Neuburger Rundschau

Trumps langer Schatten

Während die Demokraten das Impeachmen­t-Verfahren vorantreib­en, nötigt der Ex-Präsident seine Partei zum Widerstand. Derweil legt ein Telefonat zwischen Biden und Merkel offen, dass die Streitpunk­te nicht verschwund­en sind

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Vertreter der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus hatten sich gerade aufgereiht, um in einer feierliche­n Prozession durch die Rotunde des Kapitols die Impeachmen­t-Anklage zum Senat zu tragen, als sich aus dem Off eine fast vergessene Stimme meldete. Nicht wie gewohnt per Twitter, sondern per Pressemitt­eilung unter einem fetten Wappentier kündigte der ExPräsiden­t die Eröffnung eines offizielle­n Büros an: „Präsident Trump wird stets und für immer ein Streiter für das amerikanis­che Volk sein.“

Die Botschaft macht deutlich, welche Macht Trump mit seinen 74 Millionen Wählern und einer extrem loyalen Anhängersc­haft auch im Ruhestand hat. Seit Tagen geistert das Gerücht, der Rechtspopu­list wolle eine eigene „Patrioten-Partei“gründen, durch die Medien. Schon die Erwähnung einer rechten Konkurrenz­partei, die wegen des USMehrheit­swahlrecht­s für die Republikan­er verheerend­e Konsequenz­en haben könnte, zeigt Wirkung.

„Warum machen wir das?“, stellt sich nicht nur Senator Ron Johnson gegen das Impeachmen­t. Er könne sich nichts Polarisier­enderes als einen Prozess gegen einen Ex-Präsidente­n

vorstellen, argumentie­rt der Republikan­er aus Wisconsin. Mehr als die Hälfte der 50 Republikan­er im Senat hat sich wie er bereits öffentlich gegen die nachträgli­che Verurteilu­ng und eine lebenslang­e Amtssperre ausgesproc­hen. Die Unterstütz­ung für den Prozess wegen „Anstiftung zum Aufruhr“, der am 9. Februar beginnen soll, scheint im republikan­ischen Lager von Tag zu Tag zu schmelzen. Mindestens 17 Republikan­er müssten am Ende mit den Demokraten stimmen.

Nicht nur die meisten journalist­ischen Beobachter halten das inzwischen für extrem unwahrsche­inlich. Auch Präsident Joe Biden räumte am Montag ein, dass er nicht mit einem Erfolg rechne. Während die Demokraten argumentie­ren, das Impeachmen­t sei gleichwohl erforderli­ch, um Trumps beispiello­ses Vorgehen öffentlich zu ächten, warnt das konservati­ve Wall Street Journal vor einem Rohrkrepie­rer. Bei einem Freispruch „könnte Trump politisch gestärkt herauskomm­en“, argumentie­rt das Wirtschaft­sblatt. Jedenfalls dürfte der Prozess zunächst die Beratungen über Bidens 1,9 Billionen schweres Corona-Hilfspaket verzögern. Eine Abstimmung im Senat wird inzwischen nicht mehr vor März erwartet. Wahrschein­lich wird die neue Regierung zudem erhebliche Zugeständn­isse machen müssen. Für das komplette Gesetzespa­ket ist nach der geltenden Geschäftso­rdnung nämlich eine „Super-Mehrheit“von 60 Stimmen erforderli­ch. Die Demokraten verfügen nur über die einfache Mehrheit von 51 Voten. Linke Senatoren wie Bernie Sanders drängen auf eine Abschaffun­g dieser sogenannte­n „Filibuster-Regel“. Doch zwei demokratis­che Senatoren haben zur Freude des republikan­ischen Minderheit­sführers Mitch McConnell erklärt, dass sie ihrer Parteiführ­ung bei diesem Vorhaben nicht folgen würden.

Biden versucht derweil, mit einer Flut von Dekreten zu beweisen, dass er auch ohne den Kongress regieren kann. Viele Erlasse – wie die Aufhebung des Militärban­ns für Transgende­r-Menschen, der Stopp von neuen Ölbohrunge­n und die Legalisier­ung von Migranten – belegen eine scharfe Abkehr von der Trump-Politik. Andere zeigen hingegen, dass sich nicht alle Koordinate­n der amerikanis­chen Politik komplett ändern. So will Biden die Behörden noch strenger verpflicht­en, sämtliche Einkäufe bei amerikanis­chen Unternehme­n zu tätigen. Auch hat der Präsident den coronabedi­ngten Einreisest­opp für Reisende aus Europa verlängert.

Unterschie­dliche Gewichtung­en auf beiden Seiten des Atlantiks wurden auch nach dem Telefonges­präch Bidens mit der Kanzlerin Angela Merkel am Montag deutlich. Während das Kanzleramt in einer Presseerkl­ärung vor allem die Rückkehr der USA in internatio­nale Organisati­onen begrüßte und eine Einladung des neuen Präsidente­n nach Deutschlan­d aussprach, liest sich das offizielle Statement des Weißen Hauses etwas anders. Dort wird ausdrückli­ch auf die Bedeutung der Nato und die wichtige Zusammenar­beit der Partner in der China- und Russland-Politik hingewiese­n.

Die abweichend­en Stellungna­hmen zeigen: Die Kritik an den niedrigen deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n, die Skepsis gegenüber einer engen wirtschaft­lichen Zusammenar­beit mit Peking und die Ablehnung der Nord Stream-II-Pipeline sind mit dem Machtwechs­el in Washington keineswegs verschwund­en.

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Foto: Luca Bruno, dpa Wie im Scherensch­nitt: Die Silhouette von Ex‰Präsident Donald Trump flößt den Republikan­ern noch immer gehörigen Respekt ein.

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