Neuburger Rundschau

„Der Name ist größer als ich“

Yusuf/Cat Stevens spricht über die Zuversicht, die seine Songs vermitteln, und warum er wieder unter seiner alten „Marke“veröffentl­icht

- DORIS WEGNER Interview: Steffen Rüth

Ausgerechn­et in Dubai, wo alles immer größer und höher sein muss, haben Sie also Ihre Wahlheimat gefunden? Yusuf: Ja. Mir und meiner Familie gefällt es einfach sehr gut. Ich entdeckte Dubai 2001, damals war hier noch mehr Wüste und weniger Glitzer. Wir wohnen nicht mitten im Trubel. Ich kann mich hier gut auf meine Arbeit, speziell auf das Schreiben, konzentrie­ren, die meisten meiner Kinder und Enkel sind auch da, wir haben ein schönes, ruhiges Familienle­ben. Trotzdem meckert meine Frau immer, dass ich zu viel arbeiten würde. Doch das ist eben meine Natur.

Trotzdem: Ich tippe jetzt einfach mal, dass Sie den Tag im Wasser starten. Yusuf (lacht): Haben Sie eine Überwachun­gskamera an meinem Haus installier­t? Das stimmt. Jeden Morgen springe ich nach dem Aufstehen als Erstes in den Pool, schwimme ein paar Runden und mache im Wasser meine Gymnastikü­bungen. Danach gibt es Frühstück. Und immer scheint die Sonne.

Sie sehen sportlich und drahtig aus. Dank Ihres Pools?

Yusuf: Auch. Allerdings lebe und esse ich insgesamt recht gesund. Und ich habe mir meinen Enthusiasm­us, meine Lebensfreu­de, meine Wissbegier immer erhalten. Es hält einfach jung, neugierig zu bleiben und immer zu lernen.

Was haben Sie vom Jahr 2020 gelernt? Yusuf: Dass wir eine große Verantwort­ung haben für die Welt, in der wir uns bewegen. Unsere Aufgabe besteht darin, vorsichtig­er und rücksichts­voller mit diesem wunderschö­nen Planeten umzugehen, auf dem wir leben dürfen. Die Pandemie hat uns Selbstvers­tändlichke­iten genommen und uns gelehrt, wie zerbrechli­ch wir sind. Wir sind nur Menschen, und im Kampf mit dem Virus wird uns bewusst, wie klein und machtlos wir in Wirklichke­it sind. Ich habe viel nachgedach­t in diesem Jahr – insbesonde­re über unser Verhältnis zur Natur. Wir müssen uns als Teil der Schöpfung betrachten, nicht als dessen Zentrum.

Lag Ihnen die Frage, wie wir im Einklang mit der Natur leben können, nicht schon immer am Herzen?

Yusuf: Das ist wahr. „Where Do The Children Play“zum Beispiel ist ein Song über die Zerstörung unserer Ressourcen und über eine Generation von Kindern, die statt im Grünen im urbanen Dschungel aufwachsen musste. Das sind heute unverminde­rt relevante Sorgen. Eine bewunderns­werte Persönlich­keit wie Greta Thunberg greift diese Fragen auf

Sund führt uns vor Augen, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen.

Das Lied erschien vor fünfzig Jahren. Eine Umweltbewe­gung im heutigen Sinn gab es damals noch gar nicht ... Yusuf: Manchmal öffnet sich dir als Künstler ein kleines Fenster aus Erfahrunge­n und Erwartunge­n. Und durch dieses Fenster erhascht du vielleicht einen Blick in die Zukunft. Ich war 1968 sehr krank, litt an Tuberkulos­e. Übrigens eine Situation, die mich an die jetzige erinnert: Ich war vollständi­g isoliert auf dem Land in einem Spital, der Tod war plötzlich sehr nah für einen jungen Mann von 20 Jahren. Jedenfalls war diese Zeit, rückblicke­nd betrachtet, ein Geschenk. Damals lernte ich, dass man behutsam und pfleglich mit dem Leben umgehen muss.

Ihre Alben „Mona Bone Jakon“und „Tea For The Tillerman“, beide 1970 veröffentl­icht, wurden zu Klassikern. Wollten Sie mit Ihrer Musik damals die Welt verändern? Yusuf: Nein, so würde ich es nicht ausdrücken. Ich hatte jedoch instinktiv das Gefühl, mit diesen Liedern eine Botschaft an die Welt zu senden. Die Botschaft von der Begeisteru­ng für das Leben. Die Botschaft, dass es glücklich macht, Wissen und Weisheit zu sammeln, seinen Horizont stetig zu erweitern. von uns hat das. Jimi Hendrix war unser König. Für einen englischen Musiker in den Sechzigern war so etwas wie Diskrimini­erung weit weg vom eigenen Denken. Und doch hat sich irgendetwa­s im Gesellscha­ftssystem gehalten. Rassismus ist wie ein Virus, für das bis heute kein Vakzin gefunden wurde. Wahrschein­lich gibt es keins. Die Heilung kann nur aus jedem selbst heraus kommen, durch Erkenntnis und Bildung.

Ihre Songs vermitteln Zuversicht. Ist Ihnen das wichtig?

Yusuf: Sogar sehr. „Peace Train“, „Changes“oder „Morning Has Broken“haben einen positiven Effekt auf die Gedanken vieler Menschen, die Zukunft betreffend. Sie rühren und berühren. Ich erinnere mich während eines Konzerts in Deutschlan­d an diesen riesengroß­en, wirklich sehr bärtigen Kerl, der ohne jede Hemmung weinte. Das war so schön. Es zeigt, dass Musik den sensiblen Teil unseres Wesens, der so oft vom modernen Leben verschütte­t wird, tatsächlic­h erreichen kann.

Sie konvertier­ten Mitte der Siebziger zum Islam, gaben Ihre musikalisc­he Karriere und Ihren Namen Cat Stevens auf. Erst 2006 veröffentl­ichten Sie wieder ein Album. Warum kehrten Sie zurück zur Folkmusik? Yusuf: Ich erkannte das Verbindend­e. Die kommunikat­ive Macht von Musik ist gigantisch. Mit einem Song kannst du 10000 Menschen in einer Arena erreichen. Dieses Gefühl wollte ich wieder spüren.

Seine Karriere

„Morning Has Broken“, „Wild World“, „Father & Son“– die Liste der Welthits des Cat Stevens ist eine lange. Zum 50‰jährigen Jubiläum hat der eng‰ lische Singer/Songwriter, 72, seine zwei wohl bes‰ ten Alben „Mona Bone Jakon“und „Tea For The Til‰ lerman“mit Zusatzmate­rial wiederverö­ffentlicht. Nach seinem Übertritt zum islamische­n Glauben nannte er sich Yusuf Islam, firmiert seit einiger Zeit nun offiziell als Yusuf /Cat Stevens.

Hat die Tuberkulos­e Ihre Einstellun­g dem Leben gegenüber verändert? Yusuf: Die Krankheit hat mich mit dem Blues verbunden. Mit der Musikricht­ung, aber auch mit dem Gefühl. Sie hat mich melancholi­scher gemacht, aber wirkte zugleich kämpferisc­h auf mich. Der Blues trat damals schon gegen Rassismus und Ungerechti­gkeit an. Heute ist es eher der Hip-Hop.

Ist es nicht enttäusche­nd, dass wir als Gesellscha­ft nicht weitergeko­mmen sind? Dass eine Bewegung wie Black Lives Matter im Jahr 2020 überhaupt notwendig ist?

Yusuf: Ich bin mir nicht sicher, was die Antwort ist. Persönlich habe ich nie einen Unterschie­d gemacht zwischen Schwarz und Weiß, niemand chick ist ja relativ in Corona-Zeiten – schließlic­h darf der Friseur seit drei Monaten nicht mehr öffnen, die Haare wachsen wie sie wollen und die Lieblingsb­outique ist seit einer gefühlten Ewigkeit in der Zwangspaus­e.

Ja, ich finde, man sollte sich überlegen, wie man in Online-Meetings aussieht. Kostüm und Bluse sicherlich albern, Jogginghos­e und alte Strickjack­e sicherlich eine Kapitulati­on. Aber es gibt ja auch noch ein ansprechen­des Dazwischen. Wenn die Konferenz am offizielle­n Arbeitspla­tz wäre, würde man ja auch nicht in den ollen Schlabbers­achen erscheinen, so ja wohl auch nicht zum Metzger gehen. Job ist Job, da kann man doch ein bisschen die Form waren – der Fernsehabe­nd kommt später. Seit alle im Homeoffice sitzen und von dort aus in die Welt senden, gewinnt man sowieso ganz neue, manchmal viel zu private Einblicke von seinen Kollegen – und die natürlich auch von einem selbst. Ob man will oder nicht. Da wendet man dann zumindest den hübschen Trick an, den Hintergrun­d zu vernebeln, bevor man aus der Rumpelkamm­er sendet. Apropos! Eine schöne Anekdote über Günther Jauch, passt nicht hundertpro­zentig, sagt aber doch was aus: Vor einer Online-Konferenz hat der Moderator alle Aktenordne­r verkehrt herum in die Regale gestellt, also mit der offenen Seite nach außen, damit nicht jeder lesen kann, was der Jauch so zu verwalten hat. Später hätten sich dann alle Teilnehmer der Konferenz auf einem anderen Kanal gewundert, warum der Jauch seine Ordner so komisch in den Regalen stehen hat.

Da man den Vordergrun­d ja schlecht vernebeln kann, möchte ich nicht, dass sich die Kollegen über die Schlabbers­achen von der Wegner austausche­n. Es reicht schon, wenn sie über die Frisur tuscheln.

Sie haben Yusuf und Cat Stevens jetzt quasi wiedervere­inigt. Wie kam es dazu?

Yusuf: Das war ein längerer Prozess. Die Plattenfir­ma fragte mich seit vielen Jahren, ob ich mich nicht wieder Cat Stevens nennen wollte. Ich habe lange gezögert, doch irgendwann dachte ich, „warum denn eigentlich nicht?“Cat Stevens ist eine Marke. Der Name ist größer als ich selbst. Mich nicht mehr Cat Stevens nennen ist ja ungefähr so, als würde Paul McCartney bestreiten, einer der Beatles gewesen zu sein.

Grunde doch so, als ob. Er spielt etwas vor, was mit der Realität nichts zu tun hat, weil die meisten Menschen, die gerade in Homeoffice­s vor sich hingammeln, das eher nicht in gestärkten Hemden, eng sitzenden Sakkos oder fein gebügelten Seidenblus­en tun. Außer sie brauchen das, um sich mit der Arbeitskle­idung auch die passende Arbeitshal­tung überzuzieh­en. Für alle anderen aber ist der Lockdown so etwas wie ein ewiger Casual Friday, bei dem es legerer zugeht, um auch mal irgendetwa­s Positives über diesePhase zu sagen. Nutzen Sie also die Zeit, ziehen Sie an, worin Sie sich wohlfühlen. Die Gesprächsp­artner freuen sich auch, weil es doch tröstlich ist, zu sehen, dass es in den anderen Arbeitszim­mern da draußen Menschen gibt, die sich halt auch irgendwie durchwursc­hteln. Anzüge schaffen Abstand, Wollpullis und Jeans eher nicht. Nähe aber ist das, was gerade alle vermissen.

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Foto: imago
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Foto: dpa
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