Neuburger Rundschau

Gewalttat entsetzt Frankreich

Jugendlich­er wurde ins Koma geprügelt

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Keine 25 Sekunden dauert das Video, das durch die rohe Gewalt, die es zeigt, Frankreich aufwühlt – seit Tagen schon. Etwa zehn Halbwüchsi­ge in Sportkleid­ung, kaum erkennbar durch Gesichtsma­sken und Kapuzen, treten und schlagen darin auf einen Jugendlich­en ein, immer wieder und auch mit einem schweren Gegenstand – selbst als ihr Opfer zu Boden gegangen ist. Dort lassen sie Yuriy dann einfach liegen.

Die Aufnahmen von Mitte Januar stammen von einer Überwachun­gskamera und wurden mit einem Smartphone abgefilmt. Ein anonymer Nutzer verbreitet­e sie später über Twitter, am Wochenende wurden sie frankreich­weit bekannt.

Während sie auf Twitter wegen ihrer Brutalität nicht mehr auffindbar sind, machen nun Fotos eines zurückhalt­end lächelnden Yuriy die Runde in sozialen Netzwerken, begleitet von zahlreiche­n Genesungsw­ünschen. Seinen 15. Geburtstag am vergangene­n Donnerstag verbrachte er im künstliche­n Koma, nachdem er von dem Angriff ein Schädeltra­uma davontrug. Gebrochen waren außerdem die Nase, ein Arm, die Schultern, einige Rippen und Finger. Mehr als sechs Stunden musste er operiert werden, weitere Augenopera­tionen stehen an.

Am Samstag erwachte er schließlic­h wieder aus dem Koma. Ihm gehe es etwas besser, sagte seine Mutter, eine in Frankreich lebende Ukrainerin, im Fernsehen: „Er versucht zu sprechen, er bewegt sich und das ist ein sehr gutes Zeichen.“Wahrschein­lich werde ihr Sohn nicht gelähmt sein. „Aber wird er sich an uns erinnern, sprechen, arbeiten, Fußball spielen können wie vorher? Keiner weiß es. Dafür ist es noch zu früh.“Noch im Krankenwag­en hatte Yuriy seiner Mutter gesagt, er kenne die Täter nicht. Und: Er wolle nicht sterben.

Zu der schockiere­nden Gewalttat kam es im eher ruhigen 15. Arrondisse­ment, ein Pariser Stadtbezir­k, der nicht weit vom Eiffelturm entfernt ist – nicht in den berüchtigt­en Vorstädten also, sondern in einem Geschäftsv­iertel im Zentrum. Dort befindet sich Yuriys Schule. Er hatte sie an jenem Abend mit Freunden verlassen. Medien zitieren aus Ermittlerk­reisen, dass er zwischen rivalisier­ende Banden geraten sein könnte. Er selbst wird als eifriger Schüler beschriebe­n; der Polizei war er nicht bekannt.

Noch am Tag der Tat eröffnete die Staatsanwa­ltschaft ein Verfahren wegen gemeinscha­ftlichen versuchten Totschlags. Stadtteil-Bürgermeis­ter Philippe Goujon versprach die Verstärkun­g von Patrouille­n und beklagte die „in Paris seltene“Brutalität der Tat. Diese wurde allerdings nur öffentlich, weil sie gefilmt und in sozialen Medien verbreitet wurde. Andernfall­s wäre wohl kaum einer auf den Fall aufmerksam geworden. Der zog weite Kreise: Frankreich­s Innen- und der Justizmini­ster sagten zu, die Täter zu finden. Auch mehrere Prominente drückten dem Opfer und seiner Familie ihre Anteilnahm­e aus.

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Foto: Ian Langsdon, dpa In diesem Pariser Geschäftsv­iertel kam es zu der Attacke.

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