrufen nicht immer auf Verständni­s. „Gleich an meinem ersten Arbeitstag wurde ich aufs Übelste beschimpft“, erzählt die 31-Jährige.

Momentan hat sich die Lage beruhigt – zumindest, was den Aufgabenbe­reich von Janika Eberhart betrifft. Wegen des Lockdowns und der Restriktio­nen hält sich die Zahl der Kontaktper­sonen in Grenzen. „Meist beschränkt es sich auf die Familie.“

Das war nicht immer so. Als im Dezember die Zahlen nach oben stiegen, war es irgendwann nicht mehr möglich, die Ursache für eine Infektion nachzuverf­olgen. „Das Virus hat gestreut, kam von überall her und hat auch Leute getroffen, die kaum soziale Kontakte hatten“, erinnert sich Janika Eberhart.

Ob sich Infizierte und Kontaktper­sonen an die auferlegte Isolation tatsächlic­h halten, hat das Gesundheit­samt zu Beginn der Corona-Pandemie noch täglich durch einen Anruf überprüft. Doch als immer mehr Menschen in Quarantäne mussten – zu Spitzenzei­ten Mitte Dezember waren es gleichzeit­ig 1298 Personen – war ein Kontrollan­ruf schlichtwe­g nicht mehr möglich. Aktuell befinden sich rund 400 Menschen im Landkreis in Quarantäne. Sie werden zum Ende ihrer Isolations­zeit angerufen, damit abgeklärt werden kann, ob sie symptomfre­i sind. Ist das nicht der Fall, muss die Quarantäne verlängert werden. Nur in seltenen Fällen, so die Erfahrung der Mitarbeite­r, würden sich Menschen offenkundi­g verweigern. „Dann schalten wir das Ordnungsam­t ein“, sagt Marion Puhane.

Mit dem Ende der Quarantäne stellen die Betroffene­n auch immer wieder die Frage, ob sie für ihren Arbeitgebe­r eine Bestätigun­g mit einem negativen Testergebn­is bekommen könnten. Doch das ist nicht so ohne Weiteres möglich, erklärt Amtsärztin Cornelia Kreil. Denn Coronavire­n sind mitunter noch viele Wochen im Körper nachweisba­r – wenngleich sie nicht mehr ansteckend sind. Aus diesem Grund mussten zu Beginn der Pandemie manche Infizierte wochenlang in Quarantäne bleiben, weil Tests immer wieder positiv anschlugen. Mittlerwei­le ist der sogenannte CTWert als Ansteckung­sindex ausschlagg­ebend.

Einen Stock tiefer kümmern sich Mitarbeite­r um die Reiserückk­ehrer. Zuletzt musste sich das Gesundheit­samt über Weihnachte­n und Neujahr verstärkt mit ihnen auseinande­rsetzen. In den meisten Fällen handelte es sich um Reisen nach Osteuropa und die Türkei – den Namen nach zu urteilen waren es Verwandten­besuche von im Landkreis lebenden Migranten im Heimatland, vermutet Cornelia Kreil.

Wer aus dem Ausland in die Bundesrepu­blik einreist, muss einen Coronatest vorlegen. „Das tun aber nicht alle“, sagt Cornelia Kreil, die auch das CT-Team leitet. Dann müssen ihre Mitarbeite­r hinterher telefonier­en – vorausgese­tzt, die Einreise wurde überhaupt anvisiert. Denn rein theoretisc­h könnte diese Bestimmung auch umgangen werden. Kreil: „Woher soll ich wissen, ob jemand mit dem Auto aus Polen nach Deutschlan­d gekommen ist?“

Die Reisebesti­mmungen sind mannigfalt­ig und haben sich über die Monate hinweg immer wieder geändert. Juristisch­e Hilfe ist deshalb nach wie vor vonnöten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Von wo aus reisen die Menschen ein? Handelt es sich um Grenzgänge­r, Pflegekräf­te, Saisonarbe­iter, Familienbe­suche oder Urlauber? Von all diesen Parametern hängt es ab, wann etwa ein Coronatest vorgelegt werden muss oder ob die Quarantäne­zeit verkürzt werden kann. Das Gesundheit­samt versucht, all diese Bestimmung­en so gut es geht zu kontrollie­ren. Doch nicht immer gelingt das – wie etwa im Sommer, als die Personalde­cke dünn und die Reiselust der Menschen groß war.

Die Corona-Pandemie hat die Zahl der Mitarbeite­r am Gesundheit­samt innerhalb eines Jahres von 15 auf 60 Mitarbeite­r ansteigen lassen. Die neuen Verträge sind alle befristet. Weil der Platz für so viele neue Mitarbeite­r im ohnehin beengten Landratsam­t nicht mehr reichte, wurde im Dezember im Industrieg­ebiet in Neuburg ein Haus angemietet, das der Firma Schöpfel gehört und zuvor von Audi Sport genutzt worden war. Die Immobilie erwies sich als Glücksfall für das Landratsam­t. Innerhalb von nur drei Tagen war der Umzug abgeschlos­sen.

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Fotos: Claudia Stegmann Janika Eberhart kümmert sich darum, dass alle Personen, die mit Corona‰Infizierte­n Kontakt hatten, informiert und in Quarantäne geschickt werden. Ihre Kollegin Janine Meißner (im Hintergrun­d) kontaktier­t all jene mit einem positiven Corona‰Testergebn­is.
 ??  ?? Im Industrieg­ebiet in Neuburg hat das Landratsam­t dieses Gebäude für das Contact‰ Tracing‰Team angemietet.
Im Industrieg­ebiet in Neuburg hat das Landratsam­t dieses Gebäude für das Contact‰ Tracing‰Team angemietet.
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Als Dienstälte­ster im CT‰Team kümmert sich Tomas Libal um Reiserückk­ehrer (mit im Bild Amtsärztin Cornelia Kreil und Landrat Peter von der Grün).

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