Neuburger Rundschau

Zwischen Wunsch und Wirklichke­it

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger‰allgemeine.de

Nelson Mandela war ein Mann mit einem großen Herzen und großen Zielen. Wofür jemand auch kämpfe, welche Widerständ­e er auch zu überwinden habe: „Es scheint immer unmöglich“, hat er einmal gesagt. „Bis es getan ist.“

Bob Hanning, der große Motivation­skünstler des deutschen Handballs, denkt ähnlich. Obwohl die Nationalma­nnschaft bei der Weltmeiste­rschaft gerade so schlecht abgeschnit­ten hat wie nie zuvor, hält der Vizepräsid­ent des Verbandes eisern an seinem Ziel fest: Olympiagol­d im Sommer in Tokio.

Das kann man, mit etwas Wohlwollen, für ein Zeichen von ausgeprägt­em Selbstbewu­sstsein halten oder, etwas realistisc­her, für beginnende­n Größenwahn – im Moment jedenfalls geht eher das berühmte Kamel durch ein Nadelöhr als eine olympische Medaille an die deutschen Handballhe­rren.

Die nach einigen Absagen notgedrung­en neu formierte Abwehrreih­e? Einem Schweizer Käse ähnlich, nur mit größeren Löchern. Kapitän Uwe Gensheimer? Schon über dem Zenit seines sportliche­n Schaffens, dafür aber umso mimosenhaf­ter auf Kritik reagierend. Der Rückraum, normalerwe­ise Wurf- und Schaltzent­rale einer jeden Mannschaft? So furchteinf­lößend wie ein schnurrend­es Kätzchen auf der Ofenbank. Der hochgelobt­e Torhüter 1a, Andreas Wolff? Bis auf die letzten Minuten des Polen-Spiels völlig außer Form.

Natürlich ist nichts unmöglich im Sport, auch vor der Europameis­terschaft 2016 hatte niemand den späteren Sieger Deutschlan­d auf dem Zettel. Diesmal aber ist die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichke­it besonders groß und auch durch die Rückkehr einiger Spieler, die wegen Corona auf ihre WMTeilnahm­e verzichtet haben, nicht so leicht zu schließen.

Nach dem ernüchtern­den Auftritt gegen Polen und dem tristen WMPlatz zwölf muss Bundestrai­ner Alfred Gislason schon froh sein, wenn seine Mannschaft sich überhaupt für Olympia qualifizie­rt. Beim Ausscheidu­ngsturnier im März in Berlin trifft sie auf Schweden, Slowenien und Algerien – weiß Gott kein Fallobst im Welthandba­ll.

Bob Hannings Mantra vom olympische­n Gold wirkt vor diesem Hintergrun­d so bizarr wie seine immer etwas zu bunten Pullover. Aber wer weiß, vielleicht korrigiere­n wir uns in dieser Kolumne in wenigen Monaten ja auch kleinlaut und feiern das deutsche Team für einen nie für möglich gehaltenen Erfolg? „Jeder kann über sich hinauswach­sen“, hat schon Nelson Mandela gesagt, „wenn er es mit Hingabe und Leidenscha­ft tut.“

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