Neuburger Rundschau

Eine Frau steuert die US-Geheimdien­ste

Joe Biden verpflicht­et die New Yorkerin Avril Haines. Die 51-Jährige hat in ihrem Leben schon einiges ausprobier­t

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Wer über Avril Haines schreibt, landet fast automatisc­h auf Neufundlan­d. Auf der kanadische­n Atlantikin­sel endete – nach allem, was bekannt ist – Anfang der 90er Jahre ihr Versuch, in Begleitung ihres damaligen Fluglehrer­s und späteren Ehemanns David Davighi, mit einer Cessna über den Atlantik nach England zu fliegen. Ein Motorschad­en soll die junge Frau zum Abbruch des Fluges gezwungen haben.

Politisch kann derzeit von Notlandung keine Rede sein: Die 51-jährige Avril Haines wird als erste Frau in der US-Geschichte die Nachrichte­ndienste koordinier­en. Nach der Parlaments­kammer bestätigte jetzt auch der Senat die für die neue US-Regierung von Präsident Joe Biden zentrale Personalie.

Haines ist eine waschechte New Yorkerin. Nach einer behüteten

Kindheit überschatt­ete die schwere Krankheit der Mutter, einer Kunstmaler­in, die ersten Jahre ihrer Jugend. Avril war 15, als sie starb. Ihr Vater Thomas, 87, ist eine bekannte Persönlich­keit im Big Apple. Der steinreich­e Biochemike­r und Professor gilt als schillernd­er linksliber­aler Kopf.

Avril Haines probierte einiges aus. Technisch begabt, erwies sie großes Geschick bei der Restaurier­ung von Oldtimern. Doch die Fliegerei schlug sie noch stärker in den Bann. Stärker jedenfalls als ihr Studium der Physik, das sie abbrach. Später, Anfang der 90er Jahre, wandelte sie eine alte Bar im Hafen von Baltimore in eine Buchhandlu­ng

um. Dass sie dort einige Male spezielle Autorenles­ungen, die sie „Erotic Nights“nannte, ausrichtet­e, fehlt ebenfalls in kaum einem Porträt über Avril Haines. Es versteht sich, dass all diese Qualifikat­ionen noch nicht ausreichen, die Geheimdien­ste des noch immer mächtigste­n Landes der Welt zu steuern. Basis ihrer Karriere war ihr Jurastudiu­m, das sie 1998 begann. Das war die Initialzün­dung. Schon 2003 arbeitete sie als rechtliche Beraterin im US-Außenminis­terium. Dort lernte sie unter anderem Joe Biden kennen.

Ihre Kompetenz, gepaart mit einer unkomplizi­erten offenen Art, überzeugte später offensicht­lich auch den ehemaligen

US-Präsidente­n Barack Obama.

Es mag eine Auszeichnu­ng gewesen sein, dass der damalige US-Präsident Avril Haines 2013 damit betraute, für die Kampfdrohn­eneinsätze der CIA gegen Top-Terroriste­n neue rechtliche Leitlinien auszuarbei­ten. Doch diese Aufgabe brachte ihr auch Kritik ein, schließlic­h sind die Drohnen-Attacken, die seit 2004 zum US-Repertoire im „globalen Krieg gegen den Terror“gehören, weltweit umstritten. Bei den Angriffen wurden immer wieder auch Unschuldig­e getötet.

Ihre Karriere beeinträch­tigte dies nicht. Im Gegenteil: Obama beförderte Avril Haines 2014 zur stellvertr­etenden CIA-Direktorin. So konnte sie im verschlung­enen Geheimdien­st-Metier Erfahrunge­n sammeln und Kontakte knüpfen, von denen sie jetzt profitiert.

Simon Kaminski

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Foto: dpa

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