Neuburger Rundschau

Nawalny bleibt eine Gefahr für Putin

Mit einem brisanten Film attackiert der inhaftiert­e Kremlgegne­r den Präsidente­n

- VON INNA HARTWICH

Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin hat im Laufe der Zeit viele Bezeichnun­gen für Alexej Nawalny gefunden. Mal ist dieser ein „einfacher Blogger“, dann „ein bekannter Angeklagte­r“oder „der Berliner Patient“. Den Namen seines größten Widersache­rs nimmt der 68-Jährige nie in den Mund. Als würde sich mit dem Ausspreche­n der wenigen Buchstaben ein böser Zauber über den Präsidente­n, ja über das Land legen und Putin sich diesem Zauber stellen müssen.

Stattdesse­n tut der Kreml so, als sei Nawalny, den man wohl als den zweitwicht­igsten Politiker in Russland bezeichnen kann, ein Niemand. Die Methode bewirkt das Gegenteil: Das demonstrat­ive Ignorieren des 44-Jährigen zeigt erst, wie wichtig der Kreml Nawalny nimmt. Unfreiwill­ig hat das System Putin aus Nawalny das gemacht, was er dem Opposition­spolitiker keine Angst“und wird allein durch seine Furchtlosi­gkeit zur Gefahr für ein System, das sich seiner Stabilität rühmt.

Der selbstbewu­sste Moskauer Nawalny – mehr als zwei Jahrzehnte jünger als Putin – deckt Korruption auf, zeigt mit Enthüllung­svideos, wie sich die politische Elite auf Kosten ihres Volkes bereichert, wie sie kritische Geister mit Gesetzen zu ausländisc­hen Agenten macht, selbst aber ein westliches Leben lebt – und legt so Heuchelei der „Macht“offen. Das bringt ihm Sympathien ein. Anerkennun­g, die ihm allerdings noch nicht das Vertrauen der breiten Massen einbrachte.

In Nawalnys neuem Film – dem fast zweistündi­gen Werk „Ein Palast für Putin. Geschichte der größten Bestechung“– greift er den Präsidente­n zum ersten Mal direkt an. Innerhalb eines Tages klickten 25 Millionen YouTube-Nutzer das Video an. Mit dem Film will Nawalnys Team für die Freiheit des Opposition­spolitiker­s kämpfen und auch die für diesen Samstag angekündig­ten Proteste befeuern, zu denen Nawalny aus der Polizeiwac­he heraus aufgerufen hatte.

Der Kampf auf der Straße dürfte noch schwerer werden, als er ohnehin immer war. Wegen der CoronaPand­emie ist jegliche Massenansa­mmlung verboten, viele im Land sind wegen der wirtschaft­lichen Lage mit dem eigenen Überleben beschäftig­t. Gleichgült­igkeit hat sich längst breitgemac­ht, die TVPropagan­da von „ausländisc­her Einmischun­g“zeigt Wirkung. Umfragen unabhängig­er Institute zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Russland die Vergiftung Nawalnys für eine Inszenieru­ng halten. Und selbst wenn sie den Staat dahinter vermuten, nehmen sie das hin. „Psychologi­sch ist das gut zu erklären“, sagt der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie-Zentrum: „Die Menschen

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