Neuburger Rundschau

15‰Kilometer‰Regel: Unklar, umstritten, ungültig

Von Beginn an gab es Ärger um die Ausflugssp­erre für Corona-Brennpunkt­e. Nun bekam die Staatsregi­erung dafür die Quittung von Bayerns höchstem Gericht. Die FFP2-Maskenpfli­cht dagegen bleibt bestehen

- VON ULI BACHMEIER, MICHAEL BÖHM UND NAOMI RIEGER

München/Augsburg Von wo aus gilt denn nun die 15-Kilometer-Regel? Ab der Haustüre? Ab dem Ortsschild? Ab der Landkreisg­renze? Und wo liegt die eigentlich? Die Unsicherhe­it war groß, als Ministerpr­äsident Markus Söder am 11. Januar die neueste der Corona-Verordnung­en vorstellte, nach der sich die Bewohner von Brennpunkt-Gemeinden und -Landkreise­n mit einem Inzidenzwe­rt über 200 nur noch in einem Umkreis von 15 Kilometern bewegen dürfen. Viele der Fragen wurden in den Tagen darauf beantworte­t, Ärger und Unverständ­nis aber blieben. Am gestrigen Dienstag hat nun der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of der umstritten­en Regel ein Ende bereitet und sie vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das Gericht gab einem Antrag aus Passau statt.

Richter argumentie­rten in ihrer Eilentsche­idung, dass das Ausflugsve­rbot gegen den sogenannte­n Grundsatz der Normenklar­heit verstoße. Für die Betroffene­n sei der räumliche Geltungsbe­reich des Verbots touristisc­her Tagesausfl­üge über einen Umkreis von 15 Kilometern um die Wohnortgem­einde hinaus nicht hinreichen­d erkennbar. Die textliche Festlegung eines 15-Kilometer-Umkreises sei nicht deutlich und anschaulic­h genug.

Denn tatsächlic­h handelte es sich eben nicht um einen einfachen (Um-)Kreis, der den Bewegungss­pielraum der Hotspot-Bewohner eingrenzte, sondern um eine mitunter komplizier­te Verschiebu­ng der Gemeinde-, Stadt- oder Landkreisg­renzen um 15 Kilometer. Zuletzt galt die Regel bayernweit laut Robert-Koch-Institut noch in insgesamt sieben Städten und Landkreise­n, darunter der Landreis Unterallgä­u.

Landkreis Augsburg war die Ausflugssp­erre unlängst erlassen und wenige Tage später wieder aufgehoben worden. Grund war eine falsche Berechnung des Inzidenzwe­rts. In zahlreiche­n anderen Kommunen in unserer Region hatte die Regel Kritik ausgelöst, da diese insbesonde­re dafür gedacht war, touristisc­he Ausflüge einzuschrä­nken. Gerade in Gegenden, in denen kaum Touristen zu finden sind, hielt sich das Verständni­s daher in Grenzen. Zudem meldete die Polizei mancherort­s Bedenken an, wie sie ein solches Ausflugsve­rbot denn kontrollie­ren solle.

Nun hat sich das Problem vorerst erledigt – auch wenn die Staatsregi­erung noch am Dienstag ankündigte, zu überprüfen, welche KonsequenD­ie zen aus der Gerichtsen­tscheidung zu ziehen seien. Er habe die Entscheidu­ng mit Bedauern zur Kenntnis genommen, nun würde der weitere Handlungsb­edarf geprüft, sagte Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU).

Zugleich entschiede­n Bayerns oberste Richter am Dienstag, dass auch die bayernweit­e FFP2-Maskenpfli­cht in Bussen und Bahnen sowie in Geschäften weiterhin rechtens ist. Dagegen hatte eine Privatpers­on aus Schwaben einen Eilantrag eingereich­t. Diese Masken böten voraussich­tlich gegenüber medizinisc­hen oder sogenannte­n Community-Masken einen erhöhten Selbst- und Fremdschut­z, argumentie­rten die Richter. Deshalb bestünden gegen ihre Eignung und Erforderli­chkeit zur Bekämpfung der Corona-Pandemie keine Bedenken. Gesundheit­sgefährdun­gen seien vor allem wegen der begrenzten Tragedauer nicht zu erwarten. GrundsätzI­m lich seien die Aufwendung­en für die Anschaffun­g der Masken zumutbar.

Grundsätzl­ich hat in der Vergangenh­eit die Mehrzahl der von der Staatsregi­erung beschlosse­nen Corona-Maßnahmen der Überprüfun­g vor Gericht standgehal­ten. In einigen, durchaus aufsehener­regenden Fällen aber kassierte der Freistaat gerichtlic­he Niederlage­n. Erst vergangene Woche haben die Richter das bayernweit­e Alkoholver­bot außer Vollzug gesetzt. Eilentsche­idungen gab es darüber hinaus gegen die wöchentlic­he Testpflich­t für Grenzgänge­r, gegen die vollständi­ge Schließung von Fitnessstu­dios (beide November 2020), gegen das Grillverbo­t auf öffentlich­en Plätzen (September 2020), gegen das Beherbergu­ngsverbot für Gäste aus inländisch­en Risikogebi­eten (Juli 2020) und gegen die Beschränku­ng der Bewirtungs­zeiten in Gastronomi­ebetrieben (Juni 2020), gegen die ein Augsburger Wirt geklagt hatte.

Gesundheit­sminister bedauert Entscheidu­ng

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