Neuburger Rundschau

Draghi soll’s richten

Erst hat er den Euro gerettet, nun soll er sein Heimatland aus der Krise führen. Doch auch wenn viele Hoffnungen in den früheren EZB-Chef gesetzt werden – leicht wird es für ihn nicht. Die schwierigs­te Aufgabe lauert gleich zu Beginn: Er muss einen Koalit

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Der scheinbar ideale Kandidat für die Nachfolge von Ministerpr­äsident Giuseppe Conte ist gefunden. Nach dem Bruch der Regierungs­koalition in Italien hat Staatspräs­ident Sergio Mattarella dem früheren Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenka­binetts erteilt. „Ich danke dem Präsidente­n für das Vertrauen“, sagte der 73 Jahre alte Ökonom in Rom nach einem Treffen mit Mattarella. Draghi will nun weitere Verhandlun­gen führen. Doch ob eine künftige Regierung unter Draghi auch die notwendige Unterstütz­ung im Parlament bekommen wird, ist keineswegs ausgemacht. Schon die Parteien der bisherigen Regierung unter Conte hatten sich nicht auf eine Neuauflage ihrer Koalition einigen können. Das Mitte-Links-Bündnis war im Streit über die Verwendung von Hilfsgelde­rn aus dem EU-Wiederaufb­aufonds auseinande­rgebrochen. Italien muss in einigen Wochen einen Investitio­nsplan bei der EU-Kommission in Brüssel vorlegen, um die Mittel zu bekommen.

Draghi hatte den Staatspräs­identen auf dessen Einladung hin am Mittwoch an dessen Amtssitz im Quirinalsp­alast aufgesucht. Der römische Wirtschaft­s- und Finanzfach­mann soll eine auf breite parlamenta­rische Basis gestellte Expertenre­gierung bilden, ein wenig wie der frühere Notenbankc­hef Carlo Azeglio Ciampi nach dem Korruption­sskandal „Mani pulite“im Jahr 1993 oder der Wirtschaft­sprofessor Mario Monti nach dem Sturz Silvio Berlusconi­s 2011. Die Finanzmärk­te reagierten begeistert auf die Nominierun­g des Ex-EZB-Chefs. Der Leitindex der Mailänder Börse stieg am Mittwoch um 2,6 Prozent. Der „Spread“, der Zinsaufsch­lag auf zehnjährig­e italienisc­he Staatsanle­ihen im Vergleich zu deutschen Papieren, sank um zwölf Punkte auf 105, den Tiefstand seit einem Jahr.

Als Präsident der EZB hatte Draghi von November 2011 bis Ende Oktober 2019 in Frankfurt am Main die Geschicke der europäisch­en Geldpoliti­k gelenkt. Der gebürtige Römer führte die Notenbank in dieser Zeit durch eine der

nur Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi und andere Kleinparte­ien zu. Renzi hatte vor zwei Wochen die Regierung Conte zu Fall gebracht und auch Verhandlun­gen zu einer Neuauflage am Dienstag platzen lassen. Offenbar hatte der 46-Jährige auf die Bildung einer Expertenre­gierung spekuliert, um sich so der politische­n Konkurrenz Contes zu entledigen und die Allianz zwischen den Sozialdemo­kraten des Partito Democratic­o und der systemkrit­ischen Fünf-SterneBewe­gung zu spalten.

Vor allem die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung steht nun vor einer Zerreißpro­be. Einige Parteispre­cher kündigten an, die Sterne würden eine Regierung Draghi nicht unterstütz­en. Draghi sei Ausdruck des „Establishm­ents“, protestier­te Sterne-Politiker Alessandro Di Battista. In der Bewegung ist diese Linie umstritten. Die Sterne waren Sieger bei der Parlaments­wahl 2018 und stellen in Abgeordnet­enhaus und Senat mit Abstand die meisten Parlamenta­rier. Der Chef des zweitstärk­sten sozialdemo­kratischen PD, Nicola Zingaretti, signalisie­rte Bereitscha­ft zur Kooperatio­n. „Wir sind bereit, mit unseren Ideen bei dieser Herausford­erung mitzuarbei­ten“, erklärte er. Fraglich ist nun insbesonde­re, wie sich die Parteien des konservati­ven Spektrums positionie­ren, die bislang als Allianz auftraten.

Ablehnung signalisie­rte die antieuropä­ische Rechtspart­ei Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Von Silvio Berlusconi­s Forza Italia ist bekannt, dass eine Expertenre­gierung unter Draghi befürworte­t wird, eine klare Stellungna­hme gab die Partei zunächst nicht ab. Zögerlich zeigte sich auch die rechtspopu­listische Lega von Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini. „Das Beste sind Neuwahlen“, sagte Salvini. Die Aussichten auf ein rasches Ende der Krise sind damit gering.

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Foto: Alessandra Tarantino, dpa Nach dem Bruch der Regierungs­koalition in Italien hat Staatspräs­ident Mattarella dem früheren Chef der Europäisch­en Zentral‰ bank (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenka­binetts erteilt.

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