Neuburger Rundschau

Fehlt Wohnraum für Senioren?

Die „Babyboomer-Generation“steuert auf den Ruhestand zu. Doch momentan ist nur ein kleiner Teil der Wohnungen barrierefr­ei, warnt die IG Bau. Auch Experten aus Neuburg sehen Handlungsb­edarf

- VON ANDREAS SCHOPF

Die „Babyboomer-Generation“steuert auf den Ruhestand zu. Doch momentan ist nur ein kleiner Teil der Wohnungen barrierefr­ei, warnt die IG Bau.

Neuburg Der demografis­che Wandel ist im vollen Gange. Die sogenannte „Babyboomer-Generation“steuert auf den Ruhestand zu. Da gleichzeit­ig der Nachwuchs fehlt, wird die Gesellscha­ft immer älter, auch in der Region. Im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n könnte die Zahl der Menschen, die älter als 65 sind, bis zum Jahr 2035 auf 26.600 anwachsen – das sind 47 Prozent mehr als noch im Jahr 2017. Ihr Anteil an der Bevölkerun­g läge dann bei 26 Prozent. 2017 lag der Wert noch bei 19 Prozent. Darauf hat die IG BauenAgrar-Umwelt (IG Bau) vor Kurzem hingewiese­n. Die Gewerkscha­ft beruft sich hierbei auf eine Demografie-Prognose des CIMA Instituts für Regionalwi­rtschaft. Hintergrun­d der Mitteilung: Die Industrieg­ewerkschaf­t befürchtet, dass der Ausbau von barrierefr­eien Wohnungen für Senioren nicht mit der demografis­chen Entwicklun­g mithalten wird. Fehlt auch in der Region künftig Wohnraum für die ältere Generation?

Die IG Bau fordert mehr Anstrengun­gen bei der Schaffung seniorenge­rechter Wohnungen: „Lift statt Treppe, breitere Türen für Rollator und Rollstuhl, barrierefr­eie Duschen – nur ein kleiner Teil der Wohnungen im Landkreis ist für die rasant wachsende Generation Ü65 geeignet. Das muss sich ändern“, sagt Michael Müller, Bezirksvor­sitzender der IG Bau Oberbayern. Er spricht von einer „demografis­chen Notwendigk­eit“. Es müssten nicht nur zusätzlich­e Seniorenwo­hnungen neu gebaut werden. Auch bei der altersgere­chten Sanierung bestehende­r Wohnungen sei der Nachholbed­arf groß. „Wenn die Rentner-Generation nicht stärker berücksich­tigt wird, droht vielerorts schon in einigen Jahren eine graue Wohnungsno­t“, betont Müller. Dieses Problem werde bereits jetzt durch die Corona-Pandemie verschärft, weil gerade ältere Menschen einen Großteil des Tages zuhause verbringen müssten.

Thomas Kappelmeie­r von der gleichnami­gen Immobilien-Agentur in Neuburg kann diese Sorge nachvollzi­ehen. „Ich sehe die Warnung aus volkswirts­chaftliche­r Sicht berechtigt“, sagt er. Die „Boomer-Generation“komme langsam in das Alter, in dem Seniorenwo­hnungen ein Thema werden. „Um hier gleich dem drohenden Wohnraumma­ngel für diese spezielle Art von Wohnungen und damit einhergehe­nd steigenden Preisen entgegenzu­wirken, macht es auf jeden Fall Sinn, auch hier mehr zu bauen“, so Kappelmeie­r.

Er betont, dass vor allem vor dem Hintergrun­d der Altersarmu­t und der eingeschrä­nkten Handlungsm­öglichkeit­en Senioren zu einer besonders schutzbedü­rftigen Personengr­uppe gehören. Hier sei auf bezahlbare­n Wohnraum ganz besonders zu achten. Immobilien­makler Kappelmeie­r hält Förderunge­n als

für sinnvoll. Was er beobachten konnte: Im Neubau ist der barrierefr­eie Bau mittlerwei­le zum Standard geworden. „Bei Sanierunge­n und Modernisie­rungen, besonders im historisch­en Altbau, scheitert es oft an der Erlaubnis, Aufzüge oder Fenster für vollwertig­e Wohnräume nachträgli­ch einzubauen.“

Auch Rainer Bierwagen, Geschäftsf­ührer der Gemeinnütz­igen Wohnungsba­ugesellsch­aft Neuburg (kurz GeWo), sieht bei diesem Thema Handlungsb­edarf. „Der Trend, dass die Menschen immer älter werden, ist eindeutig vorgezeich­net“, sagt er. Im Raum Neuburg beobachte er eine besondere Herausford­erung: Wenn man sich in der Region umschaue, sehe man viele Häuser, die ein halbes Stockwerk nach oben gesetzt sind. Das Erdgeschos­s ist also nicht barrierefr­ei zu erreichen. „Das könnte für Senioren zum Problem werden“, betont Bierwagen. Dies ist etwa im langen Wohnblock in der Eybstraße so. In diesem Fall wird der Wohnblock, wie berichtet, abgerissen und neu gebaut – mit barrierefr­eiem Erdgeschos­s. Eine Praxis, die mittlerwei­le Standard geworden ist, berichtet Bierwagen.

Nach seinen Angaben wird jedoch das Thema Aufzug immer wieder zum Problem. Ein solcher sei eine „Kostenfall­e“und im Unterhalt teuer. Für Investoren seien Lifte deshalb wirtschaft­lich zum Teil nicht tragbar. „So schön Aufzüge auch wären, im Hinblick auf die Barrierefr­eiheit.“

Die staatliche Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) biete mit ihrem Programm „Altersgere­cht Um(Um)Bauanreiz bauen“zwar Zuschüsse und Kredite. Das Fördervolu­men von 150 Millionen Euro im vergangene­n Jahr reiche aber nicht aus, kritisiert die IG Bau. Der Bund müsse die Förderung mindestens verdoppeln, um das Senioren-Wohnen voranzubri­ngen, so die Forderung der Industrieg­ewerkschaf­t. Danach sehe es derzeit allerdings nicht aus: Laut Haushaltsp­lan stehen für die altersgere­chte Sanierung im laufenden Jahr nur noch 130 Millionen Euro zur Verfügung.

Am Ende stehe die Lebensqual­ität tausender Menschen im Kreis Neuburg-Schrobenha­usen auf dem Spiel. „Es kann nicht sein, dass ein Rentner nur deshalb ins teure Pflegeheim muss, weil eine ambulante Betreuung an der seniorenge­rechten Ausstattun­g der eigenen Wohnung scheitert“, macht Müller deutlich.

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Foto: Mascha Brichta, dpa (Symbol) Der Anteil älterer Menschen wird steigen. In Zukunft wird also auch der Bedarf für barrierefr­eien Wohnraum wachsen.

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