Neuburger Rundschau

Vorteil für London

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger‰allgemeine.de

Dieser Fehler hätte nicht passieren dürfen. Dass sich ausgerechn­et die Brüsseler EU-Kommission im Minenfeld des Nordirland­Protokolls verlief, wiegt schwer genug. Und dass ausgerechn­et die Behörde, die in den jahrelange­n Brexit-Verhandlun­gen eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland verhindern wollte, diese aus Versehen vorschlug, entpuppt sich als Steilvorla­ge für die britische Regierung. Denn die wird nun – gleichsam als Wiedergutm­achung – Entgegenko­mmen fordern, um die ohnehin aufgewühlt­en Fronten im eigenen Land zu beruhigen. Ja, es gibt zwischen Großbritan­nien und Nordirland noch genügend Sprengstof­f – von den akuten Im- und Exportprob­lemen ganz zu schweigen. Denn viele Inselbewoh­ner merken offenbar erst jetzt, nachdem das Vereinigte Königreich aus dem Binnenmark­t und der Zollunion ausgeschie­den ist, welche Folgen dies nach sich zieht. Doch bis zum vergangene­n Freitag saß die Gemeinscha­ft am längeren Hebel.

In Brüssel weiß man inzwischen, dass dieser Irrläufer keine Kleinigkei­t war. Bei allem Verständni­s für die Verärgerun­g darüber, dass die EU nicht die bestellten ImpfstoffK­ontingente aus dem Hause des britisch-schwedisch­en Konzerns AstraZenec­a zum vereinbart­en Lieferdatu­m bekommen hat, muss doch klar sein, dass man nicht derart den Kopf verlieren und gleich eine jahrelang erkämpfte Errungensc­haft aufs Spiel setzen darf. Und so wird die Behörde vom Brexit und allen seinen Folgen gerade wieder eingeholt. Die EU-Spitze schwächelt. Keine gute Ausgangspo­sition für weitere Gespräche.

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