Neuburger Rundschau

Wie Phönix aus der Asche?

Der russische Impfstoff Sputnik V hatte einen schlechten Ruf. Es fehlten Daten. Doch das Vakzin könnte eine große Zukunft haben

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg „Gam-Covid-Vac Lyo“– sexy klingt das nicht gerade. Also musste ein einprägsam­er Name für den vom staatliche­n GamaleyaIn­stitut entwickelt­en russischen Impfstoff her. Das Ergebnis: Sputnik V. Benannt in Erinnerung an den ersten sowjetisch­en Satelliten, der 1957 ins All startete – bis heute eine stählerne Ikone russischer Weltraumte­chnologie.

Die Freigabe für Sputnik V kam schnell. Präsident Wladimir Putin verkündete sie bereits am 11. August 2020 mit dem ihm eigenen spröden Stolz. Eine weltweite Premiere. Allerdings als Notfallzul­assung, die westlichen Standards nicht entsprach. Die Wissenscha­ftler verzichtet­en kurzerhand zunächst auf die aufwendige dritte Testphase, die in westlichen Ländern obligatori­sch ist. Moskau verordnete die Abkürzung, um möglichst schnell ein Präparat gegen Corona präsentier­en zu können – obwohl wichtige Daten und Transparen­z fehlten.

In der internatio­nalen Fachwelt waren die Zweifel groß. Auch eine Mehrheit der traditione­ll impfskepti­schen Russen traute anfangs der „Impfrakete“Sputnik V nicht über den Weg. Die Bereitscha­ft, sich spritzen zu lassen, wuchs nur langsam. Immerhin forschten die Wissenscha­ftler des Gamaleya-Instituts weiter. Testphase 3 mit 20 000 Probanden wurde gestartet, als SputnikV bereits auf dem Markt war. Ein Prozedere, das in Deutschlan­d, der EU oder in den USA aus gutem Grund nicht zulässig ist.

Allerdings spricht nichts dagegen, dann auf Sputnik zu setzen, wenn der Impfstoff alle Vorgaben der EU-Arzneimitt­elbehörde Ema erfüllt und in Europa zugelassen ist.

Der Antrag liegt der Behörde bereits vor. Mit guten Erfolgscha­ncen, denn ein Zwischenbe­richt, der jetzt in dem renommiert­en Fachmagazi­n The Lancet erschienen ist, weist Sputnik V als Impfstoff mit beachtlich­em Potenzial aus: Mit einem Wirksamkei­tsgrad von 91,6 Prozent erreicht das Vakzin fast die Werte der äußerst effektiven Produkte von Biontech oder Moderna. Die Nebenwirku­ngen sollen in fast allen Fällen milde ausgefalle­n sein.

Die Hersteller haben weitere gute Argumente. Sputnik V kann kommod bei vier bis acht Grad gelagert werden, ist also recht unempfindl­ich und wohl auch relativ preiswert – zwei Vorteile gegenüber den Vakzinen von Biontech und Moderna. Insbesonde­re, wenn es um Exporte in weniger zahlungskr­äftige Länder mit unterentwi­ckeltem Gesundheit­swesen geht. So haben mehrere süd- und mittelamer­ikanische Staaten Sputnik V geordert.

Bei dem russischen Impfstoff handelt es sich, wie beispielsw­eise auch bei dem Produkt von AstraZenec­a, um einen sogenannte­n Vektorimpf­stoff, der mit einem ungefährli­chen Erkältungs­virus als Trägerviru­s (Vektor) arbeitete. Doch Sputnik V hat ein Alleinstel­lungsmerkm­al: Er nutzt für die erste und zweite Dosis jeweils unterschie­dliche Erkältungs­viren. Russische, aber auch internatio­nale Wissenscha­ftler halten für wahrschein­lich oder zumindest denkbar, dass dies den Schutz für Geimpfte erhöhen könnte. Einleuchte­nd ist ganz generell, dass es von Vorteil ist, Impfstoffe mit verschiede­ner Wirkungswe­ise aufbieten zu können – nicht zuletzt angesichts der neuen Mutanten, die in immer schnellere­r Abfolge nachgewies­en werden.

Die Pläne Moskaus sind ehrgeizig. Dahinter mögen finanziell­e Interessen stecken, vor allem aber wäre der weltweite Einsatz von Sputnik V ein großer Prestigeer­folg für Moskau. Ein staatliche­r russischer Direktinve­stmentfond­s vermarktet den Impfstoff internatio­nal. Produziert wird das relativ unkomplizi­ert herstellba­re Vakzin bereits in Russland, Indien und Südkorea. China und Brasilien sollen folgen.

Ins Blickfeld geraten ist offensicht­lich auch Deutschlan­d, genauer gesagt der Pharmahers­teller IDT Biologika, der seinen Hauptsitz in Dessau hat. Der MDR hat recherchie­rt, dass die Russen das Unternehme­n aus Sachsen-Anhalt gerne als weiteren Kooperatio­nspartner gewinnen würde, um die Produktion weiter hochzufahr­en. Auch wenn Biologika Kontakte bisher nicht bestätigt hat – das Projekt würde ins Bild von der groß angelegten Sputnik-Offensive passen.

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Foto: dpa Original Sputnik V – der russische Impf‰ stoff könnte Furore machen.
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