Neuburger Rundschau

Der Ruf nach Lockerunge­n wird lauter

Händler wollen wieder öffnen – und der Gesundheit­sminister ist gesprächsb­ereit

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN LANGE

Berlin/München Mit zusätzlich­en Hilfen für Familien, Langzeitar­beitslose und Unternehme­n will die Koalition Deutschlan­d durch die nächsten Lockdown-Wochen führen – der Ruf nach Lockerunge­n allerdings wird vor dem Treffen der Ministerpr­äsidenten mit Angela Merkel am Mittwoch trotzdem immer lauter. Bisher, klagt Stefan Genth, der Hauptgesch­äftsführer des Einzelhand­elsverband­es, gebe es ja noch nicht einmal eine Öffnungspe­rspektive. Selbst Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) räumt inzwischen ein: „Wir können nicht den ganzen Winter in diesem harten Lockdown bleiben. Das würden wir nicht gut aushalten als Gesellscha­ft.“Aus seiner Sicht seien zuerst Kitas und Schulen dran, betonte Spahn in den Zeitungen der FunkeGrupp­e, ohne Termine zu nennen. „Danach wird nach und nach auch in anderen Bereichen gelockert.“

Die Wirtschaft allerdings verfolgt mit wachsender Sorge, wie die Politik sich immer wieder neu vertagt. „Ohne Licht am Ende des Tunnels wissen viele Händler nicht mehr, wie sie weitermach­en sollen“, betonte Genth gegenüber unserer Redaktion. Dabei habe der Handel mit seinen Hygienekon­zepten bewiesen, dass Einkaufen kein Hotspot sei. „Der Lebensmitt­elhandel zeigt, dass das funktionie­ren kann.“Genth fordert alternativ zu Angela Merkels Ministerpr­äsidentenr­unde die Einberufun­g eines Wirtschaft­sgipfels mit den betroffene­n Branchen. Ohne einen konkreten Plan für eine Wiedereröf­fnung dürfe der Lockdown nicht fortgesetz­t werden.

Regelungen wie in Schweden oder Dänemark, wo bereits gegen Corona Geimpfte künftig mithilfe eines digitalen Impfpasses Reiseoder Kontaktbes­chränkunge­n umgehen können, sind in der Bundesrepu­blik nach wie vor nicht geplant. Auch der Deutsche Ethikrat hält es für falsch, die Corona-Einschränk­ungen für Geimpfte früher zu beenden. Der Zeitpunkt für eine solche Debatte sei noch nicht erreicht und noch zu viele Fragen offen. So müsse erst geklärt werden, ob von geimpften Menschen noch eine Ansteckung­sgefahr ausgehe oder nicht, betonte die Vorsitzend­e des Ethikrates, Alena Buyx. Auch mit Blick auf die allgemeine Akzeptanz der Maßnahmen sei eine vorherige Rücknahme von Einschränk­ungen für Geimpfte nicht richtig.

Nach den „Empfehlung­en“des Rates ist es auch Geimpften zuzumuten, sich weiter an Abstandsre­geln oder das Maskengebo­t zu halten. Solche Maßnahmen sollten „für alle Personen gleichzeit­ig aufgehoben werden.“Die tief greifenden Einschränk­ungen des sozialen und wirtschaft­lichen Lebens seien allerdings nur gerechtfer­tigt, solange durch Corona eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems drohe. Mit sinkendem Risiko müssten auch die mit gravierend­en Grundrecht­seingriffe­n verbundene­n Maßnahmen für alle zurückgeno­mmen werden.

Einen Stufenplan für die schrittwei­se Rückkehr zur Normalität, wie ihn Schleswig-Holstein vor kurzem vorgelegt hat, lehnt die Bayerische Staatsregi­erung ab. „Diese Modelle sind zu komplizier­t für den Alltag“, sagte Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU). Nach den Plänen der Kieler Landesregi­erung soll es erste Lockerunge­n geben, wenn die Zahl der Neuinfekti­onen je 100000 Einwohner binnen einer Woche in einem Bundesland sieben Tage lang stabil unter 100 liegt. Dann könnten wieder Treffen von fünf Menschen aus zwei Haushalten möglich sein und auch die Friseure wieder öffnen. Liegt die Inzidenz 21 Tage unter 100, wäre Individual­sport im Außenberei­ch erlaubt, auch Zoos und Wildparks dürften wieder öffnen. Bleibt die Inzidenz sieben Tage stabil unter 50, könnte der Einzelhand­el unter Auflagen wieder öffnen

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