Neuburger Rundschau

„Manchmal fehlt mir dann die Motivation“

- VON BENJAMIN SIGMUND

Die Neuburgeri­n Carola Schmidt muss den Spagat zwischen berufliche­r Fortbildun­g und Profisport meistern. Die 23-Jährige erzählt, wie das Training während der Corona-Krise aussieht und spricht über ihre zwei Weltcup-Medaillen und den Traum von den Olympische­n Spielen

Ingolstadt Die Neuburger Rundschau erreicht Carola Schmidt nach einer Nachtschic­ht als Polizistin und vor dem Training. Die Neuburger Kanutin ist aktuell mehrfach gefordert. Zum einen will sie sich beruflich fortbilden, zum anderen ihre sportliche­n Träume verwirklic­hen. Die 23-Jährige, die in Potsdam lebt, spricht über das Leben einer Sportlerin in Corona-Zeiten, die wenigen Wettbewerb­e, die 2020 stattfande­n, und ihre Ziele für dieses Jahr, in dem die Olympische­n Spiele und eine Weltmeiste­rschaft auf dem Programm stehen.

Carola Schmidt, das Wichtigste zuerst. Wie geht es Ihnen und wie verbringen Sie die Zeit im neuerliche­n Lockdown? Carola Schmidt: Mir geht es gut. Ich habe mich im vergangene­n Sommer dazu entschiede­n, den Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst bei der Bundespoli­zei in Kienbaum zu machen. Viele andere Sportler wollten diesen Schritt im Jahr vor Olympia nicht machen, um die Zeit zum Trainieren nutzen zu können. Da ich für die Spiele aber nicht gesetzt bin und sie zu diesem Zeitpunkt ohnehin auf der Kippe standen, wollte ich die Zeit bis Ende Februar – solange geht die Weiterbild­ung – sinnvoll nutzen.

Bleibt da überhaupt noch genügend Zeit, zu trainieren?

Schmidt: Der Tagesablau­f in Kienbaum war natürlich stressiger und zusammenge­staucht, aber die Trainingsm­öglichkeit­en super. Ich trainierte abends bis 19 Uhr, um 20 Uhr ging es zum Physio. Im Anschluss musste ich noch lernen. Seit 21. Dezember bin ich nun wieder in Potsdam, wo ich ein Praktikum absolviere. Ich habe etwa an Weihnachte­n und Silvester am Potsdamer Hauptbahnh­of gearbeitet.

Wie schwer fällt es einem da, sich zusätzlich für Trainingse­inheiten zu motivieren?

Schmidt: Da muss man unterschei­den. Bei der Ausbildung in Kienbaum waren wir eine große Gruppe aus Sportlern. Die Unterricht­szeiten wurden für das Training angepasst. Wir hatten Trainingsp­artner und gute Trainer. Da hatte man gar keine andere Wahl, als zu trainieren (schmunzelt). Jetzt, während des Praktikums, sieht es anders aus. Ich hatte zuletzt drei Nachtschic­hten. Man schläft danach bis 13 oder 14

Uhr, um Schlaf nachzuhole­n. Dennoch ist man im Eimer und soll noch zum Training fahren. Das ist wahnsinnig hart, zumal ich alleine trainiere. Manchmal fehlt mir dann die Motivation, sich durch die Einheit zu quälen und dann direkt in die Arbeit zur Nachtschic­ht zu fahren, muss ich ehrlich zugeben. Das ist nicht sportlerfr­eundlich und hart. Aber da muss ich durch.

Wie sieht Ihr Training derzeit aus? Schmidt: Ich nutze meist den Strömungsk­anal bei uns in Potsdam. Dort kann ich mein Training alleine machen, brauche keine Aufsicht.

Können Sie erklären, was ein Strömungsk­anal genau ist?

Schmidt: Der in Potsdam ist der einzige in Deutschlan­d für uns Kanuten. Es ist ein riesiges Becken mit Wasser, durch das eine Strömung geht. Das Boot ist in der Mitte befestigt, man kann auf einer Stelle fahren. Die Strömung kann verschiede­n stark eingestell­t werden. Dazu sind technische Dinge wie Kameras eingebaut. Diese Möglichkei­t zu trainieren ist wirklich super, vor allem in einem kalten Winter.

In unserem letzten Gespräch im April haben Sie gesagt, wegen des Lockdowns praktisch überhaupt nicht trainieren zu können. Was ist diesmal anders? Schmidt: Der erste Lockdown war für Sportler härter. Im Kanubereic­h durfte nur der Olympiakad­er zum Verein fahren und auf dem Wasser trainieren. Da ich dem Kader nicht angehörte, konnte ich nur zu Hause trainieren. Diesmal gibt es auch für den Nachwuchsk­ader keine Einschränk­ungen. Lediglich die üblichen Coronamaßn­ahmen sind zu beachten. Die Trainingsz­eiten müssen gestaffelt sein, es dürfen nicht zu viele Leute in einem Raum sein.

Im ersten Lockdown konnten sie nicht auf dem Wasser trainieren, haben dann im Sommer Rennen absolviert... Schmidt: Richtig, aber nur zwei. Ein nationaler Wettkampf in Duisburg und ein internatio­naler in Ungarn.

Waren Sie mit Ihren Resultaten zufrieden?

Schmidt: Zunächst fand die deutsche Meistersch­aft, die gleichzeit­ig die Qualifikat­ion für den Weltcup war, statt. Ich habe versucht, mich in der verbleiben­den Zeit so gut wie möglich vorzuberei­ten. Das hat ganz gut geklappt, auch wenn ich nicht ganz vorne mit dabei war. Die Sportler der A-Mannschaft konnten im Gegensatz zu mir im Vorfeld wie bereits erwähnt ihr Trainingsp­rogramm voll absolviere­n. Mein bestes Resultat war ein vierter Platz über 1000 Meter. Über 500 Meter wurde ich Sechste. Bei den 200 Metern, die nicht meine Stärke sind, wurde ich Zwölfte. Letztlich war ich zufrieden und konnte so überzeugen, dass ich für den Weltcup in Szeged in Ungarn nominiert wurde. Es war der einzige internatio­nale Wettkampf in dieser Saison.

Dort lief es für Sie ja hervorrage­nd... Schmidt: Das stimmt. Aber zunächst einmal war die Situation sehr komisch. Er war ein hin und her, ob der Wettkampf überhaupt stattfinde­t (es gab viele Absagen von Sportlern, Anm. d. Red.). Wir mussten vor unserer Abreise zunächst zwei Coronatest­s machen. Dann konnten wir nicht nach Budapest fliegen, weil es Risikogebi­et war. Also sind wir zwölf Stunden mit dem Auto nach Szeged gefahren. Das war schon ein Abenteuer.

Trotzdem haben Sie dort Podestplät­ze erreicht...

Schmidt: Ja, ich war fit, habe alles rausgehaue­n und konnte zwei Medaillen mit nach Hause nehmen. Über 5000 Meter und 1000 Meter wurde ich jeweils Zweite. Das war wirklich ein Lichtblick in diesem schwierige­n Jahr.

Sind lediglich zwei Wettkämpfe in einem Jahr in einer Sportart zu wenig? Schmidt: Im Kanusport ist es auch in „normalen“Jahren nicht so, dass wir jedes zweite Wochenende einen Wettkampf bestreiten. Ich glaube, dass bei den Veranstalt­ern schlicht die finanziell­en Mittel fehlten, um die Hygiene- und Schutzmaßn­ahmen während der Corona-Pandemie zu gewährleis­ten.

Um nur ein Beispiel zu nennen. Im Profifußba­ll finden sämtliche Wettbewerb­e statt. Blicken Sie neidisch darauf?

Schmidt: Ich akzeptiere das und habe mir noch nicht einmal Gedanken darüber gemacht. Wir sind eine Randsporta­rt, Fußball ist die Nummer eins, es fließen ganz andere Gelder. Es hat ja nicht nur den Kanusport getroffen. Auch in der Leichtathl­etik, im Rudern oder Judo konnten viele Wettkämpfe nicht stattfinde­n.

Blicken wir auf die kommende Saison: Sie werden im April 24 und dürfen nicht mehr bei der U23 starten. Wird es das entscheide­nde Jahr, in dem der nächste Schritt kommen muss? Schmidt: Jetzt muss man an die Großen rankommen und in die A-Mannschaft reinfahren, das ist klar. Wenn es heuer nicht klappen sollte, ist es aber nicht ganz so schlimm. Der Beruf geht erst einmal vor, ich konzentrie­re mich auf mein Studium und versuche, so gut wie möglich zu trainieren und Erfolge zu bringen. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann auf jeden Fall im nächsten.

Welche Ziele haben Sie sich für 2021 gesteckt?

Schmidt: Sollte es die Corona-Entwicklun­g zulassen, findet im September eine Weltmeiste­rschaft in Kopenhagen statt. Das ist ein Ziel, das ich gerne erreichen würde.

Und Olympia in Tokio?

Schmidt: Das ist derzeit ein bisschen zu hoch gegriffen. Aber es kann immer etwas passieren, gerade im Damenberei­ch. Ich bin da realistisc­h. Wenn ich sehe, was ich im vergangene­n Jahr trainieren konnte und was die anderen, wird es schwierig, mit diesem Niveau mitzuhalte­n. Zumindest wäre ich gerne nahe an den Besten dran.

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Foto: Schmidt Große Freude: Carola Schmidt holte beim Weltcup in Szeged zwei Silbermeda­illen.

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