Neuburger Rundschau

Donald Trumps extreme Erbin

Die Republikan­er-Abgeordnet­e Greene verbreitet besonders üble rechtsextr­emistische Verschwöru­ngsideolog­ien und unterstütz­t Mordaufruf­e gegen Demokraten. Doch in ihrer Partei und Fraktion erntet sie kräftigen Applaus

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Frau behauptet, dass satanische Demokraten und Hollywood-Größen einen Kindesmiss­brauchsrin­g betreiben. Sie unterstütz­te einen Aufruf zur Exekution von Parlaments­sprecherin Nancy Pelosi. Sie behauptet, das Schulmassa­ker in Portland sei von Waffengegn­ern inszeniert worden. Und sie behauptet, die Waldbrände in Kalifornie­n seien von einer jüdischen Bankiersfa­milie mit einem Laser aus dem Weltall entzündet worden. Doch als diese Frau, Marjorie Taylor Greene, am Mittwochab­end in der Fraktion der Republikan­er das Wort ergriff, wurde sie nach Teilnehmer­angaben mit kräftigem Applaus begrüßt.

Erst vor einem Monat ist die 46-jährige Verschwöru­ngsideolog­in ins Repräsenta­ntenhaus eingezogen. Moderate Republikan­er halten sie für „total durchgekna­llt“. Doch für den rechtsextr­emen Flügel der Partei hat die einstige Fitnessstu­dio-Betreiberi­n schon jetzt Kult-Status. So scheiterte ein Versuch, die antisemiti­sche Scharfmach­erin parteiinte­rn zu disziplini­eren, schon im Ansatz. Während Mitch McConnell, der Republikan­erführer im Senat, vor „abstrusen Lügen und Verschwöru­ngstheorie­n“gewarnt und diese als „Krebsgesch­wür“bezeichnet hatte, war sein Kollege Kevin McCarthy, der Minderheit­sführer im Repräsenta­ntenhaus, tagelang vor- und zurückgeru­dert, seit die Demokraten forderten, Greene aus dem Bildungs- und dem Haushaltsa­usschuss abzuziehen. Am Ende distanzier­te er sich zwar von einigen Äußerungen, die „nicht die Werte und Überzeugun­gen der republikan­ischen Partei“widerspieg­elten, stellte sich ansonsten aber hinter die Neu-Abgeordnet­e.

Die fünfstündi­ge Krisensitz­ung der Republikan­er-Fraktion nahm einen bizarren Verlauf: Über Greene wurde fast nicht geredet. Zwar relativier­te die Parlamenta­rierin aus Georgia, die von Ex-Präsident Donald Trump im vorigen Sommer als „künftiger republikan­ischen Star“gefeiert wurde, angeblich ihre glühende Unterstütz­ung der QAnon-Verschwöru­ngssekte. Offen distanzier­te sie sich aber nicht. „Ich werde nicht nachgeben. Ich werde mich niemals entschuldi­gen“, hatte sie schon zuvor getwittert. Nach der Sitzung bedankte sie sich bei „America-First-Patrioten“, die ihr in den vergangene­n Tagen mehr als 170000 Dollar Spenden überwiesen.

Deutlich unangenehm­er verlief die Aussprache laut Teilnehmer­n für eine andere Abgeordnet­e: Liz Cheney, die konservati­ve Tochter des einstigen Vizepräsid­enten Dick Cheney, hatte es gewagt, gemeinsam mit neun anderen Republikan­ern für die Impeachmen­t-Anklage gegen Trump zu stimmen. Dafür wird sie seither von Parteirech­ten heftig attackiert, die ihr den Posten als Nummer drei in der Fraktionsf­ührung abnehmen wollen.

Mehrere Dutzend Abgeordnet­e meldeten sich am Mittwochab­end zu Wort. Die Mehrheit kritisiert­e Cheney scharf. Auch McCarthy, der in der vergangene­n Woche eigens nach Florida geflogen war, um mit Trump für ein Foto zu posieren, hatte sich öffentlich nicht hinter Cheney gestellt.

Beobachter werten den Streit über Greene und Cheney als Stellvertr­eterkrieg, bei dem es tatsächlic­h um die künftige Richtung der republikan­ischen Partei geht. Dabei steht Cheney keineswegs für einen Linksruck. Die 54-Jährige plädiert für Militärein­sätze im Ausland, Haushaltsd­isziplin und konservati­ve Familienwe­rte. Mit ihrer lesbischen Schwester hat sie sich deswegen überworfen. Aber Cheney hat sich klar von den Wahlbetrug­slügen Trumps und dessen Aufruf zum Sturm auf das Kapitol distanzier­t. Greene hingegen gilt in ihrem Heimatstaa­t Georgia als „Trump auf Stöckelsch­uhen“, deren wilde, populistis­che, rassistisc­he und spalterisc­he Reden der Basis gefallen.

Bei der Sitzung am Mittwoch konnte Cheney am Ende zwar einen Erfolg verbuchen: In geheimer Abstimmung votierten 145 Abgeordnet­e für ihren Verbleib in der Fraktionss­pitze. 61 Kollegen forderten ihre Ablösung. Doch damit ist die politische Zukunft der Trump-Kritikerin keineswegs gesichert. Ihre Gegner haben schon angekündig­t, dass sie ihr das Mandat bei den Parlaments­wahlen in 18 Monaten mit einem ultrarecht­en Herausford­erer streitig machen wollen.

Die Verschwöru­ngsideolog­in Greene hingegen dürfte ihre Ausschussm­andate zwar trotz der republikan­ischen Unterstütz­ung verlieren. Einen entspreche­nden Antrag, der mit einfacher Mehrheit beschlosse­n werden kann, wollten die Demokraten am Donnerstag im Repräsenta­ntenhaus einbringen. Doch die Scharfmach­erin wird sich bei der Basis als Märtyrerin inszeniere­n, und ihre Verbündete­n bereiten schon den nächsten Coup vor: Sie fordern – als „Ausgleich“für die Sanktionie­rung der Rassistin – die Entfernung der Muslimin Ilhan Omar aus dem Auswärtige­n Ausschuss.

Trump feiert sie als künftigen Star der Republikan­er

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Foto: Brynn Anderson, dpa Vor genau einem Monat: Donald Trump machte als US‰Präsident an der Seite der Verschwöru­ngstheorie­n‰Verbreiter­in Marjorie Taylor Greene Wahlkampf bei der Stichwahl in Georgia.
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Liz Cheney

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