Raus aus dem Tal der Ahnungslosen
Mit 240 Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass Deutschland im Umgang mit Daten nicht abgehängt wird. Doch sie kämpft gegen ein tiefes Misstrauen
Berlin Im Geschäft mit den schnellen Daten ist Deutschland noch viel zu langsam. Das jedenfalls ist die Auffassung der Bundesregierung, und sie hat deshalb jetzt die seit Monaten diskutierte Datenstrategie auf den Weg gebracht. Das Papier beschreibt 240 konkrete Maßnahmen, die noch umgesetzt werden sollen oder zum Teil auch schon in der Umsetzung sind, wie Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Mittwoch in Berlin erklärte.
Da geht es um Themen wie eine gute Dateninfrastruktur, ohne die eine gewinnbringende Datennutzung nicht möglich ist. Es geht aber auch um Datensicherheit, die in Zukunft unter anderem durch sogenannte Datentreuhänder gewährleistet sein soll.
Die Regierung beobachtet schon seit Längerem mit Sorge, dass sich das Geschäft mit den Daten international schneller entwickelt als hierzulande. Diese Daten entstehen immer dann, wenn Menschen mit dem Internet verbunden sind, egal ob sie einkaufen, sich informieren, ein Video schauen oder das Navigationssystem ihres Handys anschalten. Sie entstehen aber auch in Unternehmen bei Produktion und Forschung. Als Patientendaten entstehen sie im Gesundheitssystem.
Um den Datenturbo auf Touren zu bringen, sollen Unternehmen und Behörden künftig Daten auch zur gewerblichen Nutzung bereitstellen. Deutschland könne es sich nicht leisten, diese „Datenschätze“ungenutzt zu lassen, sagte Braun.
Zu den 240 Maßnahmen gehören beispielsweise Vorhaben zu Quantenund Hochleistungsrechnern. Es geht auch darum, dass Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft in geschützten Bereichen, etwa beim deutschen Krebsregister, sicher und vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Die Regierung will auch die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass mehr Daten verantwortungsvoll und nachhaltig genutzt und geteilt werden können.
Forschungsministerin Anja Karliczek erklärte, Daten seien im digitalen Zeitalter „ein elementarer Schlüssel für die Zukunft des Innovationslandes Deutschland“. Die
Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Quellen ermögliche neuartige Erkenntnisse und Innovationen in Wissenschaft und Forschung. „Sie ist Grundlage für neue Technologien, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle. Für eine erfolgreiche digitale Zukunft müssen wir dieses Potenzial bestmöglich ausschöpfen“, erklärte die CDUPolitikerin. Karliczek nannte als ein Beispiel die Gesundheitsforschung: „In der Covid-19-Pandemie konnte auch durch das verstärkte Teilen von Daten die gemeinsame Forschung
und Entwicklung eines Impfstoffes in dieser kurzen Zeit gelingen.“
Die schwarz-rote Bundesregierung will Deutschland zwar aus dem Tal der digital Ahnungslosen herausführen, an ein zweites Silicon Valley werde aber nicht gedacht, versicherte Kanzleramtschef Braun. Es sollen nicht, wie in den USA oder Südkorea, einige wenige den deutschen Markt beherrschen, wie der CDU-Politiker erklärte. Vielfalt ist angesagt, deshalb müsse der Mittelstand unbedingt beteiligt sein, betonte Braun.
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär erklärte, man hätte die Strategie gerne schon 2020 abgeschlossen. Dann aber habe man sich dazu entschlossen, die Erkenntnisse der Pandemie einfließen lassen zu wollen. Eine Erkenntnis dabei ist offenbar, dass die Deutschen der umfassenden Nutzung von Daten in Teilen zumindest kritisch gegenüberstehen und dem Datenschutz den Vorzug geben. Die Strategie könne aber kein Erfolg werden, wenn nicht jeder mitmache, sagte Bär. Ein weiterer Baustein der Strategie ist deshalb die Vermittlung von Datenkompetenz. Sie gehöre unbedingt „zum ABC der Digitalisierung“, meinte die CSUPolitikerin.
Der Branchenverband Bitkom bezeichnete die Datenstrategie als überfällig. „Vor mehr als einem Jahr hat die Bundesregierung Eckpunkte für eine Datenstrategie vorgelegt. Jetzt müssen wir aus dem Diskussionsin den Umsetzungsmodus wechseln“, erklärte Präsident Achim Berg. Jetzt gelte es, „bestehende Rechtsunsicherheiten aufzulösen, die den Einsatz neuer Technologien hemmen“.