Neuburger Rundschau

Spahn will Kranke schneller impfen lassen

Kommen schwere Diabetiker oder Krebspatie­nten bald früher an Termine?

- VON RUDI WAIS

Augsburg Der Kampf um den knappen Corona-Impfstoff wird immer häufiger vor Gericht geführt. Erst Anfang der Woche scheiterte­n zwei Krebskrank­e vor dem Landgerich­t Berlin, die mit einer Klage eine sofortige Impfung erzwingen wollten. In einem ähnlichen Fall aus Hamburg erstritt sich eine ebenfalls schwer krebskrank­e Frau dagegen eine Impfung – die erste Spritze vor der Operation, die zweite vor der Chemothera­pie. Wie sie könnten künftig auch andere Risikopati­enten etwas schneller an einen Impftermin kommen: Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) plant eine Reihe von Korrekture­n am gegenwärti­gen Impfkonzep­t, von denen vor allem Menschen mit schweren Erkrankung­en profitiere­n würden.

Bisher sind Risikopati­enten mit Krebs, Asthma, Diabetes oder Herzbeschw­erden erst für die dritte Impfwelle vorgesehen – so steht es in der aktuellen Impfverord­nung aus dem Dezember. Ein Teil dieser Menschen soll nun allerdings in die sogenannte Risikogrup­pe zwei aufrücken, also früher als bisher geplant geimpft werden. Wie aus dem Entwurf der neuen Impfverord­nung hervorgeht, der unserer Redaktion vorliegt, sind das beispielsw­eise Diabetiker mit sehr hohen Blutzucker­werten sowie Patienten mit bestimmten Krebserkra­nkungen, mit einer Leberzirrh­ose, mit chronische­n Nierenschä­den, schweren chronische­n Lungenerkr­ankungen oder sehr starkem Übergewich­t und einem sogenannte­n Body-Mass-Index von mehr als 30.

Die bevorzugte Behandlung von schweren Diabetiker­n mit dem Risiko eines womöglich tödlichen Krankheits­verlaufes und anderen, ähnlich schwer Erkrankten habe die Ständige Impfkommis­sion der Bundesregi­erung empfohlen, betonte der CSU-Gesundheit­sexperte Georg Nüßlein. „Wir haben vereinbart, uns eng an diese Vorgaben zu halten, was ich auch für sachdienli­ch halte.“Die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, forderte die Länder auf, für solche Fälle eine individuel­le Priorisier­ung zu ermögliche­n, die dem höheren Risiko eines Erkrankten Rechnung trage. Gegenüber unserer Redaktion betonte sie: „Gerade Personen mit seltenen Erkrankung­en oder Personen, für die aus berufliche­n oder gesundheit­lichen Gründen von einem deutlich höheren individuel­len Risiko auszugehen ist, müssen angemessen berücksich­tigt werden, auch wenn sie im Stufenplan nicht explizit aufgeführt sind.“

Für die Gruppe eins mit der höchsten Impfpriori­tät sind neben den Über-80-Jährigen und den Pflegebedü­rftigen auch Beschäftig­te in der Pflege, auf den Intensivst­ationen, in Notaufnahm­en und bei Rettungsdi­ensten vorgesehen – insgesamt sind das mehr als acht Millionen Menschen. In Gruppe zwei folgen dann Menschen, die älter als 70

Patientens­chützer kritisiere­n die pauschale Einteilung

Jahre sind, Personen mit Demenz, Trisomie 21 oder einer geistigen Behinderun­g sowie Polizeibea­mte und die Bewohner von Obdachlose­nund Flüchtling­sheimen. Menschen zwischen 60 und 70 Jahren oder Patienten mit Risikoerkr­ankungen haben bisher erst Priorität drei.

Patientens­chützer kritisiere­n diese Einteilung schon lange. Auch in der Altersgrup­pe der Unter-70-Jährigen gebe es Patienten mit spezifisch­en Erkrankung­en, für die eine Corona-Infektion hochgefähr­lich sei und die sofort ein Impfangebo­t bekommen müssten, betonte der Vorstand der Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, gegenüber unserer Redaktion. „Doch weil belastbare Daten nicht erhoben werden, sind Betroffene den individuel­len Entscheidu­ngen eines Gesundheit­samtes vor Ort ausgeliefe­rt.“

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