Gute Zeiten, schlechte Zeiten
David Elsner hat schon Mitspieler angeschrien, mit Trainern gestritten, sich selbst auf die Tribüne gesetzt, einen Mentalcoach konsultiert. Mit Druck, sagt der Stürmer, kann er nicht umgehen. Sein Saisonstart verlief holprig. Wie will er sich diesmal durc
Ingolstadt In einem Geschäft, das zuletzt so glatt geschliffen wurde, bleibt David Elsner ein Mann mit Kanten. Einer, der überdreht, wenn er gut spielt und sich höchstpersönlich ans Schafott führt, wenn es nicht läuft. Himmelhochjauchzend oder todesbetrübt. Ein Wandler zwischen Welten.
Elsners Schultern hingen zuletzt wieder verdächtig oft nach unten. Vor gut zwei Wochen in Augsburg, es war einer dieser Abende, nur ein Elsner-Schuss, kein Erfolgserlebnis, sagte der Stürmer des ERC Ingolstadt: „Aktuell bin ich der schlechteste Spieler dieser Mannschaft.“Es sind eindeutige Warnhinweise. Elsner macht mal wieder eine dieser Phasen durch.
Der 28-Jährige hat einen schweren Saisonstart hinter sich. Das lässt sich statistisch belegen. Stand er auf dem Eis, kassierte seine Reihe vier Treffer mehr als sie schoss, teaminterner Minuswert. In der Vorsaison feuerte Elsner zweimal pro Partie aufs Tor, jetzt im Schnitt nur 1,1 Mal. Erst dreimal zog er aus dem Slot ab, der gefährlichen Zone vor dem Kasten. Genauso oft wie Defensivverteidiger Fabio Wagner. Zehn Partien, null Vorlagen, zwei Tore.
Sein Trainer Doug Shedden sagt: „Er kann 15 bis 20 Tore pro Saison schießen. Er muss punkten.“David Elsner sagt: „Schieß erst mal 15, 20 Tore. Solche Aussagen sind immer schwierig.“
Punktet Elsner nicht, fängt er an nachzudenken. Und fängt Elsner an nachzudenken, punktet er nicht. Eine Abwärtsspirale. „Bei mir fängt das zwei, drei Tage vor den Spielen an“, erzählt er. Er fragt sich dann: Was kannst du besser machen? Wirst du, verdammt noch mal, den Erwartungen gerecht?
„Ich habe Angst davor, dass ich nicht gut genug bin. Ich kann mit Druck nicht umgehen. Du kannst
ins Penaltyschießen stellen und ich würde zu 100 Prozent verschießen“, gibt Elsner zu.
Das Potenzial des Rechtsschützen ist unbestritten. Sein Schuss zählt zu den besten im gesamten Team. Elsner ist bullig, rackert. Eigentlich ein Mann fürs Powerplay, sagt Shedden. Aktuell lässt er ihn aber in der vierten Reihe neben Hans Detsch und Samuel Soramies auflaufen. Mit dem Leistungsabfall haben sich auch
Einsatzzeiten verringert, die nächste Drucksituation für den Angreifer: „Das ist immer am schwierigsten. Du versuchst, aus wenig Eiszeit das Bestmögliche zu machen.“Dann blitzt kurz der euphorische Elsner durch: „Wir wollen die beste vierte Reihe der Liga sein.“
In seinen fünfeinhalb Jahren beim ERC hat Elsner viele Nebenmänner gehabt. Er bildete eine Kämpferreimich he mit Joachim Ramoser, einem seiner besten Kumpels; reifte neben Thomas Greilinger, Auftrag: Räume schaffen für die Klublegende, wieder Druck; machte im Vorjahr Schlagzeilen als Teil eines spektakulären deutschen Trios mit Mirko Höfflin und Tim Wohlgemuth.
2015 kam der Landshuter nach Ingolstadt, mit 23, als Psychopath, wie Elsner selbst sagt: „Ich bin aufs Eis gegangen, um meine AggressioElsners nen loszuwerden., habe mit einem Leck-mich-am-Arsch-Gefühl gespielt.“Seine Schlittschuhe hingen da schon fast am Nagel. Elsner hatte sich in der kanadischen Juniorenliga OHL nicht durchsetzen können und zwei Jahre in Nürnberg aus dem Koffer gelebt, weil er oft zu den Kooperationspartnern in der zweiten Liga abgeschoben wurde.
2017, in seinem zweiten Ingolstadt-Jahr, wählen die Fans Elsner zum Panther des Jahres. „Irgendwie habe ich mich dann durchgebissen“, erinnert er sich. Trainer damals: Tommy Samuelsson. Einer, der seinem unsicheren Schützling vertraute. Im Gegensatz etwa zu Tray Tuomie und Martin Jiranek damals in Nürnberg oder Kurt Kleinendorst im ersten ERC-Jahr. Und Doug Shedden?
„Wir zählen auf ihn. David und ich hatten in den vergangenen drei Jahren eine Geschichte. Ich trage mittlerweile Stahlkappenschuhe, weil er so viele Arschtritte braucht. Aber er reagiert darauf. Würde ich mit Wohlgemuth so umgehen, würde er sich irgendwo unter einem Teppich verstecken“, sagt der Trainer.
Elsner sitzt in diesem Moment fünf Meter neben Shedden, den Kopf auf die Handballen gestützt. Er denkt nach. „Noch habe ich nicht wieder das volle Vertrauen von ihm“, sagt er.
Er hat in der Vergangenheit viel versucht, um den Druck zu kompensieren. In der Vorsaison engagierte er einen Mentalcoach („Aber so viel Geld verdien’ ich auch nicht, um jede Woche 200 Euro pro Stunde zu zahlen“). Er ging in die Trainerkabine, wenn er sich schlecht fühlte, und sagte: „Ich will nicht spielen.“Er schrie Mitspieler in der Kabine an und stritt mit Shedden. Jetzt will er es anders schaffen. Schritt 1: Körperspiel. „Ich muss am Anfang eigentlich immer einen Check fahren, um ins Spiel zu finden.“Schritt 2: Geradlinigkeit. „Ich soll nicht schön spielen, wie ein Superstar, sondern mein Ding machen. Scheiben aufs Tor bringen – und zwar wirklich aufs Tor – Checks zu Ende fahren.“Schritt 3: Vorbild sein. „Irgendwann bist du in einem Alter, in dem junge Spieler vielleicht zu dir aufschauen und beobachten, wie du reagierst, wenn es nicht läuft.“Elsner ist nach Wagner der dienstälteste Akteur beim ERC. Die beiden Landshuter kennen sich seit Jugendtagen. Der Elsi sei ein typischer Niederbayer, sagt Wagner, immer lustig und ehrlich. „Man merkt bei ihm schon, dass er sich manchmal hängen lässt. Wir versuchen alles, um ihn als Team zu unterstützen.“
Mit einer Traumvorlage etwa. Jüngster Sonntag, Topspiel in Mannheim, 0:0. Wagner zaubert einen Rückhandpass auf Elsners Kelle. Er ist frei durch. „Ich dachte mir nur: ‚Schieß jetzt nicht in die Fanghand’“, erinnert sich der Stürmer. Elsner findet die Lücke rechts unten, sein zweites Saisontor.
„Elsi hat in den beiden vergangenen Partien besser gespielt. Er punktet, wenn er Checks fährt und Schlittschuh läuft und dann macht er seine Reihe besser“, findet Shedden. Ein sachter Aufwärtstrend also.
Neulich, in München, da blieb David Elsner ein sicheres Tor verwehrt. Kollege Wohlgemuth hatte ihn frei am Pfosten übersehen. Elsner ließ seinen Schläger enttäuscht aufs Eis plumpsen und trottete zum Wechseln. Sein früheres Ich hätte Wohlgemuth auf der Bank wohl die Leviten gelesen. Jetzt, erzählt Elsner, habe er, den die Gedanken stets jagen, den 21-jährigen zur Seite genommen und gesagt: „Timmy, mach dir keinen Kopf.“
● ERC in Kürze Ingolstadt wird im Heimspiel gegen Nürnberg (heute, 20.30 Uhr) zwar in neongrünen Ausweichtrikots, aber in unveränderter Aufstellung spielen. Wer im Tor steht, entscheidet Shedden spontan.